Im Fokus - September 2019

Klimaschutzprogramm 2030 – Was sagen die UFZ-Experten?

Klimaschutzprogramm 2030 Grafik. UFZ

Am 20. September hat die Bundesregierung ihr Klimaschutzprogramm der Öffentlichkeit vorgestellt – ein Maßnahmenpaket, mit dem sie sicherstellen möchte, dass Deutschland seine Klimaziele 2030 erreicht. Das Konzept erhebt den Anspruch „…die Einhaltung der Klimaschutzziele zum Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen wirtschaftlich nachhaltig und sozial ausgewogen auszugestalten, zum Nutzen unserer Gesellschaft und als fairer Partner in der Welt.“

Doch hält das Konzept, was es verspricht? UFZ-Wissenschaftler*innen unterschiedlichster Fachrichtungen sagen mehrheitlich „Nein, es greift zu kurz, um wirksam zu sein“.

Drei Wissenschaftler haben das Klimapaket genauer unter die Lupe genommen und aus ihrer fachlichen Expertise heraus kommentiert: Prof. Georg Teutsch (Wissenschaftlicher Geschäftsführer des UFZ und Koordinator der Helmholtz-Klimainitiative) / Prof. Erik Gawel (Klima-Ökonom) und Dr. Stefan Klotz (Ökologe).


Prof. Dr. Georg Teutsch, Wissenschaftlicher Geschäftsführer UFZ. Foto: André Künzelmann/UFZ


UFZ-Geschäftsführer Prof. Georg Teutsch sagt:

"Klimaschutz gibt es nicht zum Null-Tarif / Klimaschutz und Nachhaltigkeit müssen zur Maxime unseres Handelns werden"


Grundsätzlich ist es gut, dass sich die Koalition geeinigt hat und ein Klimaschutzkonzept verabschiedet wurde. Und es ist höchste Zeit, denn Deutschland hinkt hinterher, wie übrigens viele andere Industrieländer auch. Der aktuelle UN-Bericht mit dem sehr treffenden Titel "The Heat Is On: Taking Stock of Global Climate Ambition", zeigt, dass zwar mindestens 112 Länder ihre aktuellen Klimapläne bis 2020 überarbeiten wollen, aber wie das konkret aussehen wird, ob sie ihre Klimaschutzbemühungen tatsächlich verstärken oder ohnehin geplante Einzelmaßnahmen leicht variieren, bleibt offen. weiterlesen…

Interessant ist ja, dass es vor allem Entwicklungsländer sind, die fest zugesagt haben, ihre Klimapläne zu verbessern – also die Länder, die einen viel kleineren CO2-Fußabdruck haben als die Industrieländer. Aber auch unter den Industrieländern gibt es einige, die beim Klimaschutz weiter sind als Deutschland – Schweden, Finnland oder Großbritannien etwa. Der Druck wächst von allen Seiten, nicht nur durch die immer dringender werdenden Apelle der Wissenschaft: Die Regeln in der EU werden strenger; wer seine Ziele nicht erfüllt, dem drohen Strafzahlungen. Und der Druck aus der Gesellschaft wächst weiter, wie der weltweite Klimastreik am 20. September eindrücklich gezeigt hat.

Zum Klimaschutzprogramm selbst: Es ist eine Vielzahl von Maßnahmen vorgeschlagen, und man kann noch nicht wirklich absehen, wie wirksam diese im Einzelnen sein werden. Ich bin ziemlich sicher, dass z.B. eine Mindestbepreisung von anfangs 10 Euro, steigend auf 35 Euro pro Tonne CO2 bis ins Jahr 2025 nicht die erwartete Emissionsreduzierung bringen wird. Deshalb ist vielleicht die wichtigste Maßnahme, dass man sich auf ein unabhängiges jährliches Monitoring und ein verbindliches Nachsteuern geeinigt hat. Ebenfalls sind die geplanten Aufschläge auf Diesel und Benzin im 10-15 Cent-Bereich bis 2026 nicht wirklich überzeugend. Insgesamt ein in manchen Bereichen ziemlich schwacher Aufschlag, der aber die Chance birgt, dass in der Gesamtheit die Klimaziele 2030 und 2050 doch erreicht werden können wenn die versprochene jährliche Nachsteuerung konsequent durchgehalten wird.

