Pressemitteilung vom 06. Oktober 2025

Neues Gründach auf Leipziger Gewandhaus wird zum Forschungslabor

Gründach verbessert städtisches Mikroklima und hilft beim Energiesparen

Das Gewandhaus zu Leipzig hat ein neues Gründach eingerichtet. Am 2. Oktober wurde es feierlich der Nutzung übergeben. Es soll nicht nur das innerstädtische Mikroklima verbessern, sondern auch die Wärmedämmung des Gewandhausdaches optimieren und ein neuer urbaner Lebensraum für Tiere und Pflanzen werden. Ermöglicht wurde dies mit Unterstützung des Leipziger Amtes für Umweltschutz sowie wissenschaftlicher Einrichtungen, die auf Initiative des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) im Leipziger Gründach Think Tank vereint sind. Sie nutzen das Gründach künftig als Forschungslabor, um dort die mikroklimatischen Auswirkungen von Gründächern zu untersuchen und deren Nutzung in Städten zu optimieren.

<p>Gründach auf dem Gewandhaus zu Leipzig</p> Foto: Martin Seifert

Gründach auf dem Gewandhaus zu Leipzig


Foto: Martin Seifert

Hochverdichtete Innenstädte mit ihrer wärmespeichernden Bebauung sind vom Klimawandel und von Extremwettereignissen besonders betroffen: Beton, Steine und Asphalt heizen sich bei hohen Temperaturen auf und geben die Wärme nur langsam wieder ab. Hitzeinseln bergen gesundheitliche Risiken für die Bevölkerung. Bei Starkregen versickert das Wasser nicht im Boden. Das sorgt für Überschwemmungen und überlastet die Abwasserkanäle. Betroffen ist davon auch die Leipziger Innenstadt: So wurden in der Stadtklimaanalyse Leipzigs unter anderem das Areal des Gewandhauses und die benachbarten bebauten Bereiche als klimatische Problembereiche mit ungünstigen bis sehr ungünstigen Belastungssituationen ausgewiesen. Der Klimawandel wirkt sich aber auch direkt auf das Gewandhaus aus: Die Temperaturen im Konzerthaus und in den Sälen würden ohne Gegenmaßnahmen während der Sommermonate von Jahr zu Jahr kontinuierlich zunehmen. Damit erhöht sich der technische Aufwand zur Kühlung der Innenräume, die Kosten für die Klimatisierung steigen.

Mit der Unterstützung des Amtes für Umweltschutz sowie wissenschaftlicher Einrichtungen wie dem UFZ, der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK Leipzig) und der Universität Leipzig, die im „Leipziger Gründach Think Tank“ zusammenarbeiten, hat das Gewandhaus nun 800 Quadratmeter seiner Dachfläche von einem Kies- in ein Gründach umgewandelt. Insgesamt wurden knapp 2.000 Pflanzen gesetzt und 20 Kilogramm Pflanzensamen ausgesät. „Gründächer sind ein wichtiger Bestandteil von zukunftsfähigen Städten, die auch unter den Bedingungen des Klimawandels lebenswerte Bedingungen bieten können“, erklärt Dr. Lucie Moeller, UFZ-Umweltbiotechnologin und Mitinitiatorin des Think Tanks. Schon seit längerem forscht das UFZ zu Funktionen von Gründächern, zur Resilienz gegenüber Temperatur- und Feuchteschwankungen und zum Abbau von Schadstoffen durch die Bepflanzung.

Das neue Gründach soll nun für das Gewandhaus als zusätzliche Dämmschicht wirken. Es soll Temperaturschwankungen reduzieren, Energie einsparen, Schallreflexionen im Inneren mindern und zudem Heimat für Tier- und Pflanzenarten werden, die in der stark verdichteten Leipziger Innenstadt kaum noch Lebensräume und Nahrung finden. Genutzt wird das Gründach künftig aber auch von Forscher:innen, die dort weitere Kenntnisse über die Anlage, die Pflege und die Wirkung bepflanzter Dächer im urbanen Raum sammeln werden.

