Schwerpunktthema September 2012

Chemikalien und Recht

von Prof. Dr. Wolfgang Köck

Das (Gefahr-)Stoffrecht als Rechtsgebiet

(Gefährliche) Stoffe sind im Umweltrecht durch eine Vielzahl von Fachgesetzen auf unterschiedlicher Regelungsebene reguliert. Umweltgesetze setzen am Stoff, an der (Industrie-)Anlage, am Produkt bzw. am Abfall an, oder sie setzen an einzelnen Umweltmedien (Boden, Wasser, Luft?) an, um schädliche Einwirkungen abzuwehren. Nicht alle diese Regelungen mit Stoffbezug werden dem Stoffrecht zugeordnet.

Zum Stoffrecht werden üblicherweise nur solche Normen gezählt, die darauf gerichtet sind, bewusst hergestellte Stoffe zu erfassen, zu bewerten bzw. zu kontrollieren. Dazu gehören alle Industriechemikalien, die zur Weiterverwendung in der verarbeitenden Industrie produziert (sogenannte Basischemikalien) und auch alle Stoffe, die um ganz bestimmter Funktionen willen hergestellt worden sind (von Lacken und Farben bis hin zu speziellen Gefahrstoffprodukten, wie Arzneimittel, Pflanzenschutzmittel oder Biozide).

Lager mit Pflanzenschutzmitteln

Stoffe, die als Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen, fallen unter das Besondere Stoffrecht. Die Kennzeichnung von Gefahrstoffen mit Symbolen - beispielsweise hier bei einem landwirtschaftlichen Chemikalienlager - informiert die Anwender über den sachgemäßen Umgang und Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.
Foto: André Künzelmann/UFZ

Kennzeichnung von Gefahrstoffen - Symbol umweltgefährlich

Die Gefahrenbezeichnung "Umwelt-gefährlich" zeigt an, dass der Stoff zu Veränderungen in der Umwelt führt, wodurch in Folge Umweltschäden entstehen können.
Quelle: © ernsthermann; fotolia.com

Das Stoffrecht lässt sich in einen allgemeinen und einen besonderen Teil gliedern. Als Allgemeines Stoffrecht ist das Chemikalienrecht zu bezeichnen, weil es seinem Ansatz gemäß den weitesten Zugriff hat und seinen Kontrollblick auf unterschiedlichste Verwendungen richtet. Das Besondere Stoffrecht betrifft demgegenüber spezifische Stoffverwendungen, die seit langem in eigenen Kontrollsystemen überwacht werden, wie etwa Pflanzenschutzmittel oder Arzneimittel.

Ziele des Stoffrechts

Das Stoffrecht zielt darauf sicherzustellen, dass durch die Inverkehrgabe von Stoffen und Gefahrstoffprodukten keine unannehmbaren Risiken für Mensch und Umwelt entstehen. In jüngerer Zeit sind weitere Zwecksetzungen hinzugekommen, etwa die Minderung von Tierversuchen im Prozess der Stoffprüfung oder die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und der Innovation der chemischen Industrie. Stoffrecht soll aber auch gewährleisten, dass notwendige Stoffdienstleistungen (Link Glossar bzw. Beschreibung weiter unten) erhalten bleiben.

In der Aufgabe, Mensch und Umwelt vor „unsicheren“ bzw. vor „bedenklichen“ Stoffen zu schützen, zeigt sich der Ordnungsstaat, der durch präventive Kontrolle und durch eingreifende Instrumente, wie Verbote, Anmeldungs- und Erlaubnisverfahren seine Ziele zu erreichen versucht. In der Aufgabe sicherzustellen, dass Stoffdienstleistungen erhalten bleiben, zeigt sich der Sozialstaat, der Industriepolitik betreibt und sich um das Angebot von Stoffdienstleistungen bemüht, indem er Anreize setzt, etwa durch die Etablierung von Sonderverfahren zur Zulassung von Arzneimittel für seltene Leiden oder durch Möglichkeiten einer vorläufigen Zulassung im Pflanzenschutzmittelrecht.