Dass die 2015 in Paris vereinbarten Klimaschutzziele nicht zum Null-Tarif zu haben sind, muss jedem klar sein. Wir müssen jeden einzelnen Wirtschaftssektor und jeden Lebensbereich hinterfragen und uns überlegen, wo die besten CO2-Einsparmöglichkeiten pro eingesetzte Mittel möglich sind. Das heißt, es darf kein durch Klientelpolitik geprägtes weiter so, aber auch keine uneffizienten pauschalen Maßnahmen geben.

Neben den Anstrengungen im Klimaschutz sind aber auch Maßnahmen der Anpassung an vermutlich deutlich häufigere Extremereignisse wie Hitze/Dürre oder Starkregen/Hochwasser notwendig. Das haben gerade die extrem heißen und trockenen Sommer 2018 und 2019 sehr deutlich gemacht – auch in Deutschland. Diese haben zu erheblichen Ernteeinbußen und Waldschäden, einer Beeinträchtigung der Wasserqualität in unseren Oberflächengewässern sowie einer deutlichen Absenkung der Grundwasserspiegel geführt und in urbanen Räumen die Gesundheit von älteren oder vorgeschwächten Menschen merklich beeinträchtigt.

Wir müssen die Herausforderungen im Klimaschutz jetzt annehmen. Die Wissenschaft liefert dafür wichtige Beiträge: Im Sommer sind wir mit der Helmholtz-Initiative Klimaschutz und Anpassung angetreten, in der Forscher*innen der unterschiedlichsten Disziplinen aus allen Forschungsbereichen der Helmholtz-Gemeinschaft, in einem Netzwerk mit Kolleg*innen aus der Leibniz-Gemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft Handlungsoptionen bzw. Lösungsvorschläge erarbeiten – Sektoren übergreifend. Auf der Basis vorhandener hochauflösender Fernerkundungs-, Simulations- und Beobachtungsdaten generieren wir notwendige Informationen für Anpassungsmaßnahmen, verbessern Modelle und Vorhersagen und stellen zeitlich und räumlich hoch aufgelöste Informationen wie z.B. den Dürremonitor Deutschland zur Verfügung. Dieser Dürremonitor zeigt seit Mai 2018 viele Regionen Deutschlands ohne Unterbrechung in tiefem Dunkelrot (Ausdruck extremer Dürre im Gesamtboden bis 1,80 Meter Tiefe). Vor diesem Hintergrund wünsche ich mir, dass Klimaschutz und Nachhaltigkeit auf der politischen und gesellschaftlichen Agenda bleiben und zu spürbarem Handeln in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft führen.

Das vorgelegte Klimaschutzkonzept der Bundesregierung könnte sich zu einem ernsthaften Schritt vorwärts entwickeln. Wir sollten diesem deshalb eine Chance geben, aber regelmäßig und kritisch nach der Wirksamkeit fragen und gegebenenfalls die Nachbesserung einfordern. Jedes Jahr ist Kassensturz!“

Georg Teutsch, 20. September 2019

Der Hydrogeologe leitet seit 2004 als Wissenschaftlicher Geschäftsführer das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und ist Koordinator der 2019 gestarteten Helmholtz-Klimainitiative „Climate Initiative Adaption an Mitigation“ (HI-CAM).


