Grüne Infrastruktur − Mit Landwirtschaft Lebensräume schaffen


Projektkoordination

Regan Early, Universidade de Évora

UFZ-Projektleitung


Laufzeit

am UFZ: 2013 – 2016

Status

Förderung: BiodivERsA, Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Förderkennzeichen 01LC1204A



Projektbeschreibung

Europäische Naturschutzstrategien für das 21. Jahrhundert stehen im Zentrum unseres von BiodivERsA und vom Bundesforschungsministerium finanzierten Projektes EC21C. Koordiniert von der Wissenschaftlerin Regan Early von der portugiesischen Universität Evora wollen wir mit weiteren Forschungspartnern aus Frankreich, Schweden und Spanien bis 2016 vorhandene Computermodelle prüfen und erweitern, die die Reaktion von Tier- und Pflanzenarten auf sich verändernde Umweltbedingungen simulieren. Diese Veränderungen werden unter dem Begriff des globalen Wandels zusammengefasst und beeinflussen sich wechselseitig. Für unser Projekt sind insbesondere die globale Erwärmung und die agrarische Landnutzung relevant. Außerdem betrachten wir aber auch soziale und ökonomische Prozesse.


Hintergrund des Projektes

Da Tiere und Pflanzen der Kulturlandschaften Deutschlands an bestimmte Umweltbedingungen angepasst sind, die sich über lange Zeiträume entwickelt haben, können sich schnelle Veränderungen dieser Bedingungen negativ auf die Lebensfähigkeit und die Fortpflanzung dieser Lebewesen auswirken. Tier- und Pflanzenarten können sich teilweise durch Prozesse der Evolution an sich ändernde Bedingungen anpassen, indem sie z.B. über mehrere Generationen eine höhere Temperaturtoleranz entwickeln. Wenn sich jedoch die Umweltbedingungen in einem Lebensraum so sehr verändern, dass die Organismen dies nicht mehr tolerieren können, ohne schwerwiegende Schäden zu erleiden, versuchen sie, in andere, geeignetere Gebiete abzuwandern und sich dort anzusiedeln.

Mit Maßnahmen des Umweltschutzes wird versucht, die Anpassungsfähigkeit der Arten zu erhalten, da diese durch eine intensive Landnutzung, z.B. durch Verluste von geeigneten Lebensräumen, beeinträchtigt wird. Dabei wird unter anderem die Vernetzung von Lebensräumen gefördert, damit sich die Tiere und Pflanzen im Bedarfsfall in geeignetere Regionen bewegen können.
Die Prozesse des globalen Wandels wirken und entstehen auf verschiedenen räumlichen Ebenen und werden dort durch verschiedene Teilprojekte untersucht. 


Das Teilprojekt "Grüne Infrastruktur"

Unser Teilprojekt beschäftigt sich auf der lokalen und regionalen Ebene mit Maßnahmen der Landes- und Regionalpolitik und im Speziellen mit der Umsetzung der im Mai 2013 veröffentlichten Strategie für grüne Infrastruktur der Europäischen Union (EU). Diese soll, wie oben beschrieben, Tieren und Pflanzen die Anpassung an den globalen Wandel erleichtern. Allerdings ist die Erhaltung und Förderung der Anpassungsfähigkeit nur möglich, wenn auch ökonomische, soziale und kulturelle Bedürfnisse der Bevölkerung berücksichtig werden. Daher wollen wir in Kooperation mit lokalen Akteuren Umsetzungsmöglichkeiten der EU-Strategie für grüne Infrastruktur erarbeiten. Diese werden mit den geprüften und erweiterten Simulationsmodellen auf ihre ökologischen Auswirkungen hin untersucht. Aufgrund dieser Analysen sollen, ebenfalls in Zusammenarbeit mit lokalen und regionalen Akteuren, Empfehlungen für die lokale und regionale Umsetzung der EU-Strategie für grüne Infrastruktur erarbeitet und an die Europäische Union weitergegeben werden.

Friedeburg
Landschaft mit einem hohen Anteil an grüner Infrastruktur in Friedeburg, Sachsen-Anhalt. Photo: Oliver Schweiger, UFZ.
Querfurt
Landschaft mit einem sehr geringen Anteil an grüner Infrastruktur in Schafstädt, Sachsen-Anhalt. Photo: Oliver Schweiger, UFZ.


Was ist grüne Infrastruktur?

Die Europäische Union definiert grüne Infrastruktur als ein strategisch geplantes Netzwerk natürlicher und naturnaher Flächen mit unterschiedlichen Umweltmerkmalen, das mit Blick auf die Bereitstellung eines breiten Spektrums an Ökosystemdienstleistungen angelegt ist und bewirtschaftet wird. Dieses Netzwerk umfasst terrestrische und aquatische Ökosysteme sowie andere physische Elemente in Land- (einschließlich Küsten-) und Meeresgebieten, wobei sich grüne Infrastruktur im terrestrischen Bereich sowohl im urbanen als auch im ländlichen Raum befinden kann.

Ganz konkret gehören zur grünen Infrastruktur in der landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft zum Beispiel Elemente wie Hecken, Ackerrandstreifen oder Feldraine, die als Lebensräume von Tieren und Pflanzen dienen und zu deren Vernetzung beitragen können.


