Pressemitteilung vom 27. Januar 2010
Imker europaweit zurückgegangen
Erstmals Überblick zur Bestandsentwicklung von Honigbienen und Imkern in Europa
Cardiff / Halle (S.) / Bern. Die Zahl der Bienenvölker ist in Mitteleuropa in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen. Die Zahl der Imker sank sogar europaweit seit 1985. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die jetzt vom Internationalen Bienenforschungsverband IBRA veröffentlicht wurde. Damit liegt erstmals ein Überblick auf europäischer Ebene zum Problem des Bienenrückgangs vor. Bisher hatte es lediglich Meldungen aus einzelnen Ländern gegeben. Da auch andere Bestäuber wie Wildbienen und Schwebfliegen im Rückgang begriffen sind, bedeute dies eine potentielle Gefahr für Bestäuberdienstleistungen, von denen viele Feldfrüchte abhängig seien, schreibt ein internationales Wissenschaftlerteam in einer Sonderausgabe des Fachblatts Journal of Apicultural Research.
Honigbiene auf Blüte. Die Anzahl der Bienenvölker nimmt in Mitteleuropa und USA ab. Dies hat potentielle Auswirkungen auf die Bestäubung von Feldfrüchten.
Foto: André Künzelmann/UFZ
Imker und Bienenvölker. Auch die Zahl der Imker nimmt europaweit ab - und dies schon seit 1985.
Foto: Peter Neumann
Für die Untersuchung werteten die Forscher verfügbare Daten aus nationalen Imkermagazinen und staatlichen Berichten aus, um die Gesamtzahl der Bienenkolonien und Imker zu berechnen. So konnte die Anzahl der Bienenvölker zwischen 1965 und 1985 für 14 europäische Länder und zwischen 1985 und 2005 für 18 europäische Länder rekonstruiert werden. Die Zusammenstellung gibt einen ersten Überblick über die Situation in Europa. Sie ist jedoch nicht vollständig, da beispielsweise Frankreich, Spanien und einige osteuropäische EU-Staaten fehlen, aus denen keine geeigneten Daten beschafft werden konnten. Während in Europa und den USA die Zahl der Bienenvölker gesunken ist, ist sie einem Bericht der Welternährungsorganisation FAO von 2009 weltweit gesehen in den letzten 50 Jahren um rund 45 Prozent angestiegen. Leider nützt aber dieser Befund den Beständen in Europa und den USA wenig, da zwar Honig als Produkt der Bienen importiert werden kann, nicht aber die von den Bienen bereitgestellte Dienstleistung - nämlich die Bestäubung.
Der Auswertung zufolge geht die Zahl der Bienenvölker in Mittel- und Westeuropa bereits seit 1965 zurück. Seit 1985 wird dieser Trend auch in Ländern wie Tschechien, Norwegen, der Slowakei und Schweden beobachtet. Im Gegensatz dazu ist in Südeuropa (Griechenland, Italien und Portugal) die Zahl der Bienenvölker zwischen 1965 und 2005 gestiegen. Dagegen nahm in allen untersuchten Ländern die Zahl der Imker ab. Die Ursache dafür vermuten die Wissenschaftler in den sozialen und ökonomischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte. Gestiegene Einkommen hätten der Landbevölkerung andere Zuckerprodukte erschwinglich gemacht, der zunehmende Anteil an Maschinen habe den Wegzug in städtische Regionen beschleunigt und damit habe die Imkerei als Hobby an Attraktivität verloren. "Die Kosten für die Bekämpfung von Bienenseuchen können in einem Bienenvolk schnell das Einkommen eines Jahres erreichen. Damit wird es unökonomisch, Bienen in kleinem Maßstab zu halten", erklärt Dr. Simon G. Potts von der University of Reading in England. "Außerdem hat der Aufwand zur Bekämpfung von Seuchen wie der Varroa-Milbe wahrscheinlich die Attraktivität als Hobby verringert."
