Forschungs- und Entwicklungsvorhaben Agrarumweltrecht:
Rechtliche und andere Instrumente
für vermehrten Umweltschutz in der Landwirtschaft


Bearbeitung

Department Umwelt- und Planungsrecht
Dr. Stefan Möckel (Projektleitung)
Prof. Dr. Wolfgang Köck

Partner

Institut für ländliche Strukturforschung an der
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a.M.
→ M. Sc. Cordula Rutz
→ Dipl.-Ing. agr. Jörg Schramek


Laufzeit

12/2011 bis 10/2013

Status

abgeschlossenes Gutachten im Auftrag des UBA (FKZ-UFOPLAN 3711 88 101) 


Tagung

Fachgespräch am 30. Januar 2013


Kurzbeschreibung

Zielsetzung

Das Forschungsvorhaben untersuchte, wie die Entwicklung hin zu einer nachhaltigen, umwelt- wie klimagerechten Landwirtschaft stärker als bisher durch das nationale Umwelt- und Agrarrecht gesteuert werden kann. Ihm lag die Hypothese zu Grunde, dass die umweltrechtlichen Anforderungen an die Landwirtschaft bislang nicht ausreichen, um einen nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen zu erreichen. In der Untersuchung wurde herausgearbeitet, welche Umweltziele sich unsere Gesellschaft gestellt hat und inwieweit sie durch die Landwirtschaft und ihre Intensivierungstrends gefährdet sind. Darauf aufbauend analysiert das abschließend erstellte Gutachten die existierenden rechtlichen Instrumente und zeigt eine Vielzahl von rechtlichen Verbesserungsoptionen auf, mit denen sich die bestehenden bzw. zukünftig zu erwartenden Umweltprobleme der Landwirtschaft in Deutschland besser lösen lassen. Um den Untersuchungsaufwand zu begrenzen, wurden steuer- und abgabenrechtliche Instrumente allerdings ausgeklammert, da entsprechende Untersuchungen schon durch das UFZ erfolgten.

Dass die Studie zeitlich parallel zu den Diskussionen um die Novellierung und weitere Ökologisierung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik entstand, war nicht nur dem Zufall geschuldet. Vielmehr sollte das Gutachten gerade die Bedeutung und Möglichkeiten des nationalen Ordnungs- und Planungsrechts als notwendige Ergänzung des europäischen Agrarbeihilferechts herausarbeiten, denn nur mit einer guten Kombination der verschiedenen Politikinstrumente lässt sich eine dauerhaft umweltgerechte Landwirtschaft erreichen. Die ordnungsrechtliche Zuweisung von Verantwortung ist hierbei ein wichtiger Baustein für die Internalisierung der externen Umweltkosten der Landwirtschaft, die hilft, sowohl den Landwirten als auch den Verbrauchern die tatsächlichen Kosten bestimmter Bewirtschaftungsweisen und Agrarprodukte aufzuzeigen.

Gliederung

Das Gutachten gliedert sich in vier Teile. Teil 1 stellt die Entwicklung der Landwirtschaft in Deutschland in den letzten Jahrzehnten anhand statistischer Daten dar, um die ökologisch relevanten Intensivierungstrends aufzuzeigen. Anschließend analysiert das UFZ in Teil 2 umfassend das bestehende nationale und europäische Ordnungs- und Planungsrecht einschließlich der beihilferechtlichen Cross-Compliance-Anforderungen anhand gesellschaftlicher Umweltziele und bestehender landwirtschaftlicher Umweltprobleme. Da Recht nur so gut ist, wie sein Vollzug, wird hierbei mittels einer Literatur- und JURIS-Rechtsprechungsanalyse der behördliche Vollzug eingeschätzt sowie anhand von S.M.A.R.T.-Managementkriterien die Vollziehbarkeit der Regelungen bewertet. Außerdem wird geprüft, welche Vollzugsinstrumente die Gesetze enthalten. Darauf aufbauend untersucht Teil 3, wie sich der Instrumentenverbund und der Vollzug in Hinblick auf mehr Umweltschutz in der Landwirtschaft optimieren lassen könnten. Die Untersuchung konzentriert sich auf drei Instrumentenarten: ordnungsrechtliche Bewirtschaftungsanforderungen, planungsrechtliche Instrumente und ordnungsrechtliche Vollzugsinstrumente. Zugleich erörtert die Studie die Frage, ob das über mehrere Gesetze verstreute Agrarumweltrecht in einem eigenen Agrarumweltgesetz gebündelt werden sollte. In Teil 4 bewertet das IfLS schließlich anhand einer Expertenbefragung die ausgearbeiteten rechtlichen Verbesserungsoptionen aus agrarfachlicher Sicht und stellt mit der Beratung und der Honorierung ökologischer Leistungen zwei ergänzende und unterstützende Instrumente vor.

