Pressemitteilung vom 16. Dezember 2011

Sprunghafte Zunahme von Waldbränden in weiten Teilen Kanadas?

Ökologen zeigen erstmals Schwellenwerte für natürliche Feuer in Wäldern

Chicago/Leipzig. Großen Waldregionen Kanadas steht offenbar ein sprunghafter Wandel bevor. Anhand von Modellen konnten Wissenschaftler jetzt zeigen, dass es bei Waldbränden ebenso wie bei Epidemien Schwellenwerte gibt. Große Gebiete Kanadas bewegen sich offenbar auf diesen Schwellenwert zu und könnten diesen künftig durch den Klimawandel überschreiten. Die Folge sei, dass sowohl die jährlich abgebrannten Flächen als auch die durchschnittliche Größe der Feuer steigen würde, schreiben die Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und der University of Michigan in der Dezember-Ausgabe des Fachblattes The American Naturalist. Die Strategien zur Bekämpfung von Waldbränden in weiten Teilen Kanadas sollten daher überdacht werden.

Waldbrand in den Rocky Mountains in Kanada.

Waldbrand in den Rocky Mountains in Kanada. Großen Waldregionen Kanadas steht offenbar ein sprunghafter Wandel für natürliche Feuer bevor.
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Tote Bäume nach einem Waldbrand in British Columbia, Kanada.

Tote Bäume nach einem Waldbrand in British Columbia, Kanada.
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Nach wochenlanger Trockenheit brannten Medienberichten zufolge im Sommer 2009 allein in der westkanadischen Provinz British Columbia etwa 1000 Hektar Wald- und Buschland ab. 11.000 Menschen mussten damals evakuiert werden. Nehmen derartige Ereignisse als Folge des Klimawandels zu? Diese Frage wird von Ökologen weltweit stark diskutiert. Erst im Juli hatte eine Gruppe von US-Forschern um Anthony Westerling von der University of California im Fachblatt PNAS ähnliche Veränderungen prognostiziert. Danach könne der Klimawandel dazu führen, dass die Waldbrandgefahr im Nationalpark Yellowstone drastisch ansteige und die Wälder dort noch im 21. Jahrhundert verschwinden könnten.

Brände sind ein entscheidender Faktor in vielen terrestrischen Ökosystemen. Sie sind geprägt durch das Zusammenspiel von Wetter, Vegetation und Landnutzung, was sie empfindlich für den globalen Wandel macht. "Veränderungen im Waldbrandregime haben deutliche Auswirkungen von der lokalen bis zur globalen Skala und damit auch auf das Klima. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, wie die Mechanismen ablaufen, die diese Waldbrände prägen, um Vorhersagen machen zu können, was sich in Zukunft ändern wird", erklärt PD Dr. Volker Grimm vom UFZ.

Für ihr Modell werteten die Wissenschaftler Daten des Kanadischen Forstdienstes aus, der Feuer ab einer Größe von 200 Hektar zwischen 1959 und 1999 erfasst hatte, und sortierten diese nach Ökoregionen. Dadurch zeigte sich, dass sich drei dieser Ökoregionen Kanadas kurz vor einem Wendepunkt befinden: die Hudson Ebene südlich der Hudson Bucht, die Boreale Ebene im mittleren Westen und der Boreale Schild, der sich vom mittleren Westen bis an die Ostküste erstreckt und damit die größte Ökoregion Kanadas ist. Einem Wendepunkt am nächsten ist offenbar die Boreale Ebene. Um ihr Modell und die Theorie eines Schwellenwertes für Waldbrände zu überprüfen hatten die Wissenschaftler die Feuer in dieser Region genauer unter die Lupe genommen. Um 1980 verdreifachte sich die durchschnittliche Größe der Feuer in diesem Teil der Provinzen Alberta, Saskatchewan und Manitoba sprunghaft. "Das ist aus unserer Sicht ein Indiz dafür, dass es auch bei Wäldern Schwellenwerte gibt, ab denen sich das Waldbrandregime drastisch ändert", berichtet Volker Grimm. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Boreale Ebene in den letzten Jahrzehnten vor allem um 1980 einen Wandel zu einem von Waldbränden geprägten System durchlebt hat. Das hat fundamentale Auswirkungen für die Umwelt und für die Waldbrandbekämpfung. Geringe Veränderungen in den Parametern der Feuerausbreitung haben große Auswirkungen auf die Größe der Feuer." Allmähliche Veränderungen, wie sie durch den Klimawandel erwartet werden, können daher zu einer abrupten und starken Vergrößerung der Feuer führen.

Für die Wissenschaftler waren auch die Parallelen zur Ausbreitung von Seuchen interessant. Vermeidungsstrategien, die das brennbare Material reduzieren, ähneln in gewisser Weise den Impfungen, die gegen die Ausbreitung von Seuchen wie Masern eingesetzt werden. Auch dort gibt es einen Schwellenwert, ab dem sich eine Seuche ausbreitet und unter dem sie zurückgeht. So konnten andere UFZ-Modellierer diesen theoretischen Schwellenwert in einen Praxiswert übertragen. Bei Füchsen zeigte sich, dass nur 60 Prozent gegen Tollwut geimpft sein müssen, um die Seuche erfolgreich zu bekämpfen. Die Wissenschaftler erhoffen sich daher weitere Erkenntnisse von künftigen Untersuchungen, die beide Disziplinen umfassen.
Tilo Arnhold

Publikation

Richard D. Zinck, Mercedes Pascual and Volker Grimm (2011)
Understanding Shifts in Wildfire Regimes as Emergent Threshold Phenomena. The American Naturalist. Vol. 178, No. 6, December 2011
www.jstor.org/pss/10.1086/662675
Die Untersuchungen wurden von der Europäischen Union im Rahmen des EU-Projektes PATRES gefördert.

Weitere Informationen

PD Dr. Volker Grimm
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0341-235-1711
PD Dr. Volker Grimm

Richard D. Zinck
zinck@umich.edu

Dr. Mercedes Pascual
University of Michigan
Telefon: +1-734-615-9808
Dr. Mercedes Pascual

Tilo Arnhold (UFZ-Pressestelle)
Telefon: 0341 235 1269
presse@ufz.de

Weiterführende Links

UN-Jahr der Wälder 2011
www.biodiversity.de/index.php/de/fuer-presse-medien/top-themen-biodiversitaet/1345-wie-wird-der-wald-von-morgen-sein
www.wald2011.de
www.un.org/esa/forests/index.html

Study: Climate Change to Increase Yellowstone Wildfires Dramatically
www.ucmerced.edu/news/study-climate-change-increase-yellowstone-wildfires-dramatically
www.pnas.org/content/early/2011/07/20/1110199108

Brände erneuern afrikanische Graslandschaften (Pressemitteilung vom 19. September 2008):
www.ufz.de/index.php?de=17197

Disturbances in Ecosystems
www.ufz.de/index.php?de=17620

Ecological Epidemiology
www.ufz.de/index.php?de=17095

Ökoregionen Kanadas
canadianbiodiversity.mcgill.ca/english/ecozones/ecozones.htm

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg ungefähr 1.000 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

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