Prof. Dr. Erik Gawel, Leiter des UFZ-Departments Ökonomie. Foto: Sebastian Wiedling/UFZ


UFZ-Umweltökonom Prof. Erik Gawel sagt:

"Ein 'Gruß aus der Klima-Küche' wurde soeben serviert, der Hauptgang steht freilich noch aus"


Auf dem Tisch liegt nunmehr ein mit großen Erwartungen verbundenes, sehr großes und sehr teures, neuerliches Klimapaket der Bundesregierung. Es soll dafür sorgen, dass Deutschland seine Klimaziele 2030 nicht erneut verfehlt, wie dies bei den Zielmarken für 2005 und 2020 der Fall war. An diesen bisherigen Zielverfehlungen konnten freilich weder das Nationale Klimaschutzprogramm (von 2000) noch das integrierte Energie- und Klimaprogramm (von 2007) etwas ändern. Ebenso wenig wie das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 (aus dem Jahre 2014) sowie der Klimaschutzplan 2050 (von 2016). Erinnert sich noch jemand an diese Pakete? Jedenfalls dürfte klar sein: Pakete-Schnüren allein genügt nicht! Es muss das Richtige drin stehen.

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Die wichtigste Botschaft, die jenseits der Einzelmaßnahmen vom aktuellen Klimapaket hätte ausgehen müssen, wäre ein klares Bekenntnis zu zwingender und deutlicher Emissionsminderung und zu einer spürbaren Richtungsänderung unserer Lebens- und Wirtschaftsweise gewesen. Beides wird nicht erreicht. Im Gegenteil. Die Fülle an eher punktuellen Förder-Maßnahmen (ganz in der Tradition der bisherigen Pakete), die selbst mittelfristig eher symbolischen CO2-Preise und das Festhalten, ja die Ausweitung umwelt- und klimaschädlicher Subventionen (2012 über 55 Milliarden Euro, darunter die Pendlerpauschale) sprechen eine andere Sprache. Zu Recht werden die gesellschaftlichen Akteure das Klimapaket als Signal des „im Wesentlichen doch weiter so“ empfinden. In Einzelfällen wird Pendeln jetzt sogar noch günstiger.

Und die Belastung von Kraftstoffen erst in zwei Jahren um 2-3 Cent zu erhöhen, hat leider mit ernstzunehmender CO2-Bepreisung noch gar nichts zu tun. Eine Verteuerung, die niemand bemerken wird, ist keine sinnvolle Verteuerung. Allein der bei Mengensteuern wie der Energiesteuer auf Kraftstoffe regelmäßig notwendige Inflationsausgleich hätte seit 2003, dem Jahr der letzten Anhebung, jetzt eine Erhöhung um ca. 19 Cent bei Benzin notwendig gemacht. Real gesehen werden Kraftstoffe, was die staatliche Belastungskomponente angeht, von Jahr zu Jahr günstiger! 2-3 Cent nach fast 20 Jahren Stillstand vor diesem Hintergrund als gerade noch vertretbare Zusatz-Belastung zu rahmen, zeugt wohl von politischem Humor. Ob das Ganze per Emissionshandel organisiert wird oder einer (sofort und ohne Hintertürchen zu habenden) Änderung des Energiesteuergesetzes, bleibt dagegen im Grunde nachrangig.

Und eine auf Preise abzielende Steuerpolitik, die zu diesem Zweck den Unternehmen die Kostenlast reduziert (Umsatzsteuer bei Bahnreisen, EEG-Umlage für Stromversorger), kann auf Preisnachlässe bei Endkundenmärkten nur hoffen und ist deshalb kaum wirksam. Ob Kostensenkungen in Fahrkarten- oder Strompreisen spürbar weitergegeben werden, entscheidet sich erst am Markt und greift allenfalls bei intensivem Wettbewerb, der in beiden Bereichen lahmt. Bei Kontokorrentkrediten der Banken funktioniert die Weitergabe von Kostenänderungen an die Kundschaft seit Jahrzehnten zuverlässig nur nach oben. Diese Kostengeschenke werden zu Lasten öffentlicher Haushalte schlicht verpuffen. Und warum eigentlich soll Strom günstiger werden? Gibt es nicht ein Einsparziel von 25 Prozent bis 2050 und ganz nebenbei gegenwärtig erhebliche Probleme, noch mehr erneuerbaren Strom aus vulnerablen Landschaften zu gewinnen? Es wäre daher wichtig, auch Strom als höchst knappes Gut auszuweisen, das er tatsächlich ist, und so deutlich mehr Energieeffizienz auf marktwirtschaftliche Weise anzureizen.

