MigraChance

Migrationsbezogene Konflikte als Herausforderung und Chance für institutionellen Wandel in klein- und großstädtischen Kontexten


Verbundpartner:

FH Erfurt, Fakultät Architektur und Stadtplanung, FE Stadt- und Raumplanung

Leitung: Prof. Dr. Katrin Großmann (Koordination des Forschungsprojekts), weitere Beteiligte: Prof. Dr. Nikolai Roßkamm, Prof. Dr. Reinhold Zemke, M.A. Maria Budnik, M.A. Christoph Hedtke

Westfälische Wilhelms-Universität Münster (WWU), Institut für Politikwissenschaften, Prof. Dr. Norbert Kersting, M.A. Sina Resch

Webseite:


Praxispartner des Projekts

  • Stadt Leipzig, Amt für Stadtentwicklung und Wohnungsbauförderung (ASW), Ansprechpartnerin: Mary Uhlig; Referat für Migration und Integration, Ansprechpartnerin: Sylvia Gössel; Quartiersmanagement Schönefeld, Ansprechpartner: Felix Volgmann; CVJM Schönefeld, Ansprechpartner: Aaron Büchel-Bernhardt
  • Stadt Gelsenkirchen, Vorstandsbereich „Kultur, Bildung, Jugend, Sport und Integration“, Ansprechpartner: Mustafa Çetinkaya (Integrationsbeauftragter Gelsenkirchen)
  • Stadt Bebra, Ansprechpartner: Uli Rathmann, Türkisch Islamischer Kulturverein Bebra und Umgebung e.V. Ansprechpartner: Fatih Evren.
  • Die Raumplaner, Planungsbüro, Berlin, Ansprechpartner: Dr. Jan Dohnke
  • Stiftung Mitarbeit, Ansprechpartner: Hanns-Jörg Sippel

Förderung:

Bundesministerium für Bildung und Forschung – BMBF (Förderkennzeichen: 01UM1817AY)

Laufzeit:

04/2018 - 12/2021


Inhalt

Als Orte sozialer Differenz sind Städte und ihre Quartiere immer wieder Austragungsorte von Konflikten. Entsprechend sehen sie sich auch im Kontext einer heterogenen, sich dynamisch entwickelnden Zuwanderung mit diversen inneren Spannungen konfrontiert. Wir begreifen daraus hervorgehende Konflikte derweil als wichtige Momente eines sozialen Wandels, der Chancen für Meinungsaustausch und Lernprozesse, aber auch Perspektivwechsel eröffnet. Das Projekt MigraChance wird die Wirkung solcher migrationsbezogener Konflikte mit Schwerpunkt auf den Wandel lokaler Institutionen untersuchen.
Im Zuge von Konflikten, etwa um die Nutzung öffentlicher Freiräume oder die Einrichtung von Gemeinschaftsunterkünften, bilden sich immer wieder zivilgesellschaftliche Initiativen und Netzwerke, die Bedürfnisse wie Interessen verschiedener sozialer Gruppen vertreten (wollen). Die Verwaltungen versuchen häufig, den aufkommenden Protest in repräsentative und deliberative Formen der Beteiligung zu kanalisieren, z.B. mittels Ortsbezirksvertretungen und Integrationsräten. Da diese oft eine nur begrenzte Ausstrahlungskraft haben, werden in den letzten Jahren verstärkt innovative Formate der Partizipation auf lokaler Ebene gesucht und ausgewählt. Dafür stellen die Kommunalverwaltungen eigene Prozeduren auf den Prüfstein, gehen auf neue Zielgruppen zu und entwickeln ihre Beteiligungsformate weiter.

Ziel von MigraChance ist es in einem ersten Schritt retrospektiv zu analysieren, welche Auswirkungen migrationsbezogene Konflikte auf (sub-)lokale Institutionen nehmen können bzw. bereits nahmen. Im zweiten Schritt möchten wir dann prospektiv, auf Basis dieser Rekonstruktionen, und anhand der kommunalen Fallstudien (in Bebra, Gelsenkirchen, Leipzig) neue Möglichkeiten der Konfliktaustragung erkunden und mit den Kommunen gemeinsam erproben. Dabei werden Umgangsformen erarbeitet, mit deren Unterstützung Konflikte gezielt für Lern- und Transformationsprozesse nutzbar und für mehr Demokratie und gesellschaftliche Teilhabe auf lokaler Ebene aufgegriffen werden können. Gemeinsam mit der Stiftung Mitarbeit werden darüber hinaus Weiterbildungskonzepte entwickelt, die unsere Forschungsergebnisse und gesammelten Erfahrungen auch für andere Kommunen zur Verfügung stellen werden.

