UFZ-Thema des Monats Oktober

Biodiversität und Energie

Der globale Energiebedarf wird in den kommenden Jahren weiterhin deutlich ansteigen. Damit wachsen auch die Herausforderungen, Treibhausgase zu reduzieren, um das Klima zu schützen, und zugleich den Naturhaushalt und unsere endlichen Ressourcen zu schonen. Der Übergang zu einer auf erneuerbare Energien gestützten Energieversorgung ist daher unumgänglich. Während von den Erneuerbaren erhebliche Verbesserungen beim Klimaschutz erwartet werden können, ergeben sich in anderen Bereichen des Natur- und Umweltschutzes durchaus neue Konfliktfelder, so auch für den Artenschutz.

Rapsfeld und Winkrafträder

Erneuerbare Energien, wie beispielsweise Windkraft und Biomasse, sind praktisch weltweit verfügbar, wobei jedoch deren Energiedichte deutlich geringer ist als bei konventionellen Energieträgern. Dadurch benötigen sie erheblich mehr Fläche, um die gleiche Energieausbeute zu leisten.
Foto: André Künzelmann/UFZ

Die Auswirkungen der Energiebereitstellung durch konventionelle und erneuerbare Energieträger auf die Biodiversität sind jedoch höchst unterschiedlich: Konventionelle Energieträger liegen verdichtet in punktuellen Lagerstätten vor. Ihre Umweltauswirkungen zeigen sich durch Emissionen bei der Erschließung (zuletzt sichtbar im Golf von Mexiko) und dem Transport (Leitungsverluste), durch Verkehrs- und Infrastrukturbedarf für die Verteilung (Pipelines, Öltanker, Transport von radioaktiven Materialen) sowie durch die Emissionen bei der eigentlichen Umwandlung in Nutzenergie (Kraftwerke) - dabei sind Klimagase von besonderer Relevanz.

Anders als fossile Energien können erneuerbare Energien praktisch an allen Orten der Welt bereit gestellt werden, wobei es ökonomisch wie ökologisch erhebliche Eignungsunterscheide gibt. Gleichzeitig ist die Energiedichte der erneuerbaren Energien deutlich geringer. Beispielsweise benötigt die Braunkohleförderung für ein Kraftwerk und die Erzeugung vergleichbarer Strommengen 50 bis 500-fach weniger Fläche als Windparks, Photovoltaik-Freiflächenanlagen bzw. beim Anbau nachwachsender Energieträger. Anders als beim Abbau fossiler Energieträger bleiben auf diesen Flächen zwar verhältnismäßig vielfältige Umweltfunktionen erhalten, jedoch steigt die Flächeninanspruchnahme quantitativ und qualitativ deutlich an. Umgekehrt können die Umwelteffekte durch Verteilung und Umwandlung von Energie deutlich reduziert werden, wenn das Energiesystem stärker auf eine dezentrale Energieversorgung ausgerichtet wird - hierzu sind vor allem die erneuerbaren Energien gut geeignet.

Erneuerbare Energien und Artenvielfalt

Mais

Die Umwandling von Brachflächen und die Intensivierung der Landwirtschaft auf bestehenden Agrarflächen für die Biomasseproduktion bergen Risiken für die Biodiversität. Beispielsweise macht die hohe Energieausbeute von Mais als Substrat für Biogas es lohnenswert, diesen auf ehemaligen Grünlandflächen (Wiesen und Weiden) anzubauen.
Foto: André Künzelmann/UFZ

Kurzumtriebsplantage

Kurzumtriebsplanzungen eröffnen Chancen für die bioenergetische Nutzung: Sie besitzen eine relativ hohe Energieausbeute und können in Form streifenförmiger Kurzumtriebsplanatagen sogar den Artenschutz fördern.
Foto: André Künzelmann/UFZ