Aus den verschiedenen Zielen ergeben sich vielfältige Aufgaben, die hier nur ausschnittsweise mit Blick auf die Risikokontrolle weiter verfolgt werden können.

Die Risikokontrolle im Stoffrecht und das Instrument der Stoffprüfung

Überaus voraussetzungsvoll ist bereits das Ziel, die Risiken der Stoffverwendung wirksam zu kontrollieren. Das dafür eingesetzte Verfahren ist die Eröffnungskontrolle. Bevor ein Stoff vermarktet werden darf, muss er ein Registrierungsverfahren durchlaufen. Für bestimmte (besonders gefährliche) Stoffe und für Gefahrstoffprodukte wie Pflanzenschutzmittel oder Arzneimittel gelten strengere Überwachungsverfahren: sie bedürfen einer vorherigen Zulassung durch europäische bzw. nationale Behörden.

Ein zentrales Instrument der Eröffnungskontrolle ist die Stoffprüfung, die vom Produzenten nach festgelegten Schritten auf dessen Kosten durchzuführen ist. Das Stoffprüfungsprogramm umfasst unter anderem Untersuchungen zur Toxizität und zum Verhalten und Verbleib des Stoffes in der Umwelt (Abbaubarkeit, Verbreitung, Bioakkumulation). Die Stoffprüfung dient mehreren Zwecken. Sie dient zunächst einmal der Klärung der Stoffcharakteristik und der Einstufung des Stoffes in vorgegebene Gefahrstoffklassen (entzündlich, giftig, ätzend, umweltgefährdend, etc.); sie ist aber auch eine wichtige Voraussetzung für die Risikobewertung, d.h. der Abschätzung, ob die Verwendung des Stoffes entsprechend seiner Verwendungszwecke mit Risiken für Mensch oder Umwelt verbunden ist.

Die Stoffprüfung wird im Chemikalienrecht - anders im Gefahrstoffproduktrecht, wie dem Pflanzenschutzmittel- oder dem Arzneimittelrecht - abgestuft durchgeführt, d.h. nicht jeder Stoff durchläuft dasselbe Prüfprogramm. Vielmehr wird, sofern nicht eine spezifische – auf Anhaltspunkte gestützte – Besorgnis gegeben ist, eine sogenannte „Tonnenphilosophie“ wachsender Stoffprüfungspflichten praktiziert, d.h. die Intensität der Stoffprüfung nimmt zu, je mehr Jahrestonnen dieses Stoffes in den Verkehr gegeben werden. Am Anfang müssen nur einige Basisinformationen gegeben werden; der Standarddatensatz muss bei einer Jahresmenge von 10 Tonnen vorgelegt werden. Aufwendige Langzeitrisikountersuchungen sind erst bei höheren Jahres-Tonnagen vorzulegen. Der „Tonnenphilosophie“ liegt die Vermutung zugrunde, dass das Risiko mit wachsenden Stoffmengen steigt. Allerdings gibt es auch Durchbrechungen: Soweit die Erkenntnisse, die aus dem Standarddatensatz gewonnen werden, Auffälligkeiten zeigen, darf die Verwaltung dies zum Anlass nehmen, weiterführende Untersuchungen anzuordnen, damit eine verlässlichere Abschätzung des Risikos erfolgen kann.

Gefahr und Risiko bei Stoffen

Gefährlichkeit des Stoffes und stoffbezogenes Risiko sind zu unterscheiden. Ein Stoff kann gefährliche Eigenschaften haben; dennoch kann seine Verwendung nur mit einem unerheblichen Risiko verbunden sein, weil er in einem geschlossenen System verbleibt oder weil durch verschiedene Managementmaßnahmen sichergestellt werden kann, dass Mensch und Umwelt nur unerheblich exponiert werden. Aus der Gefährlichkeit des Stoffes allein kann daher grundsätzlich noch nicht auf ein Risiko für Mensch oder Umwelt geschlossen werden.

PNEC-Werte / DNEL-Wert

PNEC: Predicted No-Effect Concentration; der PNEC bezeichnet für das Schutzgut Umwelt die Konzentrationsmenge in Umweltkompartimenten, bei der nicht mit einer Auswirkung zu rechnen ist.