Ganz nebenbei ist das Verursacherprinzip offenbar gänzlich aus der Mode gekommen. Stattdessen türmen sich milliardenschwere Finanzlasten auf, die letztlich auf die Gemeinschaft der Steuerzahler zukommen – und sei es in späteren Jahren, denn auch Kredite müssen irgendwann zurückgezahlt werden. Gezahlt wird für Klimaschutz nämlich immer. Wir entscheiden nur, wer zahlt und wie teuer die Rechnung insgesamt wird. Man kann dies offen und verursacherbezogen tun – oder aber verdeckt und zu Lasten aller, insbesondere zukünftiger Generationen. Gratis-Klimaschutz ist eine gefährliche Illusion. Unwirksame Maßnahmen sind übrigens besonders teuer. Der klimaverträgliche Umbau einer kompletten Volkswirtschaft über das Gemeinlastprinzip öffentlicher Haushalte ist zudem eine schlichte Unmöglichkeit – er ist so weder fiskalisch noch strukturell leistbar. Gegen eine fortbestehende massive Wettbewerbsverzerrung zugunsten fossiler Strukturen – durch fehlende Einpreisung von Klimaschäden sowie durch Subventionen – wird die öffentliche Hand erfolglos „anzufördern“ versuchen. Güterpreise, die die ökonomische und ökologische Wahrheit sprechen, sind deshalb ein unerlässlicher Baustein einer erfolgreichen und – ganz nebenbei – auch einer gerechten Klimapolitik. CO2-Preise stellen erst jene fairen Wettbewerbsverhältnisse her, unter denen grüne Technologien eine angemessene Chance haben werden. Und zwar deshalb, weil sie mit Blick auf die Klimafolgen tatsächlich günstiger sind, als uns die Marktpreise derzeit verraten. Hier muss weitaus mehr geschehen. Und es muss rasch geschehen, denn die Zeit läuft uns davon.

Dies wäre im Übrigen auch die Stunde der Einführung einer echten entfernungsabhängigen Pkw-Maut gewesen. Diese sicherte – übrigens auch in einem zukünftigen System emissionsfreier Mobilität – die notwendigen Mittel für die Erhaltung der Straßeninfrastruktur. Eine Pkw-Maut wäre zudem ein klares Preis-Signal gewesen, dass auch Verkehrsvermeidung und -verlagerung wichtige Klimabeiträge erbringen müssen. Immer mehr Straßenverkehr, auch wenn er emissionsärmer organisiert wird, bleibt ein Problem – für die Umwelt, aber auch das Klima, wenn Treibhausgas-Reduktionserfolge durch höhere Fahrleistung aufgefressen werden. Und wo die dringend benötigten Investitions-Milliarden jetzt herkommen sollen, um den Investitionsstau aufzulösen, bleibt unklar.

Der gesellschaftliche Druck – an der Wahlurne ebenso wie außerparlamentarisch („Fridays for Future“) – wird daher weiter hoch gehalten werden müssen. Nur so erhalten politische Entscheider die notwendigen Signale „in ihrer Sprache“, das Erforderliche für den Klimaschutz noch zu tun. Ja, die jetzt vereinbarten Monitoring-Mechanismen und Nachlieferungspflichten sind ein Fortschritt. Doch bislang wurde uns nur ein weiterer „Gruß aus der Klima-Küche“ serviert, wir warten aber noch auf den Hauptgang. Dies sollte umso eher gelingen, als zu wenig für den Klimaschutz zu unternehmen, uns weitaus teurer kommen wird. Denn den Kosten des Klimawandels können wir volkswirtschaftlich nicht (mehr) ausweichen. Sie erreichen uns entweder als Klimaschäden einer Heißzeit oder aber als kluge Vorsorge in eine klimaverträgliche Zukunft. Diese Wahl sollte uns leichter fallen, als es derzeit politisch den Anschein hat.