Mit Blick auf die Biodiversität ergeben sich daraus wichtige Schlussfolgerungen: Der Energieverbrauch ist generell mit Risiken für die Artenvielfalt verbunden. Diese Risiken stellen sich beim Einsatz erneuerbarer Energieträger allerdings anders dar; sie sind hier vor allem durch Ausweitung und Intensivierung von Landnutzungen gekennzeichnet. Dies gilt neben Standorteingriffen für Erzeugungsanlagen (z. B. Windparks, die Gefahren für Vögel bedeuten) vor allem für den Anbau von Energiepflanzen zur Erzeugung von Bioenergie. Sie gilt als wichtigster unter den erneuerbaren Energieträgern und soll auch in den kommenden Jahrzehnten den Löwenanteil der Energiebereitstellung aus Erneuerbaren leisten. Auch wenn ein Großteil der Bioenergie aus Reststoffen erzeugt würde, erhält der Anbau von Energiepflanzen künftig einen höheren Stellenwert. Die agrarische Bereitstellung nachwachsender Rohstoffe auch für Energiezwecke erhöht den Nutzungsdruck auf die Flächen. Werden zusätzliche Flächen landwirtschaftlich genutzt oder die Nutzung auf bestehenden Agrarflächen intensiviert, birgt das vielfältige Risiken für die Biodiversität. Hierzu zählt insbesondere die Umwandlung naturnaher Flächen in Agrarflächen: So gehört Grünland in seinen verschiedenen Ausprägungen zu den artenreichsten Biotopen Mitteleuropas und beherbergt in Deutschland 52 Prozent des Artenbestandes. Gleichwohl befindet es sich schleichend auf dem Rückzug - allein von 2003 bis 2008 bundesweit um vier Prozent. Hierfür zeichnet auch der Ausbau der Bioenergie mitverantwortlich. Durch Nachfragerückgang bei der Viehwirtschaft, die Vergütungsanreize des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sowie die hohe Energieausbeute von Mais als Substrat für Biogas lohnen sich auch vormalige Dauergrünlandflächen zum Anbau. Intensivierungen der Landwirtschaft auf Agrarflächen sowie die energetische Nutzung von Grünlandflächen greifen jedoch in den Naturhaushalt ein: Verengung von Fruchtfolgen, Monokulturen, Entnahme ökologisch funktionaler Biomasse und verstärkter Pestizideinsatz, da nicht mehr für Nahrungsmittel produziert wird, seien als Stichworte genannt. Im globalen Maßstab sind die Risken für die Biodiversität noch weitaus größer, wenn man etwa an den Schutz der artenreichen Regenwälder denkt.

Chancen durch innovative Konzepte

Die Art der skizzierten Risiken macht aber zugleich deutlich, dass erhebliche Potenziale bestehen, durch eine geeignete Steuerung der Bioenergieproduktion oder der Standortwahl für Erzeugungsanlagen Konflikte mit dem Natur- und Artenschutz zu reduzieren. Gerade beim Energiepflanzenanbau bestehen sogar vielfältige Chancen auf Synergien zwischen Agrobiodiversität und energetischer Nutzung: So kann etwa die energetische Nutzung von Pflanzen zur Weiterbewirtschaftung von Grenzertragsstandorten beitragen und so die Landschaft offen halten für Arten, die an bestimmte Nutzungen gebunden sind. Auch die energetische Nutzung von Landschaftspflegematerial, die zu Kostensenkungen beiträgt, ist als Reststoffnutzung ein besonders geeigneter Ansatz zur Konfliktminderung. Durch innovative Konzepte der energetischen Verwertung erhalten bestimmte Flächen (Säume, Brachen) neben ihrem ökologischen nunmehr auch einen wirtschaftlichen Wert. Das stärkt den Naturschutz. Der Einsatz neuer Anbausysteme bietet zudem die Chance einer Optimierung aus Naturschutzsicht: Streifenförmige Kurzumtriebsplantagen mit höherer Artenvielfalt können das Landschaftsbild ausgeräumter Agrarlandschaften strukturieren oder Braunkohletagebaurestflächen in Nutzung nehmen. Mehrkulturensysteme, bei denen zwei oder mehr Kulturen pro Jahr auf einer Fläche angebaut werden, verhindern Bodenerosion durch die ganzjährige Bodenbedeckung und führen zu einem geringeren Austrag von Nährstoffen und Pflanzenschutzmitteln. Durch Mischfruchtanbau, d. h. Anbau von verschiedenen Feldfrüchten auf dem gleichen Feld in der gleichen Vegetationsperiode, mindert sich der Krankheits- und Schädlingsdruck, so dass weniger Pflanzenschutzmittel angewendet werden müssen.