DNEL: Derived No-Effect Level; bezeichnet für das Schutzgut der menschlichen Gesundheit, den Konzentrationswert, der noch unbedenklich ist.

Das Gefahrstoffrecht folgt grundsätzlich einem risikobasierten Ansatz, will also die Entscheidung, ob ein Stoff vermarktet werden darf, nicht allein davon abhängig machen, ob er gefährliche Eigenschaften hat. Für die Risikobewertung bedarf es rechtlicher Maßstäbe, die auf fachliche – am Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse orientierte – Konzepte angewiesen sind, um in der Praxis anwendbar zu sein. Im Chemikalienrecht wird soweit möglich mit einem Konzept kritischer Schwellen gearbeitet (PNEC-Werte; DNEL-Wert), die mit der voraussichtlichen Exposition für Mensch und Umwelt abzugleichen sind. Überschreitet die voraussichtliche Exposition den ermittelten PNEC- bzw. DNEL-Wert, sind in der Regel weitergehende risikomindernde Maßnahmen bzw. Vermarktungsbeschränkungen notwendig.

Allerdings gibt es in der Stoffgesetzgebung mittlerweile auch Durchbrechungen des risikobasierten Ansatzes. So ist im Pflanzenschutzmittelrecht eine Zulassung für Wirkstoffe, die besondere Gefahreigenschaften haben (mutagene, kanzerogene oder fortpflanzungsgefährdende Stoffe bzw. persistente organische Schadstoffe oder sehr giftige Stoffe), grundsätzlich nicht mehr möglich. Bei näherem Hinsehen handelt es sich allerdings nur um eine scheinbare Durchbrechung des Risikoprinzips; denn all diese Stoffe sind dadurch charakterisiert, dass sich eine „No-Effect Concentration“ nicht ermitteln lässt und daher eine verlässliche Risikoabschätzung nicht möglich ist. Folgerichtig dürfen diese Stoffe nur dann vermarktet werden, wenn der Nachweis erbracht wird, dass Mensch oder Umwelt bei der Anwendung nicht exponiert werden können.

Grundprobleme der Risikokontrolle

Umgang mit Unsicherheit
Stoffprüfungen zur Bestimmung der Gefahreigenschaft von Stoffen sind eine unverzichtbare Voraussetzung, um Risikoabschätzungen vornehmen zu können. Die Risikokontrolle ist aber noch auf weitere Informationen angewiesen. Benötigt wird ein Wissen darüber, für welche Zwecke ein Stoff eingesetzt werden soll und ob er freigesetzt wird oder in gebundenen Kompartimenten verbleibt. Nur so kann eine Abschätzung der voraussichtlichen Exposition der Schutzgüter erfolgen. Benötigt wird darüber hinaus ein Wissen über kritische Belastungsschwellen der Schutzgüter, um Aussagen über Bedenklichkeit oder Unbedenklichkeit der Stoffinverkehrgabe treffen zu können (PNEC-Werte; DNEL-Wert).

Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Obstanbau

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Obstanbau reduziert zwar die Fraßschäden durch Insekten, führt jedoch häufig - insbesondere bei unsachgemäßer Anwendung - zu negativen Umweltauswirkungen.
Quelle: © ermess; fotolia.com

Apfelwickler

Ein in Europa weit verbreiteter Schädling im Obstanbau ist der Apfelwickler. Er befällt neben Apfelbäumen unter anderem auch Birnen-, Pflaumen- und Kirschbäume.
Foto: Joachim K. Löckener (GFDL, CC-BY-SA-3.0 oder CC-BY-SA-2.5-2.0-1.0, via Wikimedia Commons)

Insbesondere die Ableitung von PNEC-Werten bereitet große Probleme. Dies liegt auch daran, dass unterschiedliche Umweltkompartimente (Luft, Wasser, Boden) einzubeziehen sind, und die Ökotoxikologie noch eine junge Wissenschaft ist, deren Erfahrungsschatz im Vergleich zur Medizin noch gering ist. Demgemäß arbeitet die Ökotoxikologie mit einer Reihe von Sicherheitsfaktoren, um Wissensdefizite kompensieren zu können. Am größten ist die Unsicherheit, soweit die Daten über das auswirkungsbezogene Risiko ausschließlich auf der Basis von Laborergebnissen gewonnen worden sind, Mesokosmos- und Freilandexperimente sind geeignet, Laborerkenntnisse unter komplexen Bedingungen weiter abzusichern bzw. zu revidieren.