Die EU-Strategie für grüne Infrastruktur

Die EU versteht grüne Infrastruktur als ein natürliches Instrument zur Erwirtschaftung ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Nutzen. Die EU-Strategie für grüne Infrastruktur hat verschiedene Ziele. Das in unserer Untersuchung im Zentrum stehende Ziel besagt, dass die Weiterentwicklung von grüner Infrastruktur in Europa wesentlich zu einer Vernetzung der Lebensräume von Tieren und Pflanzen beitragen wird, was diesen eine Anpassung an den Klimawandel erleichtert und somit dabei hilft, Zielsetzungen anderer EU-Strategien und Richtlinien zu erreichen. Des Weiteren sollen mit Hilfe der Strategie Aspekte der grünen Infrastruktur in andere Politikbereiche, wie z.B. der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), einbezogen werden. Außerdem soll die Wissensgrundlage und die finanzielle Förderung von Projekten zur grünen Infrastruktur verbessert werden.


Warum eine neue Strategie?

Um zukünftig das Naturkapital Europas mit seinen vielfältigen Dienstleistungen für die Menschen in einer Weise nutzen zu können, die eine Erhaltung und Regenerierung dieser Leistungen ermöglicht, sollen natürliche Maßnahmen technische Lösungen für die Sicherung der natürlichen Resourcen ergänzen.

Wir sehen in der neuen Strategie eine Chance, bestehende Naturschutzstrategien zu erweitern, da bisherige Naturschutzmaßnahmen häufig auf die Etablierung und Erhaltung von Schutzgebieten abzielen, die alleine aber unter sich verändernden Klima- und Landnutzungsbedingungen unzureichend für eine Erhaltung der Ökosysteme und ihrer Dienstleistungen geeignet sind. Da ein Großteil der Landschaften in Europa intensiv agrarisch bewirtschaftet oder anderweitig durch menschliche Aktivitäten genutzt wird, muss eine umfassende Strategie zur Anpassungsfähigkeit der Arten darauf abzielen, diese vielfältig genutzte Landschaft miteinzubeziehen.


Was untersuchen wir genau?

Gemeinsam mit Akteuren, die aktiv die Landschaft auf lokaler und regionaler Ebene gestalten (z.B. Landwirte, Landwirtschafts- und Naturschutzverbände, Behörden, Regionalplaner, Kommunalpolitiker) untersuchen wir in unserem Projekt verschiedene Möglichkeiten, wie die EU-Strategie für grüne Infrastruktur umgesetzt werden könnte. Im Zentrum der Untersuchung stehen dabei nicht nur ökologische Aspekte. Besonders große Bedeutung wird auch der ökonomischen und sozialen Verträglichkeit der Umsetzungsmaßnahmen beigemessen. Entsprechend den jeweiligen Rahmenbedingungen entwickeln wir vier unterschiedliche Szenarien, für die dann jeweils räumlich explizite Umsetzungsmöglichkeiten von grüner Infrastruktur ermittelt werden. Die Szenarien bilden im Weiteren die Grundlage für die Modellvorhersagen über die zukünftige Durchlässigkeit der Landschaft, d.h. für ihre Eignung für Tier und Pflanzenarten um sich durch die Landschaft zu bewegen und neue Lebensräume zu besiedeln, und den Erhalt gesunder und widerstandsfähiger Artgemeinschaften vor Ort. Richtig angewandt kann grüne Infrastruktur die hierfür notwendigen Landschaftseigenschaften erhalten und verbessern.

Im Detail untersuchen wir vier Landschaftsausschnitte (jeweils 4 km x 4 km). Zu jedem Ausschnitt liegen bereits detaillierte Informationen zu Landschaftseigenschaften sowie zur Verbreitung einiger hundert Pflanzen- und Tierarten in lokaler (50 m) und regionaler (1 km) Auflösung vor. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Arten, die eine weite ökologische Spanne, aber auch wichtige Ökosystemdienstleistungen abdecken und umfasst Charakterarten der Pflanzen, Vögel und Arthropoden, wie z.B. Laufkäfer, die als Fraßfeinde fungieren und Wildbienen, die als Bestäuber nützlich sind.

Auf Basis dieser Datensätze untersuchen wir, welche Arten das Potential haben, in der Landschaft unter Klimawandelbedingungen zu verbleiben, welche Arten voraussichtlich verloren gehen und welche möglicherweise einwandern. Dabei bestimmen wir Landschaftseigenschaften, die möglicherweise negative Effekte des Klimawandels abmildern können, indem sie drastische Veränderungen in der Populationsdynamik einzelner Arten verhindern helfen oder aber für eine funktionelle Vernetzung der Landschaft sorgen, also die nötige Ausbreitung einzelner Arten als Reaktion auf den Klimawandel ermöglichen, auch über räumlich zusammenhängende Gebiete hinaus.

Im Weiteren verbinden wir vorrausgesagte Änderungen der Verbreitungsgebiete ausgewählter Arten auf größeren Skalen (für das Gebiet Deutschlands und der EU) mit der Information über die artspezifische Vernetzung innerhalb der untersuchten Landschaftsausschnitte und den unterschiedlichen Szenarien zur Umsetzung grüner Infrastrukturmaßnahmen. Dadurch kann der Einfluss dieser Maßnahmen auf die Pufferkapazität und Durchlässigkeit der Landschaft für unterschiedliche Organismengruppen abgeschätzt und deren Bedeutung für Landschaftspflege und -entwicklung ermittelt werden.

Die Ergebnisse der Modellvorhersagen werden wiederrum mit den relevanten Akteuren diskutiert, um praktische Handlungsempfehlungen für Landnutzungsplanung und Landschaftsmanagement auf regionaler und lokaler Ebene zu entwickeln. Darüber hinaus werden die Ergebnisse so zusammengefasst, dass sie auf nationaler und EU-Ebene Wege aufzeigen, wie lokales Wissen bei der Umsetzung der Strategie für grüne Infrastruktur für einen besseren Biodiversitätsschutz eingebunden werden kann.