Messtechnik zu Forschungszwecken installiert

Um Erkenntnisse über das Management von Gründächern zu gewinnen und die Wirksamkeit von Pflegemaßnahmen nachzuweisen, verlegten zum Beispiel Forschende der HTWK Leipzig unter dem Substrat spezielle faseroptische Messtechnik. „Sie erlaubt, über lange Zeiträume Temperaturen im Gründach kontinuierlich und vor allem ortspezifisch zu erfassen. Zudem lässt sie Rückschlüsse auf Feuchte und Zustand des Gründachs zu, was sonst nur durch aufwendige Begehung durch Sachkundige möglich wäre“, sagt Martin Weisbrich, Leiter der HTWK-Forschungsgruppe. Künftig sollen die Informationen des Messsystems jederzeit abrufbar sein, so dass die Pflanzen zum richtigen Zeitpunkt genau dort bewässert werden können, wo das Substrat zu trocken ist. Ergänzt werden die Substratmessungen durch Drohnenaufnahmen mit einer Wärmebildkamera. Dadurch lassen sich wichtige, verallgemeinerungsfähige Zusammenhänge zwischen Temperaturen im Inneren des Substrats und dessen Oberfläche ableiten.

Diese auf dem Gründach des Gewandhauses eingesetzte faseroptische Methode wurde bisher an der HTWK Leipzig und am UFZ in zwei anderen Feldern angewandt: Zum einen, um Bauwerke zu überwachen und Risse oder statische Probleme zu detektieren; zum anderen, um unter dem Einfluss elektromagnetischer Felder wie bei Radiowellen-Erwärmungsprozessen die Temperatur zu erfassen. Eine finanzielle Förderung aus dem transfun®-Innovationsprogramm des UFZ machte es daraufhin einer gemeinsamen UFZ/HTWK-Arbeitsgruppe möglich, zu testen, ob sich die Messtechnik auch für den Einsatz in blau-grünen Infrastrukturen eignet. Diese gewinnen im Zuge der Anpassungsbemühungen der Städte an den Klimawandel mehr und mehr an Bedeutung. Die erfolgreich absolvierten repräsentativen Messaufgaben, etwa an einer begrünten Hausfassade in Leipzig und am experimentellen Gründachsegment des UFZ waren für das UFZ/HTWK-Team unter Leitung von Dr. Ulf Roland dann das Signal, dass sich das Wissen aus Bauwesen und Umwelttechnik gut auf blau-grüne Infrastrukturen übertragen lässt.

Und auch UFZ-Umweltbiotechnologin Dr. Lucie Moeller, die die Forschungsgründächer des UFZ in ihrer Obhut hat, nutzt das Gewandhaus-Gründach als externes Forschungslabor, um insbesondere mikroklimatische Effekte zu erforschen. Neben UFZ und HTWK Leipzig sind im Projekt ValiGrün, das sich mit der Validierung des Klimaanpassungspotenzials zur Optimierung der Funktionen blau-grüner Infrastrukturen im urbanen Raum beschäftigt (EFRE/SAB finanziert), auch die TU Dresden und das Leipziger Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) im Boot.

Weitere Informationen:
Broschüre "Leipziger Gründächer – pflegen, erhalten und optimieren": https://www.lw.uni-leipzig.de/fileadmin/Fakult%C3%A4t_LeWi/Botanischer_Garten/dateien_web_final/11_Transfer/01_gruendach/Leipziger_Gruendaecher_pflegen_erhalten_optimieren_2025_web.pdf

 


Weitere Informationen

Dr.-Ing. Lucie Moeller
UFZ-Department Systemische Umweltbiotechnologie
lucie.moeller@ufz.de

Dr. Ulf Roland
UFZ/HTWK-AG „Angewandte Umweltphysik und Radiowellen-Technologie“
ulf.roland@ufz.de

UFZ-Pressestelle

Susanne Hufe
Telefon: +49 341 6025-1630
presse@ufz.de


Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

www.ufz.de

Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.

www.helmholtz.de
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