Lassen sich PNEC- oder DNEC-Werte aufgrund der verfügbaren Informationen nicht ermitteln, werden andere Maßstäbe der Risikobeurteilung benötigt, insbesondere darf das Vorsorgeprinzip zur Anwendung gebracht werden. Die Anwendung des Vorsorgeprinzips bei unsicherer Risikobewertung kann dazu führen, dass ein Stoff nicht vermarktet werden darf, wenn das vorhandene – noch lückenhafte – Risikowissen Anlass zur Sorge gibt. Die Anwendung des Vorsorgeprinzips drückt sich aber sehr viel häufiger in besondere Pflichten zur Generierung weiteren Risikowissens bzw. in sogenannten Nachmarktkontrollpflichten aus.

Unter „Nachmarktkontrolle“ wird die systematische Beobachtung des Stoffverhaltens nach der Inverkehrgabe eines Stoffes verstanden, um gegebenenfalls reaktiv eingreifen zu können, wenn die Realbedingungen der Stoffverwendung zeigen, dass die Kontrollen vor der Inverkehrgabe des Stoffes (ex ante –Kontrollen) für eine verlässliche Risikoabschätzung nicht ausgereicht haben. Am weitesten entwickelt ist das System der Nachmarktkontrolle im Bereich der Arzneimittel. Hier wird ein systematisches Beobachtungssystem, die sogenannte Pharmakovigilanz, vorgehalten, das insbesondere auf Rückmeldungen über unerwünschte Wirkungen aus der Ärzteschaft beruht. Bei den Pflanzenschutzmitteln ist die Nachmarktkontrolle demgegenüber deutlich weniger ausgeprägt und wird eher konkret anlassbezogen eingesetzt. Die Schwierigkeiten, ein Regelsystem der Nachmarktkontrolle im Pflanzenschutzmittelrecht einzuführen, beruhen auch darauf, dass kein Akteur zur Verfügung steht, der das Rückmeldesystem verlässlich speisen könnte; denn der Landwirt ist verlässlich nur mit Blick auf Rückmeldungen zur Wirksamkeit des Pflanzenschutzmittels und zu den unerwünschten Wirkungen auf die Kulturpflanzen, nicht aber mit Blick auf die Umweltwirkungen im Ganzen.

Umgang mit Altstoffen; neue Verantwortungsteilung
Ein anderes Grundproblem des Stoffrechts ist der Umgang mit Altstoffen. Ein Stoffrecht, das sich systematisch der Abschätzung und der Bewertung der Risiken der Stoffverwendung für Mensch und Umwelt annimmt, ist eine vergleichsweise neue Errungenschaft. Oft standen Katastrophenerfahrungen oder jedenfalls die begründete Besorgnis, dass es dazu kommen könne, am Anfang. Bei den Arzneimitteln war es die Contergan-Katastrophe der späten 1950er Jahre, die den Weg für eine strenge Arzneimittelkontrolle freimachte. Aus Umweltsicht war insbesondere Rachel Carsons berühmtes Buch „Silent Spring“ aus dem Jahre 1962 einflussreich für die Initiierung einer Stoffgesetzgebung (Stichwort: DDT-Verbot), die sich nicht nur um die Einstufung von Stoffen und um giftrechtliche Erfordernisse der Aufbewahrung kümmerte, sondern der es um eine präventive Abschätzung der Folgen des Stoffgebrauchs für Mensch und Umwelt als Grundlage einer Kontrollentscheidung über die Verkehrsfähigkeit von Stoffen ging.