Erik Gawel, 22. September 2019

Der Umweltökonom leitet das Department Ökonomie am UFZ. Zu seinen Forschungsgebieten gehören neben der Energie-, Klima und Wasserressourcen-Ökonomie auch die Institutionenökonomik, insbesondere die Politische und die Rechtsökonomie.


UFZ-Studien zu Maßnahmen der deutschen Klimapolitik (Auswahl)

Gawel, E. / Strunz, S.: Einstieg in den Kohleausstieg – Was bringt der Kommissionskompromiss?, in: Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR), 30. Jg. (2019), Heft 3, S. 129-130.

Gawel, E.: Neustart der Klimapolitik erforderlich, in: ifo-Schnelldienst, 71. Jg. (2018), Heft 1, S. 8-10.

Tribisch, P. / Gawel, E.: Klimaschutzpolitik im Bereich des motorisierten Individualverkehrs in Deutschland. Eine ökonomische Analyse (= Studies in Infrastructure and Resources Management, Bd. 8), Logos: Berlin 2017.

Gawel, E. / Purkus, A.: Zur Rolle von Energie- und Strombesteuerung im Kontext der Energiewende, in: Zeitschrift für Energiewirtschaft, 39. Jg. (2015), Heft 2, S. 77-103.

Rodi, M. / Gawel, E. / Purkus, A. / Seeger, A.: Energiebesteuerung und die Förderziele der Energiewende – Der Beitrag von Energie- und Stromsteuern zur Förderung von erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und Klimaschutz, in: Steuer und Wirtschaft (StuW), 93. Jg. (2016), Heft 2, S. 187-199.

Gawel, E.: Kfz-Steuer-Reform und Klimaschutz, in: Wirtschaftsdienst, 91. Jg. (2011), Heft 2, S. 137-143.


Dr. Stefan Klotz, Leiter des UFZ-Departments Biozönoseforschung. Foto: André Künzelmann/UFZ


UFZ-Ökologe Dr. Stefan Klotz sagt:

"Keine entscheidenden Schritte hinsichtlich einer klimafreundlicheren Land- und Forstwirtschaft"


Es ist erfreulich und schon längst überfällig, dass ein Maßnahmenpaket zum Klimaschutz durch das Klimakabinett verabschiedet wurde. Die Wissenschaft ist sich einig, dass schnellstmöglich sowohl Maßnahmen zur Vermeidung des weiteren Ausstoßes von Klimagasen als auch Anpassungen an den Klimawandel erforderlich sind. Hierfür ist die Einbeziehung der Land- und Forstwirtschaft notwendig, weil die deutsche Landwirtschaft immerhin 60% der Methangasemissionen und 80% der Lachgasemissionen verursacht (UBA).

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Im Klimaschutzprogramm sind für beide Wirtschaftsbereiche Maßnahmen vorgesehen. Leider wird hauptsächlich auf schon bestehende Programme verwiesen und neue Maßnahmen sucht man vergebens. Damit sind keine entscheidenden Schritte hinsichtlich einer klimafreundlicheren Land- und Forstwirtschaft zu erkennen.