Ergebnisse

Trend zur Intensivierung hält an

Um die ökologisch relevanten Trends aufzeigen zu können, wurde die Entwicklung der Landwirtschaft in Deutschland seit 1950 anhand statistischer Daten ausgewertet. Eine zunehmende Spezialisierung und Steigerung der Produktion sind dabei die wesentlichen Trends. Besonders die Tierhaltung wurde stark ausgebaut: Inzwischen dienen 60 Prozent der Fläche der Erzeugung von Tierfutter. Trotz dieser Intensivierung ist der Anteil an der Bruttowertschöpfung auf unter 1 Prozent und der Anteil an der Beschäftigten auf 1,6 Prozent gesunken. Knapp 300.000 Betriebe gibt es noch, die zusammen 16,7 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche bewirtschaften, also rund die Hälfte der Gesamtfläche Deutschlands.


Umweltziele nicht erreicht

Aufgrund der großen Fläche spielt die Landwirtschaft eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Bodenfruchtbarkeit zu sichern, Wasserressourcen zu schützen, Treibhausgase und andere Emissionen in der Luft zu reduzieren sowie Tier- und Pflanzenarten und ihre Habitate zu erhalten. Während im Gewässerschutzrecht und im Luftreinhalterecht die europäischen und nationalen Umweltqualitätsziele relativ hoch gesteckt sind, fehlt es im Natur- und Bodenschutzrecht an ausreichend konkreten Zielen. Keines der Umweltziele ist gegenwärtig in Deutschland vollständig bzw. flächendeckend erreicht. Die amtlichen Statistiken und ausgewerteten Studien zeigen hierbei, dass gerade im Bereich der Landwirtschaft die größten Defizite bestehen. Vor allem bei der Durchsetzung der gesetzlichen Ziele gibt es Probleme. Ursächlich sind u.a. Sonderregelungen und Ausnahmen zugunsten der Landwirtschaft, lähmende Rechtsunsicherheiten aufgrund unbestimmter Rechtsbegriffe sowie die Probleme bei der Kontrolle aufgrund fehlender Informationen und unzureichender behördlicher Befugnisse. So konnten beispielsweise die vielen Schutzvorschriften den Umbruch von Dauergrünland zu Acker nicht stoppen oder die Belastung von Gewässern durch Einträge von den umliegenden Feldern nicht reduzieren. Auch der Einsatz von Pestiziden hat trotz strengerer Vorschriften nicht ab-, sondern weiter zugenommen.


Ordnungs- und planungsrechtliche Verbesserungspotenziale nutzen

Für mehr Umweltschutz in der Landwirtschaft bedarf es keiner neuen Gesetze, insbesondere keines neuen Agrarumweltgesetzes. Es genügen eine bessere Abstimmung des bestehenden Umwelt-, Agrar- und Beihilferechts sowie eine effektivere und vollzugstauglichere Ausgestaltung bestehender Instrumente und Regelungen. Hierbei kommt es auf die Regelungsdetails an, da sich die einzelnen Vorschriften aufgrund der ökologischen und ökonomischen Wechselwirkungen regelmäßig auf die Umwelt und Biodiversität insgesamt auswirken. Dem Ordnungs- und Planungsrecht wird mittelfristig in Zeiten übermäßiger Staatsschulden und steigender Agrarpreise auch bei der Landwirtschaft eine entscheidende Bedeutung für die staatliche Lenkung zukommen, denn das Ordnungsrecht ist besonders gut geeignet, um ohne die Milliarden Euro an Beihilfen flächendeckend allgemeinverbindliche Mindestanforderungen aufzustellen. Ergänzende planungsrechtliche Instrumente erlauben eine räumliche Steuerung sowie standortbezogene Festlegungen, während die unverzichtbaren Vollzugsinstrumente die Durchsetzung und gegebenenfalls die Konkretisierung im Einzelfall ermöglichen. Diese Kombination existiert für landwirtschaftliche Anlagen (z.B. Tierhaltungs- oder Biogasanlagen) schon weitgehend. Bei der landwirtschaftlichen Bodenbewirtschaftung setzt die Agrarpolitik hingegen seit Jahren v.a. auf Cross-Compliance- und Greening-Anforderungen bei Direktzahlungen. Zukünftig werden deren Anreizwirkungen aber immer mehr schwinden und die Agrarpolitik wird daher die Beihilfen langfristig auf die Honorierung besonderer gesellschaftlicher Leistungen sowie Hilfen in sozialen Härtefällen beschränken müssen.


