Kurzinformation vom 26. Juni 2023

"Wir wissen, wie man eine Kreislaufwirtschaft aufbaut"

Die International Society for Industrial Ecology veröffentlicht ein Weißbuch

Regierungen und Unternehmen, die eine Kreislaufwirtschaft anstreben, sollten Wissenschaftler:innen unmittelbarer einbeziehen, heißt es in einem neuen Bericht, der in internationaler Zusammenarbeit von Forscher:innen aus dem Bereich der industriellen Ökologie, unter anderem dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), entstanden ist und von der International Society for Industrial Ecology jetzt veröffentlicht wurde. Unter dem Titel "10 insights from industrial ecology for the circular economy" (10 Erkenntnisse aus der industriellen Ökologie für die Kreislaufwirtschaft) verweisen die Autor:innen auf das umfangreiche Fachwissen im Bereich der industriellen Ökologie, einer Disziplin, die sich seit Jahrzehnten mit der Minimierung von Abfällen, der Vorhersage der Auswirkungen neuer Produkte und der Gestaltung umweltfreundlicher Systeme befasst.  

Die Kreislaufwirtschaft ist ein Produktions- und Konsummodell, bei dem Produkte und Materialien im Umlauf bleiben. Alle Arten von Abfällen, wie Textilien oder alter Elektronik- und Metallschrott, sollen in die Wirtschaft zurückgeführt oder länger genutzt werden, um den Lebenszyklus von Produkten zu verlängern und die Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern. Dies steht im Gegensatz zu unserer heutigen globalisierten "linearen" Wirtschaft, in der wir Ressourcen abbauen, Produkte herstellen, sie verwenden und dann wegwerfen. 

Forscher:innen aus Goßbritannien, der Europäischen Union, China und den USA - darunter auch Prof. Sina Leipold vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) - haben einen Leitfaden erstellt, in dem sie die Grundsätze darlegen, die aus Sicht der Forscher:innen für politische Entscheidungsträger und die Industrie unerlässlich sind, wenn die Kreislaufwirtschaft nicht als bedeutungsloser Hype enden oder als "Greenwashing" abgetan werden soll. 

Der leitende Autor Stijn van Ewijk, Dozent für Umwelttechnik am University College London (UCL), erläutert: "Die Kreislaufwirtschaft wird als eine Neuheit empfunden, aber wir beschäftigen uns schon seit Jahrzehnten mit dem Thema Nachhaltigkeit und dem so genannten 'industriellen Ökologiesystem'. Bei der industriellen Ökologie geht es um die Messung und Verringerung der Umweltauswirkungen des Energie- und Materialverbrauchs. Es gibt also ein enormes Fachwissen in diesem Bereich - etwa zur Durchführung von Systemanalysen, die Bewertung von Produktlebenszyklen oder die Planung von Kreislaufwirtschaftssystemen."

Eine der wichtigsten Erkenntnisse dieses Berichts ist die Empfehlung, eine ganzheitliche Perspektive einzunehmen, die alle Auswirkungen von der Rohstoffgewinnung bis zum Abfall am Ende des Lebenszyklus eines Gegenstands einbezieht. Nur so stellt man sicher, dass eine potenzielle Lösung für ein Problem nicht einfach zu einer Verlagerung des Problems an eine andere Stelle führt oder ein noch größeres Problem verursacht. So wurden beispielsweise wiederverwendbare Becher von Fast-Food-Unternehmen als Antwort auf Einwegbecher zum Mitnehmen eingeführt. Dr. Van Ewijk erklärt jedoch: "Wiederverwendung ist oft besser, aber das hängt von der Art des Bechers ab und davon, wie oft man ihn benutzt. Viele Menschen haben inzwischen etliche Mehrwegbecher zu Hause, die sie nicht regelmäßig wiederverwenden, was die Gesamtemissionen nur erhöht."

Die Sachverständigengruppe fordert die politischen Entscheidungsträger und die Industrie auf, vorausschauend zu handeln und Systeme zu entwickeln, die effizienter und langlebiger sind, anstatt zu versuchen, die derzeitigen Systeme im Hinblick auf ihre Auswirkungen zu optimieren. Ein Beispiel dafür sind Elektroautos, die von einigen als Lösung für die Verschmutzung durch fossile Brennstoffe angesehen werden, die aber das bestehende Problem der Zunahme des Autoverkehrs eher noch verschärfen. Autos benötigen gegenüber öffentlichen Verkehrsmitteln sehr viel mehr Energie sowie kritische Rohstoffe wie z.B. Kupfer. Mitautorin Prof. Sina Leipold vom UFZ empfiehlt dazu: "Für eine ganzheitliche Perspektive muss Mobilitätspolitik auch globale Rohstoffbedarfe einbeziehen. Viele Städte haben das bereits erkannt und bieten ihren Bewohnern durch öffentliche Infrastruktur mehr Erholungsraum und schnellere Mobilität, statt überfüllte Parkplätze und Staus. "

Der leitende Autor des Weißbuchs ist Dr. Stijn van Ewijk vom University College London (UCL). Zu den weiteren Autoren gehören Forscher:innen des Illinois Institute of Technology, der Technischen Universität Berlin, der Universität Antwerpen, der Yale University, der City University of Hong Kong, der Universität Leiden, der Universität Limerick, der Universität Newcastle, des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung und der Universität Jena, des Metabolic Institute, der Technischen Universität Delft und des Imperial College London. 

Publikation: 10 insights from industrial ecology for the circular economy 

Video: 10 Insights from Industrial Ecology for the Circular Economy

Weitere Informationen:
International Society for Industrial Ecology  


Weitere Informationen

Prof. Dr. Sina Leipold
Leiterin UFZ-Department Umweltpolitik
sina.leipold@ufz.de

UFZ-Pressestelle

Susanne Hufe
Telefon: +49 341 235-1630
presse@ufz.de


Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

www.ufz.de

Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.

www.helmholtz.de
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