Die Verringerung der Stickstoffüberschüsse wird seit Jahren angemahnt, die neue Düngeverordnung, auf die verwiesen wird, reicht bei weitem nicht aus, um die Ziele zu erreichen. Lediglich die Förderung von gasdichten Güllelagern und verbesserter Ausbringtechnik wird genannt. Die verstärkte Nutzung von Gülle (Wirtschaftsdüngern) in Biogasanlagen löst das Stickstoffproblem nicht. Die Förderung des Ökolandbaus als wichtige Maßnahme des Klimaschutzes wird genannt, es bleibt aber abzuwarten, welche konkreten Regelungen folgen. Aktivitäten zur Minderung von Emissionen aus der Tierhaltung bleiben vage. Die Einführung des Tierwohllabels ist nicht automatisch der Weg dorthin. Verringerungen der Futtermittelimporte bei gleichzeitiger Verringerung der Fleischexporte würden zur Reduzierung der Stickstoffbelastung der Böden und des Grundwassers beitragen. Emissionen würden deutlich reduziert. Es wird angestrebt, die Energieeffizienz in der Landwirtschaft und im Gartenbau zu steigern. Das ist aber nicht allein durch Veränderung im Maschinenpark zu erreichen. Andere Anbauverfahren würden den Energiebedarf in der Landwirtschaft besser reduzieren. Erneut wird hauptsächlich auf ein bereits bestehendes Programm verwiesen.

Humuserhalt und Humusaufbau in Ackerböden wird als wichtiges Mittel des Klimaschutzes genannt. Gleichzeitig sollen Forststreifen die Erosion vermindern. Diese wichtigen und wirksamen Ziele werden formuliert, aber kaum durch konkrete Maßnahmen untersetzt. Die Wissenschaft fordert diese seit Jahren – geschehen ist kaum etwas. Das Gegenteil ist der Fall. Randstrukturen wurden beseitigt oder in einer Art und Weise bewirtschaftet, dass sie nicht ihre positiven Wirkungen entfalten konnten.

Der Schutz des Dauergrünlandes wird als weitere Maßnahme genannt. Seit 1991 ist die Dauergrünlandfläche von insgesamt 5,3 Millionen Hektar auf nur noch 4,7 Millionen Hektar in 2017 gesunken (UBA). Gleichzeitig – das wird kaum erwähnt – wurde die Grünlandbewirtschaftung enorm intensiviert und gerade auf diesen Flächen viel Stickstoff in unterschiedlichster Form ausgebracht. Damit ging die positive Wirkung des Grünlandes stark zurück. Hier wären neue Maßnahmen und Rahmensetzungen notwendig.

Es findet sich kein Hinweis auf die Notwendigkeit einer Agrarwende. Es gibt keine Vorschläge zur Veränderung der GAP (Gemeinsame Agrarpolitik der EU). Letztere wäre eine wichtige Stellschraube, die Emissionen aus der Landwirtschaft zu reduzieren und diesen Bereich besser an den Klimawandel anzupassen. Positive Umwelt- und Klimaleistungen sollten finanziell honoriert werden. Hauptsächlich nur Flächen zu subventionieren (80% aller Zahlungen gehen in diese erste Säule) anstelle von Umweltleistungen, ist klimaschädlich.

Die Forstwirtschaft hat erhebliches Potenzial für die Bindung von Kohlenstoff in den Wäldern. Diese Senken-Funktion hat sich jedoch seit 1990 verringert (UBA). Die längerfristige Nutzung von Holzprodukten kann als zusätzliche wichtige Senke für Kohlenstoff dienen. Zu Maßnahmen der Verbesserung der Klimawirkungen der Wälder ist nichts Konkretes im Programm enthalten. Es wird lediglich auf die Förderung der Wiederaufforstungen verwiesen und auf die verstärkte Holznutzung. Kein Wort ist über die notwendige Reduktion der wenig klimawirksamen Monokulturen im Forst und die Erhöhung des Anteils von Naturwäldern zu finden. Durch intensive Forstwirtschaft wird die positive Klimawirkung deutlich eingeschränkt.

Stefan Klotz, 22. September 2019

Der Ökologe leitet das Department Biozönoseforschung am UFZ und ist Sprecher des UFZ-Themenbereichs "Ökosysteme der Zukunft". Der Experte für Pflanzenökologie ist Generalsekretär der Europäischen Ökologischen Föderation (EEF), des Zusammenschlusses ökologischer Fachgesellschaften in Europa.