Zentralen Forschungsfragen des Verbundforschungsprojektes sind:

  1. In welcher Weise wirken Konfliktkonstellationen in Reaktion auf Zu- und Einwanderung als Ausgangspunkte für institutionellen Wandel?
  2. Welche institutionellen Lernprozesse setzen Konflikte in Gang?
  3. Wie lässt sich daraus strategisches Wissen für mehr gesellschaftliche Teilhabe, Gerechtigkeit und demokratischere Verfahren auf lokaler Ebene generieren?

Die Projektkoordination des Verbundvorhabens liegt bei der FH Erfurt (Fachgebiet Stadt- und Raumsoziologie, Leitung Prof. Katrin Großmann). Das Forschungskonsortium wird von dort koordiniert und moderiert, während die FH Erfurt zusätzlich die Fallstudie in der Hessischen Stadt Bebra durchführt. Die Westfälische Wilhelms-Universität Münster führt die Fallstudie Gelsenkirchen durch.

Aufgaben des UfZ in MigraChance

Das UfZ übernimmt die Gesamtleitung eines Arbeitspakets und teilt sie sich für weitere mit den Projektpartnern. Außerdem wird die Fallstudie Leipzig zu migrationsbezogenen Konflikten vom UfZ vorbereitet, durchgeführt sowie ausgewertet und im Anschluss mit den Forschungspartnern diskutiert. Die Untersuchung wird in enger Zusammenarbeit mit Stakeholdern der Leipziger Zivilgesellschaft, einem Stadtteilmanagement und der Stadtverwaltung unternommen. Parallel zu den Leitungsaufgaben und der Forschung am Standort wird ein „Markplatz“ für Frühjahr 2020 (mit nationalen und internationalen Gästen) vorbereitet, der umfassend Möglichkeit zum Ideenaustausch, der Diskussion des Forschungsthemas, seiner theoretischen und empirischen Ergebnisse sowie methodischer Fragestellungen bieten wird. Die Ergebnisse werden eigenständig und im Forschungsverbund über Journals und Buchpublikationen veröffentlicht.

Die Städte der Fallstudien

Leipzig repräsentiert eine lange von Schrumpfung betroffene, seit 2010 wieder wachsende Großstadt mit moderat zunehmender migrantischer Bevölkerung. Exemplarisch zeigte sich ein uns interessierender migrationsbezogener Konflikt im Jahr 2014 anlässlich einer Einrichtung für Geflüchtete, die vorübergehend in ein leerstehendes Schulgebäude einzog. Empörung und Widerspruch in der lokalen Bevölkerung wurden anlässlich dieser Unterkunft manifest und im weiteren Verlauf traten eine Fülle neuer Akteure in die Öffentlichkeit (Initiativen, Netzwerke, Vereine). Mit besonderer Rücksicht auf die dynamische „Nachwende“-Zeit einer ostdeutschen Großstadt wird sich MigraChance dem Untersuchungsraum widmen, wobei vor allem mit Konflikten verbundene Erfahrungen und institutionellen Wandelungsprozesse im Zentrum des Forschungsinteresses stehen.

Gelsenkirchen, eine stark von De-Industrialisierung betroffene Stadt des Ruhrgebiets, war in der Folgezeit lange durch Schrumpfungsprozesse geprägt. Im letzten Jahr wuchs sie temporär besonders durch Zuzug von Asylbewerbern und EU-Ausländern aus Osteuropa. In der lokalen Fallstudie untersucht MigraChance den deutlich durch Zuwanderung geprägten Stadtbezirk Gelsenkirchen Süd, worin die Arbeitslosigkeit derzeit bei rund 28% liegt. Aus den Bedingungen im Bezirk ergeben sich unterschiedliche Konfliktpotentiale, deren Auswirkungen hier für den Fall einer Großstadt der alten Bundesländer untersucht wird. Gemeinsam mit Akteuren vor Ort (wie städtischer Verwaltung, kirchlichen Trägern, Nachbarschafts- und Migrantenvereinen, Wohlfahrtsverbänden als Betreibern der Stadtteiläden) wollen wir einige Konflikt-Szenarien und den damit zusammenhängenden institutionellen Wandel untersuchen.

