Pressemitteilung vom 26. Mai 2011
Moderne EU-Landwirtschaft gefährdet Artenvielfalt auch in den Beitrittsländern
Studie aus Rumänien zeigt die Bedeutung traditioneller Bewirtschaftung für Amphibienschutz
Sighisoara/ Leipzig. Traditionelle Formen der Landwirtschaft können einen großen Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt in den mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern der EU leisten.
Der Bau von Straßen und eine Intensivierung der Landwirtschaft wie sie von den EU-Agrarsubventionen momentan gefördert wird stelle dagegen eine Gefahr für Amphibien dar. Die reichhaltige Umwelt, die in vielen
EU-Beitrittsländern noch vorhanden sei, stehe auf dem Spiel, schreiben Wissenschaftler im Fachblatt Biological Conservation.
Die Forscher aus Rumänien, Deutschland und den Niederlanden hatten für ihre Studie Amphibien im rumänischen Siebenbürgen untersucht. Dazu beobachteten sie neun Jahre lang die Populationen
verschiedener Frosch-, Kröten- und Molcharten in 54 Teichen und verglichen diese anschließend mit Daten zur Landnutzung in der Umgebung.

Insgesamt zehn Amphibienarten vom Teichmolch fanden die Wissenschaftler in den Teichen vor, darunter auch die Erdkröte.
Foto: Tilo Arnhold, UFZ

Amphibienteich in einer intakten Landschaft. Die Forscher untersuchten neun Jahre lang die Populationen verschiedener Frosch-, Kröten- und Molcharten in 54 Teichen und verglichen diese anschließend mit Daten zur Landnutzung in der Umgebung.
Foto: Tibor Hartel/Babes-Bolyai-Universität Cluj-Napoca
Insgesamt zehn Arten vom Teichmolch über den Grasfrosch bis hin zur Gelbbauchunke fanden die Wissenschaftler in den Teichen vor. Bei der statistischen Auswertung zeigte sich, dass Straßen den größten Einfluss auf die Populationen hatten. Andere Faktoren wie Größe der Teiche, Siedlungen, Ackerland, Weideland, Wald oder Feuchtgebiete wirkten sich dagegen deutlich geringer aus. "Straßen können viele Amphibienarten direkt negativ beeinflussen, in dem sie von Autos überfahren werden. Aber auch indirekt durch Verschmutzung oder Zerschneidung ihrer Lebensräume", erklärt Tibor Hartel von der Babes-Bolyai-Universität im rumänischen Cluj-Napoca (Klausenburg).
Untersuchungsgebiet der Studie war das Tal des Flusses Tarnava Mare in der Mitte Rumäniens. Die Landwirtschaft in der Region um die Stadt Sighisoara (Schäßburg) ist traditionell geprägt. Weiden und Laubwälder dominieren das Landschaftsbild. Wie in anderen Teilen Siebenbürgens haben auch hier die Auswanderungswelle der deutschsprachigen Minderheit und der gesellschaftliche Umbruch nach der Wende zu Flächenstilllegungen geführt. Anderseits könnten diese traditionelle Kulturlandschaft und damit auch ihre einzigartige Biodiversität in naher Zukunft verloren gehen, wenn die Landnutzung intensiviert wird. Noch sind die negativen Auswirkungen des Menschen auf die biologische Vielfalt statistisch gesehen im Osten Europas deutlich geringer als im Westen. "Wir denken, dass die vergleichsweise extensive Landwirtschaft in der Untersuchungsregion mit wenig Maschinen und kaum Chemikalien vielen Amphibienarten immer noch brauchbare Bedingungen bietet", interpretiert Dr. Oliver Schweiger vom UFZ die Untersuchung.
Die Ergebnisse haben möglicherweise wichtige Konsequenzen für Schutzmaßnahmen für Amphibien in traditionell bewirtschafteten Regionen Mittel- und Osteuropas. Der Erhalt des traditionellen, extensiven Landmanagements
könnte der Schlüsselfaktor zu Schutz dieser Tierarten sein. Allerdings dürfte das eine wirkliche Herausforderung werden, da der Beitritt zur EU in vielen Regionen zu intensiveren Landnutzungen und einem Wachsen der
Infrastrukturen führen wird. Das wiederum hat eine Zerstückelung der Landschaft und einen generellen Qualitätsverlust der verbliebenen Lebensräume zur Folge. Die Forscher plädieren daher dafür, eine Balance zu finden
zwischen dem legitimen Wunsch nach besserer Infrastrukturen und höheren Erträgen aus der Landwirtschaft auf der einen und den nützlichen Effekten der extensiven Landnutzung auf der anderen Seite. Diese Herausforderung
sollte als Chance begriffen werden, die Fehler, die in Westeuropa gemacht wurden, in Osteuropa nicht zu wiederholen.
Tilo Arnhold
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Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
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Publikatíon
Hartel T, Schweiger O, Öllerer K, Cogălniceanu D, Arntzen JW (2010). Amphibian distribution in a traditionally managed rural landscape of Eastern Europe: probing the effect of landscape composition. Biological Conservation 143: 1118-1124. Mihai Eminescu Trust, Sighisoara, Romania ADEPT Foundation - Biodiversity Conservation and Community Development in Transylvania, Romania Chytridpilz bedroht Amphibien in höheren Lagen offenbar stärker - Erste Ergebnisse aus dem EU-Projekt RACE (Pressemitteilung vom 14. März 2010) Die Anpassung an den Klimawandel, Konflikte zwischen Ernährung und Energieversorgung, demographische Veränderungen sowie die intensive Inanspruchnahme von Flächen durch Siedlung,
Verkehr und Wirtschaft erfordern innovative Lösungen für die Nutzung von Land und natürlichen Ressourcen. Untersuchungen zur Landnutzung sind daher ein Schwerpunkt der Forschung am UFZ,
das inzwischen neben einem Forschungsprojekt zu Reislandschaften in Südostasien auch die Koordination und Synthese des Moduls A im BMBF-Förderprogramm "Nachhaltiges Landmanagement"
(nachhaltiges-landmanagement.de) übernommen hat. Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden
Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und
Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die
Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung
natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ
beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg ungefähr 1.000 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt
finanziert. Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft
durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien,
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steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).
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Weiterführende Links
www.mihaieminescutrust.org/content/nd_standard.asp?n=176
www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,439466,00.html
www.fundatia-adept.org
www.ufz.de/index.php?de=19544