Pressemitteilung vom 24. März 2011

Ungenutzte Möglichkeiten

Pilze könnten künftig viel öfter gegen gefährliche Chemikalien eingesetzt werden

Leipzig. Ökosystemdienstleistungen, wie sie Pilze bieten, könnten in Zukunft viel häufiger als bisher in der Umwelttechnologie genutzt werden. Das riesige Potenzial werde bisher kaum genutzt, schreiben Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in der Märzausgabe des Fachblatts Nature Reviews Microbiology. Um die erstaunlichen Fähigkeiten von Pilzen für den Umweltschutz einzusetzen, sei es jedoch notwendig, deren Ökologie zu respektieren und sie nicht wie anspruchlose Katalysatoren zu behandeln. Obwohl Pilze den Großteil der lebenden Biomasse im Boden stellen und auch in Gewässern reichlich vorhanden sind, werden sie für die biologische Altlastensanierung bisher kaum genutzt.

Aufnahme des Bodenpilzes Fusarium oxysporum per Laser Scanning Mikroskopie

Aufnahme des Bodenpilzes Fusarium oxysporum per Laser Scanning Mikroskopie (Bilder in höherer Auflösung erhalten Sie über die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit auf Nachfrage)
Foto: Dr. Thomas Neu/UFZ

Bestimmte holzzerstörende Pilze (wie auf dem einen Bild zu sehen) sind besonders aktiv im Schadstoffabbau.

Aus Sicht der Forscher könnten Pilze zentraler Bestandteil von neuen Biotechnologien sein, die helfen, verschmutzten Boden, Wasser oder Luft zu reinigen. Bestimmte holzzerstörende Pilze (wie auf dem einen Bild zu sehen) sind besonders aktiv im Schadstoffabbau.
Foto: Dr. Dietmar Schlosser/UFZ

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Dabei bieten biologische Sanierungstechnologien viele Vorteile gegenüber energieintensiven und technisch aufwändigen physikalischen oder chemischen Verfahren. Zwar dauert die Sanierung länger, sie ist aber wesentlich kostengünstiger und auch nachhaltiger. Deshalb gibt es einen Trend zu passiven Sanierungsverfahren bei kontaminierten Böden, bei denen bisher vorwiegend Bakterien zum Einsatz kommen und die als "monitored natural attenuation" (kontrollierter natürlicher Abbau) bezeichnet werden. Auch wenn sie länger dauern als ex-situ-Verfahren, so sind sie dennoch energieeffizienter und führen am Ende zu ökologisch intakten und damit funktionierenden Ökosystemen im Boden. In dem Überblicksartikel konnten die Leipziger Forscher nun zeigen, dass neben Bakterien auch Pilze eine wichtige Rolle für solche Sanierungstechnologien spielen können. "Ein wichtiges Argument, Pilze zukünftig bei passiven Verfahren einzusetzen, ist neben ihren geringen Kosten auch die zunehmende Akzeptanz von risikobasierten Sanierungsstandards. Diese Standards sind in den USA und in Großbritannien bereits Teil der Gesetzgebung", erklärt Prof. Hauke Harms vom UFZ. "Es gibt also wichtige finanzielle, ökologische und juristische Gründe, das Leben der Pilze besser zu verstehen, um sie in Umwelttechnologien einsetzen zu können."

Aus Sicht der Forscher könnten Pilze zentraler Bestandteil von neuen Biotechnologien sein, die helfen, verschmutzten Boden, Wasser oder Luft zu reinigen. Bisher waren die Erfolge jedoch bescheiden, weil die Ökologie der Pilze zu wenig beachtet und sie oft nur als Ersatz für Bakterien eingesetzt wurden, ohne ihre wirklichen Stärken wie die umfangreichen Abbaukapazitäten oder ihre natürliche Anpassung an bestimmte Lebensräume zu nutzen. Die meisten schadstoffabbauenden Pilze gehören zu den Schlauchpilzen (Ascomycota) und Basidienpilzen (Basidiomycota). Von anderen Stämmen ist bisher nur wenig dazu bekannt.

Pilze (lateinisch Fungi) bilden in der Biologie neben Tieren und Pflanzen ein eigenständiges Reich. Dazu gehören neben den bekannten Speisepilzen auch Symbionten von z. B. Pflanzen (Mykorrhiza) oder Algen (Flechten). Bisher sind weniger als 100.000 von geschätzten 1,5 Millionen Pilzarten beschrieben. Da sie eine Art Makroorganismus sind, der in mikroskopische kleine Einheiten verpackt ist, haben sie sich an die verschiedensten Umweltbedingungen bestens angepasst. Pilze bilden bis zu 75 Prozent der mikrobiellen Biomasse im Boden. Anders als Bakterien sind sie nicht auf kontinuierliche Wasserpfade angewiesen, um sich ausbreiten zu können. 2007 konnten Mikrobiologen des UFZ nachweisen, dass Pilzfäden eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Bakterien im Boden spielen. Luft und mangelnde Feuchtigkeit bilden eine Ausbreitungsbarriere. Bakterien nutzen jedoch das Pilzgeflecht, um sich wie auf einer Art Autobahnnetz durch den Boden zu bewegen.
Tilo Arnhold

Publikation

Harms, H., D. Schlosser, L. Y. Wick (2011):
Untapped potential: exploiting fungi in bioremediation of hazardous chemicals. Nature Reviews Microbiology 9: 177-192. doi:10.1038/nrmicro2519
www.nature.com/nrmicro/journal/v9/n3/full/nrmicro2519.html

Weitere Informationen

Prof. Hauke Harms, Dr. Dietmar Schlosser, Dr. Lukas Y. Wick
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung
Telefon: 0341-235-1260, -1329, -1316
Prof. Hauke Harms
Dr. Dietmar Schlosser
Dr. Lukas Y. Wick

oder

Tilo Arnhold
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
presse@ufz.de
0341-235-1635

Links

Hintergrund: Mikrobiologische Vielfalt
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UFZ-Arbeitsgruppe Umweltmykologie
www.ufz.de/index.php?de=16781

UFZ-Arbeitsgruppe Bioverfügbarkeit
www.ufz.de/index.php?de=16774

Per Pilz durch den Boden (Pressemitteilung vom 8. Februar 2007)
www.ufz.de/index.php?de=10837

UFZ-Experten "In Sachen Biodiversität" (Beitrag "Biodiversität und Boden", Seite 35-37)
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Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg ungefähr 1.000 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit über 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 17 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 3 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).