Die Stadt Bebra weist eine langjährige Migrationserfahrung auf, die historisch auf die Tradition der Kleinstadt als Bahnknotenpunkt zurückgeht. Bebra hat ein insgesamt neubürgerfreundliches Image und weist neben erwartungsgemäßen Akteuren aus Politik und Verwaltung auch länger etablierte Kulturvereine auf (z.B. den Türkisch-islamischen Kulturverein e.V. sowie die Syrisch-orthodoxe (aramäische) Kirchengemeinde e.V.), die einen signifikanten Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund vertreten. MigraChance richtet die lokale Fallstudie vor allem auf das sich wandelnde Quartier „Göttinger Bogen“, eine Zeilenbausiedlung der 1950er/60er Jahre mit einem hohem Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund, aber auch Arbeitslosen. Am exemplarischen Fall einer Kleinstadt werden neben Emergenzbedingungen und Verlauf verschiedener Konflikte vor allem involvierte institutionelle Veränderungsprozesse untersucht.


Publikationen

Budnik, M., Krahmer, A. (2019): Migrationsbezogene Konflikte – Eine konflikttheoretische Annäherung, in: Grossmann, K. (Hg.), Migrationsbezogene Konflikte als Impuls für demokratisches Lernen und institutionellen Wandel? Literaturreview Teil I. (www.migrachance.de/publikationen).

Haase, A., Hedtke, C., Resch, S. (2019): Migrationsforschung im Wandel – aktuelle Themen, Debatten und der Blick auf Konflikte in der postmigratischen Gesellschaft, in: Grossmann, K. (Hg.), Migrationsbezogene Konflikte als Impuls für demokratisches Lernen und institutionellen Wandel? Literaturreview Teil II. (www.migrachance.de/publikationen).

Krahmer, A., Haase, A., Intelmann, D. (2020): Migrationsbezogene Konflikte und institutioneller Wandel in Leipzig – mit einem Anhang zur lokalen Migrationsgeschichte. (www.migrachance.de/publikationen).

Großmann, K., Roskamm, N., Budnik, M., Haase, A., Hedtke, C., Kersting, N., Krahmer, A., Messerschmidt, S., Müller, J., Resch, S. (2021): Konflikte als Hoffnungsträger. Auseinandersetzungen um die postmigrantische Stadtgesellschaft, in: Neue Politische Literatur.

Krahmer, A. (2021): Alles auf Zweikampf? – Oder Konfliktbetrachtung unter dem Vorzeichen der Pluralität, in: Großmann, K., Budnik, M., Haase, A., Hedtke, C., Krahmer, A. (Hg.) (2021), An Konflikten wachsen oder scheitern? Beiträge zur Reflexion eines komplexen Phänomens, Fachhochschule Erfurt, 77-98.

Dörner, W., Haase, A., Hedtke, C., Pilz, M. (2021): Konflikte und ihre Gegenbilder. Ein Gespräch, in: Großmann, K., Budnik, M., Haase, A., Hedtke, C., Krahmer, A. (Hg.) (2021), An Konflikten wachsen oder scheitern? Beiträge zur Reflexion eines komplexen Phänomens, Fachhochschule Erfurt, 29-46.

Haase, A. (2021): Zur Rolle von Konflikt im diskursiven Ringen um die postmigrantische Zukunft, in: Großmann, K., Budnik, M., Haase, A., Hedtke, C., Krahmer, A. (Hg.) (2021), An Konflikten wachsen oder scheitern? Beiträge zur Reflexion eines komplexen Phänomens, Fachhochschule Erfurt, 99-112.

Krahmer, A. (2021): Polarisierung im Kontext städtischer Konflikte mit Migrationsbezug, in: Leser, J., Pates, R., Stratenwerth, J. (Hg.), Deutsch ≠ Deutsch – Ein Bericht über die Multiplizität nationalen Denkens in Deutschland und die Veränderbarkeit nationaler Narrative mithilfe Politischer Laboratorien, Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt (i.E.).

Krahmer, A. (2021): Leipzigs Konflikt um eine Ahmadiyya-Moschee. Ein Lehrstück „gelingender Integration“?, in: Hohnstein, S./Langner, J./Zschach, M. (Hrsg.), Lokale Konflikte in der Migrationsgesellschaft – Konflikterscheinungen und Konfliktbearbeitung (i.V.).

Kersting, N., Budnik, M., Haase, A., Hedtke, C., Krahmer, A., (2022): Migrationsbeiräte und Demokratische Regression? Akteure, Konflikte und Repräsentation im Vergleich (i.B.).