Anforderungen stärker quantitativ bzw. qualitativ konkretisieren

Um das Agrar- und Umweltrecht für die ökologischen Herausforderungen fit – d.h. handlungs- und vollzugstauglich – zu machen, sind die unbestimmten Rechtsbegriffe und allgemeinen Grundsätze der guten fachlichen Praxis mit ökologisch anspruchsvollen quantitativen oder qualitativen Anforderungen zu untersetzen und diese dynamisch entsprechend dem aktuellen Stand der Technik fortzuschreiben. Nach Einschätzung der Studie könnten insbesondere die neuen Möglichkeiten der computer- und sensorunterstützten Präzisionslandwirtschaft zukünftig den Aufwand für die Einhaltung und Überwachung der Nachhaltigkeitsanforderungen deutlich reduzieren und zielgenaue Anforderungen ermöglichen.

Eine größere Baustelle stellt das Planungsrecht dar, da gegenwärtig kein verbindliches Planungsinstrument existiert, mit dem sich Art und Umfang der landwirtschaftlichen Bodennutzungen standortbezogen steuern lassen. In Anbetracht der Flächenintensität der Landwirtschaft, die in ländlichen Regionen schnell mehr als 80 Prozent der Gemeindefläche betrifft, und der Heterogenität der Standorte ist diese Landnutzung prädestiniert für eine planerische Feinsteuerung. Warum dieses Instrument anders als bei Siedlungsflächen gesetzlich kaum ausgebaut wurde, lassen die in der agrarfachlichen Bewertung festgestellten großen Vorbehalte gegenüber diesem Instrument erahnen. Gleichwohl empfiehlt die Studie, den willigen Kommunen durch eine Erweiterung der Landschaftsplanung bzw. Bauleitplanung zumindest die rechtliche Möglichkeit einzuräumen, damit die Bürger nicht nur ihr bauliches sondern auch ihr landschaftliches Umfeld mit beeinflussen können.


Vollzugsinstrumente nicht vernachlässigen

In der politischen Diskussion um die Agrarpolitik oft unterschätzt werden die rechtlichen Vollzugsinstrumente – wie Kontroll- und Anordnungsbefugnisse, Anzeige- und Dokumentationspflichten, Genehmigungserfordernisse oder Ordnungswidrigkeits- und Straftatbestände. Ohne sie sind den Behörden in einem Rechtsstaat aber die Hände gebunden. Dies gilt für die behördliche Informationsbeschaffung wie für das Einschreiten bei drohenden oder festgestellten Verstößen gleichermaßen, unabhängig davon, ob das Ordnungs- und Planungsrecht oder das Beihilferecht die ökologischen Anforderungen stellen. Denn nur mit ihnen lassen sich die gesetzlichen Anforderungen im Einzelfall durchsetzen. Da dies die Wirksamkeit des gesamten Agrarumweltrechts betrifft, plädiert die Studie für eine systematische Ergänzung fehlender Vollzugsinstrumente im Agrarbereich.


Fazit

Ein Instrument allein kann die Umweltprobleme der Landwirtschaft nicht lösen. Vielmehr bedarf es eines abgestimmten Instrumentenverbundes aus Gesetzen, Beihilfen, Abgaben/Steuern, Zertifizierungssystemen, Beratung und Weiterbildung. Die verschiedenen Instrumente sollten so kombiniert werden, dass ihre Vorteile genutzt und ihre Nachteile ausgeglichen werden, um eine möglichst effektive Umweltpolitik zu erreichen und die Landwirtschaft an den Umweltkosten zu beteiligen, die sie hervorruft. Insbesondere die Kombination aus ordnungsrechtlichen Mindestanforderungen, standörtlichen Festsetzungen in Plänen sowie einzelfallbezogenen Vollzugsinstrumenten sind als zentral für die Zukunft anzusehen.

Insgesamt macht die Studie 22 konkrete Vorschläge, wie der Gesetzgeber die Situation verbessern könnte.


Ansprechpartner

Dr. Stefan Möckel
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: +49-(0)341-235-1693