UFZ-Thema des Monats September

Biodiversität und Wasser

Der Rhein - Ein drastisches Beispiel

Der Rhein wurde im 19. Jahrhundert in großem Stile begradigt. Allein zwischen 1817 und 1876 kürzten die Menschen die Flusslänge zwischen Basel und Mannheim um ein Vierte. Die meisten Seitenarme wurden durch Dämme abgetrennt und trockengelegt. 1925 begann der Bau des Rheinseitenkanals, der dem Rhein an einzelnen Stellen einen Großteil des Wassers entzieht. Die weit verzweigten Flussarme wurden auf ein einziges Gerinne reduziert, Flussgerölle entfernt, die Ufer befestigt und praktisch vollständig von den Landökosystemen abgekoppelt. Die Wassertiefe, die Fliessgeschwindigkeit, die Temperatur, der Sedimenttransport, die chemische Zusammensetzung des Wassers und der Sauerstoffgehalt haben sich nach den Flussverbauungen weitgehend verändert. Entlang des Rheins dienten Staudämme zur Wasserkraftnutzung und Verbesserung der Schiffbarkeit.

Der Rhein bei Basel

Der Rhein bei Basel.
Der Rhein ist ein drastisches Beispiel für den Verlust an Arten und Wasserqualität. Wasserbauliche Maßnahmen drängten ihn in ein enges Flussbett und Einleitungen aus der Industrie sowie kommunalen Abwässern verringerten die Wasserqualität erheblich.
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All das führte zu einer fast vollständigen Fragmentierung des Flusses in voneinander isolierte Abschnitte. Das hatte zur Folge, dass so genannte Langdistanzwanderfische, wie der Lachs, Maifisch oder Stör, ausstarben, denn sie hatten keine Chance mehr, ihre angestammten Laich- und Aufwuchsgebiete zu erreichen.

Seit der industriellen Revolution und insbesondere nach dem 2. Weltkrieg verschlechterte sich zudem die Wasserqualität des Rheins dramatisch und erreichte in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts ihren Tiefpunkt. Entsprechend drastisch waren die Artenverluste: Von den vormals über 180 Arten an wirbellosen Organismen konnten nur noch etwa 20 Arten gefunden werden.

Durch den systematischen Ausbau kommunaler und industrieller Kläranlagen und weitere Umweltmaßnahmen wie dem Verbot zahlreicher Chemikalien konnte dieser Trend aber umgekehrt werden. Die biologische Vielfalt erholte und erhöhte sich wieder, und selbst die gravierende Wasserverschmutzung durch Löschwasser beim Großbrand der Firma Sandoz in Schweizerhalle im Jahr 1986 hatte keinen dauerhaften Einfluss auf die Regeneration des Rheins. Mit der Eröffnung des Rhein-Main-Donau-Kanals im Jahr 1992 und der Verbindung zur Donau drangen und dringen heutzutage aber gebietsfremde Arten aus anderen Flusssystemen in den Rhein ein - mit Auswirkungen auf die biologische Vielfalt. Derzeit ist die Situation dadurch gekennzeichnet, dass wieder deutlich mehr Tier- und Pflanzenarten vorkommen, deren Populationen und Artengefüge aber ausgesprochen labil sind. Da es außerdem nur wenige alte Artenaufnahmen gibt, lässt sich die gesamte Veränderung der Artenvielfalt in den letzten 200 Jahren nur erahnen. Dennoch kann das Beispiel des Rheins stellvertretend für viele Fließgewässer gesehen werden. So hat eine gerade am UFZ erarbeitete Studie über den Zustand der Fließgewässer in Deutschland ergeben, dass zwar rund 90 Prozent der Fließgewässer in Deutschland einen "guten chemischen Zustand" haben, aber nur etwa 10 Prozent einen "guten ökologischen Zustand" aufweisen.

Den Seen geht es unter dem Einfluss der Veränderungen durch Bevölkerungswachstum, intensivierten Landnutzungen und dem Klimawandel nur unwesentlich besser als den Fliessgewässern. Einer Studie zufolge ist mehr als die Hälfte aller Seen der Welt stark beeinträchtigt. Vor allem Bewässerungsprojekte sowie Industrie- und Agrochemikalien setzen dem ökologischen Zustand und den Funktionen vieler Seen dramatisch zu. Bis 1980 sind allein in China 543 große Seen als Folge von Bewässerungsprojekten verschwunden. Aus demselben Grund ist der Aralsee heute nicht mehr der viert-, sondern nur noch der achtgrößte See der Welt, dessen Wasserhaushalt irreversibel geschädigt ist.