Einklang von Naturschutz und Energieausbeute - Eine Frage der Kosten?

Allerdings führen solche Konzepte in der Regel zu höheren Kosten für die Bioenergiebereitstellung als die allein auf Masse ausgerichtete Energiepflanzenproduktion (wie z. B. Energiemais) und bedürfen daher einer zielgerichteten Einführung und entsprechender Steuerung - weit über die gegenwärtigen Säulen der Agrarpolitik hinaus.

Die eigentliche Aufgabe besteht mithin darin, bei den erneuerbaren Energien die bestehenden Gestaltungsspielräume gezielt zu nutzen, um Naturschutz und Energieausbeute in Einklang zu bringen. Eine zukunftsfähige Energiebereitstellung im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen zum Erhalt der Artenvielfalt sollte daher folgenden Gesichtspunkten Rechnung tragen:

  • Die Einsparung von Energie und die Erhöhung der Energieeffizienz in Umwandlung und Nutzung bleiben der einfachste und wichtigste Beitrag für eine nachhaltige Energieversorgung und - in besonderem Maße - auch für die Erhaltung der Biodiversität. Jede nicht benötigte Energieeinheit schont natürliche Ressourcen und die Leistungsfähigkeit unserer Ökosysteme.
  • Die Diversifizierung und Dezentralisierung der Energieversorgung kann mehr Vielfalt in der Landschaft bedeuten - dazu müssen aber sehr klare Rahmenbedingungen geschaffen werden: Eine eindimensionale Ausrichtung einer nachhaltigen Energiepolitik am Klimaschutz erscheint kontraproduktiv. Statt dessen sind umfassende Anforderungen an eine nachhaltige Landnutzung insbesondere für die Bioenergiebereitstellung dringend notwendig und teilweise bereits implementiert (z. B. die europäische Richtlinie zu erneuerbaren Energien mit Nutzungseinschränkungen für Schutzgebiete). Diese müssen aber neben biogenen Energieträgern letztlich auf alle biogenen Stoffströme ausgedehnt werden. Mit anderen Worten: Es sind Anforderungen an eine nachhaltige Landnutzung notwendig, die international akzeptiert und im gesamten Agrar- und Forstbereich wirksam sind. Synergiepotenziale zwischen Erneuerbaren und Naturschutz sind gezielt zu nutzen.
  • Regionalisierte Konzepte tun not: Beim Ausbau der erneuerbaren Energien sollten stets die unterschiedlichen standörtlichen und landschaftlichen Ausgangsbedingungen der jeweiligen Region berücksichtigt werden. Ziel muss es sein, durch standortangepasste, naturverträgliche Nutzungssysteme die Sicherung einer (dezentralen) Energieversorgung mit der Stärkung der regionalen Wertschöpfung und der Erhaltung von Ökosystemfunktionen zu verbinden. Regionale und lokale Stoffkreisläufe weisen hierzu den Weg. Die Steuerung dieser Prozesse stellt freilich die Umwelt- und Energiepolitik vor neue, große Herausforderungen. Aber auch regionale Planungs- und Umsetzungsprozesse brauchen innovative Ansätze, um Energienutzung und Biodiversität vor Ort gemeinsam zu entwickeln.

Chancen und Risiken nur regional erfassbar

Erste gute Ansätze sind auf dem Weg. So wurden mit Unterstützung der GTZ in jüngerer Vergangenheit in Madagaskar erfolgreich private Brennholzplantagen auf degradierten Flächen angelegt, die den Bauern zusätzliches Einkommen sichern können. Gerade degradierte Flächen oder Flächen mit geringen Ertragserwartungen können jedoch auch hochwertige Ökosystemfunktionen erfüllen, die bei einer Nutzung der Flächen zur Bereitstellung erneuerbarer Energien gefährdet werden können. Die konkreten Risiken für die Biodiversität sind daher nur regional erfassbar und müssen im konkreten Einzelfall abgewogen werden. Statistisch zur Verfügung stehende Flächen sind oftmals in der Realität bereits informell genutzt, durch lokale Subsistenz-Landwirtschaft oder Viehhaltung. Bei der Nutzung für erneuerbarer Energien müssen diese lokalen Nutzungen berücksichtigt und der Zugang zum Land aus sozialen Gründen sicher gestellt werden.

