Die Rolle sub-nationaler Regierungsebenen für die vertikale Politikintegration von Biodiversität



Dieses Promotionsvorhaben möchte die Potentiale und Hürden sub-nationaler Ebenen für die Politikintegration von Biodiversität untersuchen. Auf internationaler Ebene haben sich die Mitglieder der Convention on Biological Diversity (CBD), darunter auch Deutschland, verpflichtet dem Verlust der biologischen Vielfalt Einhalt zu gebieten. Laut dem internationalen Biodiversitätsrat (IPBES) kann dies allerdings nur durch die „Stärkung und Koordinierung lokaler, nationaler und internationaler Nachhaltigkeitsbestrebungen sowie des Mainstreaming von Biodiversität […]“ gelingen (IPBES 2019, 17).

Theoretischer Rahmen

Analytisch kann diese Politikintegration von Biodiversität sowohl entlang politischer Ebenen (vertikal) als auch in einzelne Sektoren (horizontal) untersucht werden. Insbesondere in föderalen Ländern wie Deutschland ist die Betrachtung derartiger Koordinierungsprozesse auf allen politischen Ebenen von entscheidender Bedeutung, zumal Länder und Kommunen zentrale Kompetenzen in der Biodiversitätspolitik besitzen.
Als theoretischer Ausgangspunkt dient der Arbeit hierfür ein Analyseschema von Candel (2019), welches vier Dimensionen zur Einstufung des Grads der Politikintegration (policy frame; subsystem involvement; policy goals; policy instruments) identifiziert sowie integrative Kapazitäten (integrative capacities) und integrativen Führungswillen (integrative leadership) als erklärende Variablen anführt.

Arbeitsphasen

Das Promotionsvorhaben beschäftigt sich mit der Politikintegration von Biodiversität anhand der deutschen Mehrebenen-Politik. Übergeordnetes Ziel ist es die Rolle sub-nationaler Ebenen (insbesondere der Länder) in diesem Kontext zu untersuchen und dabei Hürden und Hebel für einen umfassenderen Biodiversitätsschutz zu identifizieren.

Die Arbeit fokussiert dabei im ersten Forschungsabschnitt auf der Ebene der Landespolitik und bedient sich dem Kontext sogenannter „sub-nationaler Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne“ (SBSAPs). Als theoretischer Hintergrund dienen die Vorarbeiten von Candel (2019) und Candel und Biesbroeck (2016), welche einen Analyserahmen für die Hebel und Hürden in diesem Kontext zur Verfügung stellen. Als erklärende Variablen dienen sogenannte integrative Kapazitäten und integrativer Führungswille. Aufbauend auf 16 Interviews mit allen Landesumweltministerien, werden zentrale Hemmnisse und Hebel für Biodiversity Policy Integration (BPI) identifiziert und diese in Beziehung zu den zugrunde liegenden Ursachen gesetzt. Die staatlichen Biodiversitätspolitiken scheinen dabei in institutionellen Lock-ins gefangen zu sein, die sich in schwachen Koordinationsstrukturen, fehlenden Ressourcen und geringer integrativer Führung manifestieren. Es gibt zwar Evaluierungsmechanismen, die jedoch keine Rechenschaftspflicht hervorrufen. Infolgedessen scheint ein politischer Wandel unweigerlich mit dem individuellen Engagement der politischen Entscheidungsträger:innen oder der externen Einflussnahme durch öffentliche oder europäische Initiativen verbunden zu sein.

Der zweite Forschungsabschnitt orientiert sich an der gemeinsamen Implementierung der FFH- und WRRL im Flussrenaturierungskontext auf sub-nationaler Behördenebene. Ziel ist es die Diskurse der BPI und der Verwaltungsliteratur zusammenzubringen und ersteren durch Erklärungsansätze des zweiteren zu bereichern. Anhand des praktischen Fallbeispiels der beiden europäischen Richtlinien, werden Interviews und Fokusgruppen, sowie qualitative und quantitative Erhebungen mit unterschiedlichen Akteursgruppen durchgeführt, um abermals Einblicke in den prozessualen und individuellen Zielkonflikten zu bekommen. Dabei stechen vor allem der Koordinierungsprozess und die Nutzung des behördlichen Ermessenspielraums, sowie Hemmnisse auf individueller Akteursebene als zentrale Hürden hervor. Es zeigt sich aber kein klassisches Schwarz-Weiß Bild zwischen den Behörden, wodurch sich abermals Implikationen für den BPI Diskurs und eine klare sektorale Trennbarkeit nur bedingt zutrifft. Gleichzeitig zeigt sich in diesem Fallbeispiel klar, dass aktuelle Naturschutzansätze und Verwaltungsstrukturen häufig noch nicht bereit sind einen modernen Naturschutz dynamisch umzusetzen bzw. gemeinsam mit Klimaschutzaspekten implementiert zu werden.

Für die dritte Forschungsphase ist eine vergleichende Fallstudie der Moorpolitiken zwischen vier Bundesländern geplant. Hierfür wird einerseits der Policy Mix in diesem Bereich der einzelnen Länder erhoben, sowie mögliche Unterschiede von diesen anhand des Ansatzes eigendynamischer politischer Prozesse (AEP) erklärt. Die Datengrundlage basiert dabei sowohl auf einer online und Dokumentenanalyse, als auch offiziellen Anfragen an Ämter und Interviews. Ziel ist es sowohl moorreiche Bundesländer, als auch moorarme Bundesländer in ihrem Engagement für die Wiedervernässung von Flächen einzuschätzen und mögliche Ursachen für Unterschiede darzulegen.

Aus theoretischer Sicht soll das Promotionsvorhaben vor allem den Diskurs der Politikintegration bereichern, indem unterliegende politische und institutionelle Ursachen für eine geringe Politikintegration von Biodiversität identifiziert werden. Das zugrundeliegende Verständnis von Politikintegration ist dabei prozesshaft und rational und soll sowohl vertikale als auch horizontale Aspekte betrachten. Dabei bewegt sich die Arbeit zwischen den Diskursen von policy coordination, policy coherence und transforamtive governance und versucht Erkenntnisse aus diesen für den Bereich eines modernen Biodiversitätsschutzes zusammenzuführen.

Betreuung & Anspruch

Der persönliche Anspruch ist es die resultierenden Empfehlungen für eine effektivere und effizientere Zusammenarbeit der unterschiedlichen Ebenen nicht nur dem wissenschaftlichen Diskurs bereitzustellen, sondern durch entsprechende Publikationen und dem direkten Austausch mit den policy makern und der Öffentlichkeit, diese auch in gesellschaftspolitische Entscheidungsprozesse direkt einzubringen.

Die Arbeit ist finanziert durch ein Stipendium der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und wird formal durch Herrn Prof. Dr. Michael Böcher an der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, sowie Dr. Yves Zinngrebe und Dr. Frank Hüesker am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) Leipzig betreut.

Quellen


Candel, J. J. L., & Biesbroek, R. (2016). Toward a processual understanding of policy integration. Policy Sciences, 49(3), 211–231. https://doi.org/10.1007/s11077-016-9248-y

Candel, J. (2019): The expediency of policy integration. Policy Studies, 1-16. doi: 10.1080/01442872.2019.1634191.

IPBES - Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (2019): The global assessment report on biodiversity and ecosystem services – Summary for Policymakers. IPBES Secretariat. Bonn.