Mit der Untersuchung sei das Rätsel des Bienenrückganges aber keineswegs gelöst, betonen die Wissenschaftler, die lediglich ein weiteres Teil zum Puzzle hinzufügen konnten. Auch müssten die Daten wegen der sehr unterschiedlichen Zählweise in den einzelnen Ländern vorsichtig interpretiert werden. "Durch die beschränkte Aussagekraft ist es weder möglich, die tatsächlichen Treibkräfte für den Bienenrückgang in Europa zu identifizieren noch die Trends komplett zu erfassen. Dazu ist es nötig, die Erfassungsmethoden für die Bienenvölker zu standardisieren. Erst dann wird es möglich sein, den Bienenschwund zu verstehen und langfristig Gegenmaßnahmen zu ergreifen", ergänzt Dr. Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ).
Der Verlust an Bestäubern wie Bienen, Hummeln und Schmetterlingen ist einer von vier Schwerpunkten des EU-Projektes ALARM. ALARM steht für
"Assessing Large scale environmental Risks for biodiversity with tested Methods" und war das größte Forschungsprojekt der EU im Bereich
Biodiversität. Über 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 35 Ländern und 68 Partnerorganisationen (darunter sieben Unternehmen) haben
zwischen 2004 und 2009 an diesem umfassenden Forschungsprojekt gearbeitet, das Josef Settele vom UFZ zusammen mit sechs Kollegen koordiniert hat.
ALARM war nicht nur eines der größten EU-Forschungsprojekte sondern auch eines der produktivsten: Durch die Förderung entstanden bisher
insgesamt über 1000 wissenschaftliche Publikationen.
Tilo Arnhold
Die Vereinten Nationen haben 2010 zum internationalen Jahr der biologischen Vielfalt erklärt. Ziel ist es, dass Thema biologische Vielfalt mit seinen vielen Facetten stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Mit seiner Expertise trägt das UFZ dazu bei, die Folgen und Ursachen des Biodiversitätsverlustes zu erforschen sowie Handlungsoptionen zu entwickeln. Mehr dazu erfahren Sie unter:
Die Biodiversitätsforschung in Deutschland ist auf zahlreiche Institutionen wie Hochschulen, außeruniversitäre Einrichtungen und Ressortforschung bis hin zu Naturschutzverbänden und Firmen verteilt. Das Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung, ein Projekt im Rahmen von DIVERSITAS-Deutschland, möchte der Forschungs-Community deshalb eine gemeinsame institutionsunabhängige Kommunikationsstruktur und -kultur anbieten. Mehr dazu erfahren Sie unter:
Publikation:
Simon G Potts, Stuart P M Roberts, Robin Dean, Gay Marris, Mike A Brown, Richard Jones, Peter Neumann, Josef Settele (2010).
Declines of managed honey bees and beekeepers in Europe. Journal of Apicultural Research (JAR).
Vol. 49 (1) pp. 15-22. DOI: 10.3896/IBRA.1.49.1.02
http://dx.doi.org/10.3896/IBRA.1.49.1.02
Weitere Informationen
PD Dr. Josef Settele
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
josef.settele@ufz.de
PD Dr. Josef Settele
Dr. Simon G. Potts
University of Reading
Phone: +44 (0)118 378 6154
Dr. Simon G. Potts
PD Dr. Peter Neumann
Schweizer Zentrum für Bienenforschung
Telefon: +41(0)31 323 82 38
PD Dr. Peter Neumann
www.agroscope.admin.ch/imkerei
oder
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Pressestelle
Doris Böhme
Telefon: (0341) 235 1269
presse@ufz.de
Weiterführende Links
EU-Projekt ALARM (Assessing LArge scale environmental Risks for biodiversity with tested Methods - ALARM):
www.alarmproject.net/alarm
Wildbienen und die von ihnen bestäubten Pflanzen verschwinden gemeinsam (Pressemitteilung vom 21. Juli 2006):
www.ufz.de/index.php?de=10111
Prevention of honeybee COlony LOSSes:
www.coloss.org
Varroamilbe (Varroa destructor):
de.wikipedia.org/wiki/Varroamilbe
International Year of Biodiversity 2010:
www.cbd.int/2010/welcome
Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg über 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.
Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit fast 28.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 16 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,8 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).