Auch der Anbau von Energiepflanzen für die Biogaserzeugung bietet insbesondere viehlosen Betrieben des Ökolandbaus die Möglichkeit, ihre Nährstoffkreisläufe besser zu schließen, weil die Gärreste aus der Biogaserzeugung als organischer Dünger zur Verfügung stehen.

Politische Steuerung und Monitoring notwendig

In Deutschland hat die Standortsuche für Windkraftanlagen die regionalen Planungsprozesse eminent gestärkt. Zudem hat die Nachhaltigkeitsdebatte um Biokraftstoffe die Problematik von Landnutzungseffekten und Biodiversitätsverlust in die Öffentlichkeit getragen. Nun gilt es, einerseits diese Türöffnerfunktion zu nutzen und auf die klassische Landwirtschaft auszudehnen, andererseits aber auch Instrumente zu schaffen, die in der Lage sind, die neuen Erkenntnisse in sinnvolle politische Steuerung zu übersetzen.

Erneuerbare Energien haben noch einen weiten Weg vor sich. Wir sind erst am Anfang, die komplexen ökologischen und sozio-ökonomischen Auswirkungen auf die Flächennutzung und damit auch die Biodiversität zu verstehen. Hierzu liefern auch satellitengestützte Fernerkundungssysteme wichtige Unterstützung. Diese können berichten, wo Landnutzungsänderungen stattfinden, aber auch wo die Wind-, Sonnen- oder Anbauverhältnisse besonders günstig sind. Für ein solches Monitoring stehen heute hochauflösende Erdbeobachtungssysteme zur Verfügung. Eine zukunftsfähige Energieversorgung muss nicht nur klimaverträglich sein, sie muss auch mit dem Erhalt der biologischen Vielfalt und der Sicherung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes einhergehen. Erneuerbare Energien bieten hierzu vielfältige Chancen. Neben technologischen Innovationen sind daher vor allem neue Steuerungsstrukturen gefragt, die diese Nachhaltigkeitschancen der Erneuerbaren weltweit konkret sichern.

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Publikationen

Ammermann, K.: Energetische Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Auswirkungen auf die Biodiversität und Kulturlandschaft, in: Natur und Landschaft, 83. Jg. (2008), S. 108-110.

Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Bioenergie und Naturschutz. Synergien fördern, Risiken vermeiden, Bonn 2010.

Czybulka, D.: Biomasseerzeugung als Regelungsgegenstand des Naturschutz-, Landwirtschafts- und Forstwirtschaftsrechts?, in: Schukze-Fielitz, H./Müller, Th. (Hrsg.): Klimaschutz durch Bioenergie, Baden-Baden 2010, S. 109-137.

Ekardt, F./Schmeichel, A./Heering, M.: Europäische und nationale Regulierung der Bioenergie und ihrer ökologisch-sozialen Ambivalenzen, in: Natur und Recht, 31. Jg. (2009), S. 222-232.

Gawel, E.: Stoffstromanalyse und Stoffstromsteuerung im Bereich der Bioenergie, in: Beckenbach, F./Urban, A. I. (Hrsg.): Methoden der Stoffstromanalyse. Konzepte, agentenbasierte Modellierung und Ökobilanz, Marburg 2010, im Druck.

Haaren, Chr. v.: Environmental Impacts of Biomass Production - Demands on Landscape Planning, in: Biomass in Future Landscapes. Sustainable Use of Biomass and Spatial Development, Proceedings of the International Conference, March 31st until April 1st 2009 in Berlin, o. O., S. 46-49.

Ludwig, G.: Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung der Biomasseproduktion durch die Regionalplanung, in: Deutschen Verwaltungsblatt, 125. Jg. (2010), S. 944-950.

Thrän, D., et al.: Identifizierung strategischer Hemmnisse und Entwicklung von Lösungsansätzen zur Reduzierung der Nutzungskonkurrenzen beim weiteren Ausbau der energetischen Biomassenutzung, 1. Zwischenbericht, Leipzig 2009.