Schaut man sich die Stoffgesetzgebung in ihrer Entwicklungsgeschichte an, fällt auf, dass die Kontrollpflichten zunächst nur für neu in den Verkehr gegebene Stoffe und Produkte Geltung hatten, nicht aber die Altstoffe, die den Großteil der in den Verkehr gegebenen Stoffe ausmachen. Insbesondere im Chemikalienrecht, dessen Altstoffverzeichnis EINECS immerhin 100.000 Stoffe umfasst, war die Diskrepanz zwischen den Stoffprüfungspflichten für neu in den Verkehr gegebene Stoffe und den 100.000 Altstoffen, über die man wenig bis gar nichts wusste („toxic ignorance“), besonders groß. Erst mit der REACH-Verordnung aus dem Jahre 2006 ist erstmals ein Chemikalienkontrollsystem geschaffen worden, das die Altstoffe einbezieht und durch Übergangsfristen sicherstellt, das in angemessener Zeit alle Stoffe, die weiter vermarktet werden sollen (sogenannter „phasing in“-Prozess), Stoffprüfungsberichte mit Risikobewertungen vorliegen. Dies war nur möglich durch eine neue Balance von staatlicher Kontrollverantwortung und unternehmerischer Eigenverantwortung, die die Ermittlungslasten stärker auf die Produzenten verlagert (Prinzip der kontrollierten Eigenverantwortung). Bei der Bemessung dieser Übergangszeiträume werden nicht nur die Produzentenrechte berücksichtigt, sondern auch das Bedürfnis der Gesellschaft an der Aufrechterhaltung der jeweiligen Stoffdienstleistung sowie die Prüfkapazitäten von Behörden und Laboren.

Einzelstoffbewertung und Kombinationswirkungen; Substitutionsansätze
Ein weiteres, bislang lediglich partiell bewältigtes Problem ist die Analyse und Bewertung möglicher Kombinationswirkungen. Die Stoffkontrolle basiert auf dem Prinzip der Einzelstoffbewertung. Für jeden Stoff werden Gefahreigenschaften und schutzgutbezogene Auswirkungsrisiken abgeschätzt. Die Interaktion von je für sich noch unbedenklichen Stoffen bleibt dabei regelmäßig ausgeblendet, sieht man davon ab, dass die Bewertung und Kontrolle sich nicht nur auf den Stoff, sondern auch auf Zubereitungen und auf Pflanzenschutzmittel und Biozide als komplexe Produkte (mit u.U. mehreren Wirkstoffen) beziehen.

Ansätze zur Lösung bestehen gegenwärtig darin, dass bestimmte Stoffe schon wegen ihrer problematischen Eigenschaften (z.B. Persistenz, Kanzerogenität, Reproduktionsteoxizität) als besonders besorgniserregend qualifiziert werden und im Pflanzenschutzmittelrecht grundsätzlich nicht mehr zulassungsfähig sowie im Chemikalienrecht nur noch unter sehr restriktiven Bedingungen zulassungsfähig sind. Darüber hinaus sind im Stoffrecht weitere Ansätze der Substitution, also der Ersetzung gefährlicher Stoffe durch weniger gefährliche Stoffe bzw. Verfahren und Techniken, erkennbar, auch wenn der Weg zu einer „green chemistry“ noch weit ist.

Europäisierung des Stoffrechts

Wichtige Gefahrstoffgesetze der EU

Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH-VO), 2006.

Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-Verordnung).

Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, 2009.

Verordnung (EU) Nr. 558/2012 über über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten vom 22.5.2012

Europäische Verordnungen gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der EU; europäische Richtlinien bedürfen eines nationalen Umsetzungsgesetzes. Da das Gefahrstoffrecht im Wesentlichen unmittelbar geltendes europäisches Recht ist, regeln die nationalen Ausführungsgesetze heute in erster Linie Zuständigkeitsfragen.

Das (Gefahr-) Stoffrecht ist das Teilgebiet des Umweltrechts, in dem die Europäisierung am weitesten vorangeschritten ist. Durchgängig werden die Risikokontrollen auf der Grundlage eines EU-rechtlich einheitlichen Rahmens durchgeführt. Darüber hinaus sind die Zuständigkeiten für die Kontrollen mittlerweile in hohem Maße auf europäische Institutionen bzw. auf Behörden, die in einem europäischen Verwaltungsverbund agieren, übertragen worden. Zentrale Zulassungsverfahren, wie die Zulassung von besonders besorgniserregenden Stoffen im Chemikalienrecht oder die Zulassung von Pestizidwirkstoffen im Pflanzenschutzmittelrecht werden nicht mehr auf nationaler Ebene geführt, sondern direkt auf europäischer Ebene. Zuständig für die Zulassungsentscheidung ist hier die Europäische Kommission, die dabei durchgängig von einer sachverständigen europäischen Behörde, wie z.B. der europäischen Chemikalienagentur (ECHA) oder der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), unterstützt wird. Auch in den Bereichen, in denen nationale Behörden für die Entscheidung zuständig sind, wie z.B. bei der Pflanzenschutzmittelzulassung (im Gegensatz dazu: die Wirkstoffzulassung für Pflanzenschutzmittel), sind Zulassungsformen entwickelt worden, die eine über den entscheidenden Nationalstaat hinausgehende Geltung haben und die durch horizontale, aber auch vertikale Verwaltungsverbundstrukturen vorbereitet werden, wie z.B. das „Verfahren der gegenseitigen Anerkennung“ im Pflanzenschutzmittelrecht.

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Ausgewählte eigene Veröffentlichungen

Köck, W. (2012): Rechtliche Strategien zur Bewältigung von Risiken im Stoffrecht – zur konzeptionellen Entwicklung des Stoffrechts, in: Perspektiven des Stoffrechts, UTR Bd. 114, Berlin: Erich Schmidt Verlag, S. 21-69.

Köck, W. (2011): Risikoregulierung im Chemikalienrecht, in: M. Albers (Hrsg.), Risikoregulierung im Bio-, Gesundheits- und Medizinrecht, Nomos: Baden-Baden, S. 105-122.

Köck, W. (2008): Zulassung und Substitution von Stoffen, in: Neues europäisches Chemikalienrecht (REACH), UTR Bd. 96, Berlin: Erich Schmidt, S. 133-151.

Köck, W. (2008): Nanopartikel und REACH – Zur Leistungsfähigkeit von REACH für die Bewältigung von Nano-Risiken, in: Scherzberg, A. (Hrsg.), Nanotechnologie als Innovation und Risiko, Berlin: de Gruyter, S. 183-199.

Köck, W./Kern, K. (2006): Öffentlich-rechtliche Kontrolle von Umweltrisiken, insbesondere Probleme und Perspektiven der europäischen Chemikalienkontrolle, in: Vieweg (Hrsg.), Risiko-Recht, Verantwortung, Köln u.a.: Heymanns Verlag, S. 279-320.

Köck, W. (2003): Das System „Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals“ (REACh) – Rechtliche Bewertung am Maßstab des Gemeinschaftsrechts, in: Rengeling (Hrsg.), Umgestaltung des deutschen Chemikalienrechts durch europäische Chemikalienpolitik, Köln: Heymanns Verlag, S. 37-83.

Köck, W. (2001): Zur Diskussion um die Reform des Chemikalienrechts in Europa – Das Weissbuch der EG-Kommission zur zukünftigen Chemikalienpolitik, in: Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 12 (2001), S. 303-308.

Köck, W. (1999): Risikobewertung und Risikomanagement im deutschen und europäischen Chemikalienrecht. Problemanalyse und Reformperspektiven, in: B. Hansjürgens (Hrsg.), Umweltrisikopolitik, Sonderheft 10 der Zeitschrift für angewandte Umweltforschung (ZAU), S. 76-96.

Betreute Dissertationen

Kern, K. (2010), Rechtliche Regulierung der Umweltrisiken von Arzneimitteln

Seulen, A. (2012), Strategien zur Substitution umweltgefährlicher Stoffe im europäischen und deutschen Gefahrstoffrecht (eingereicht; Abschluss des Verfahrens voraussichtlich im WS 2012/13)

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