Pressemitteilung vom 12. Februar 2020

Übergewicht durch Kosmetik

Nutzen Schwangere parabenhaltige Cremes, kann das Folgen haben

Parabene werden als Konservierungsmittel in Kosmetika eingesetzt. Nutzen Schwangere parabenhaltige Kosmetika, die länger auf der Haut verbleiben, kann dies Folgen für die spätere Gewichtsentwicklung des Kindes haben. Das zeigen Wissenschaftler*innen vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) gemeinsam mit Kolleg*innen der Universität Leipzig sowie der Charité und dem Berlin Institute of Health (BIH) in einer im Fachmagazin Nature Communications veröffentlichten Studie. Ausgehend von den Daten der Mutter-Kind-Studie LINA konnten sie in weiterführenden Versuchen epigenetische Veränderungen identifizieren, die durch Parabene hervorgerufen werden und die natürliche Regulation des Sättigungsgefühls im Gehirn stören.

Die Nutzung von parabenhaltigen Cremes kann Folgen für Schwangere haben. Foto: Blue Planet Studio/Adobe Stock
Die Nutzung von parabenhaltigen Cremes kann Folgen für Schwangere haben.
Foto: Blue Planet Studio/Adobe Stock

Methylparaben, Propylparaben, Butylparaben - so oder so ähnlich heißen Parabene, die in Kosmetika vielfach als Konservierungsmittel eingesetzt werden. Was in Cremes oder Körperlotionen gegen Keime schützt, kann jedoch einen schwerwiegenden Nebeneffekt haben. "Und das im wahrsten Sinne des Wortes", sagt UFZ-Umweltimmunologe Dr. Tobias Polte. "Nehmen Schwangere Parabene über die Haut auf, kann dies zu Übergewicht bei ihren Kindern führen." Ausgangspunkt der Untersuchungen war die Mutter-Kind-Kohorten-Studie LINA, eine Langzeitstudie des UFZ, in der die Bedeutung von Umweltbelastungen in sensiblen kindlichen Entwicklungsphasen für das spätere Auftreten von Allergien und Atemwegserkrankungen oder Übergewicht erforscht werden. "Zunächst  wollten wir wissen, ob die im Urin von Schwangeren aus der Mutter-Kind-Kohorte gefundenen Parabene einen Einfluss auf die Gewichtsentwicklung ihrer Kinder haben", erklärt die ehemalige UFZ-Forscherin Prof. Irina Lehmann, heute am Berlin Institute of Health (BIH) und an der Charité - Universitätsmedizin Berlin tätig. "Wir entdeckten dabei einen positiven Zusammenhang zwischen den Konzentrationen von Butylparaben im Urin der Mütter und einem erhöhten Body-Mass-Index der Kinder - insbesondere der Töchter - bis hin zum achten Lebensjahr."

Um herauszufinden, woher die Butylparabene im Urin der Schwangeren überhaupt stammen, durchforsteten die Forscher*innen die Fragebögen, die die Teilnehmerinnen der LINA-Studie ausgefüllt hatten, nach Angaben zu benutzten Kosmetikprodukten während der Schwangerschaft. "Mithilfe der App ToxFox des BUND konnten wir schnell und einfach prüfen, ob in den jeweiligen Kosmetika Parabene unter den Inhaltsstoffen waren", erklärt Polte. "Und hohe Konzentrationen von Parabenen im Urin der Mütter gingen tatsächlich einher mit der Nutzung parabenhaltiger Kosmetika - insbesondere solcher, die lange auf der Haut verbleiben, wie etwa Cremes oder Körperlotionen."

Doch wie hängt die Nutzung parabenhaltiger Cremes der werdenden Mutter mit dem späteren Übergewicht des Kindes zusammen? Um den zugrundeliegenden Mechanismen auf die Spur zu kommen, untersuchte das Forscher*innenteam zunächst in Zellkulturen, ob Fettzellen selbst auf erhöhte Konzentrationen von Butylparaben reagieren. "Butylparaben führte weder zur Vergrößerung der Fettzellen, noch lagerten diese mehr Fett ein als sonst", berichtet Lehmann. "Die Fettzelldifferenzierung wurde durch die Parabene also offenbar nicht beeinflusst." Es musste also etwas anderes hinter der Gewichtszunahme der Kinder stecken. In Zusammenarbeit mit Kolleg*innen der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig stellten die Forschenden im Mausmodell eine Parabenbelastung während der Schwangerschaft und Stillzeit nach. Dabei wurden Mäuse über die Haut Butylparaben ausgesetzt. "Wie in der LINA-Studie zeigten auch hier die weiblichen Nachkommen eine erhöhte Gewichtsentwicklung", sagt Polte. "Und sie fraßen auch deutlich mehr als die Nachkommen von Mäusen aus der Kontrollgruppe." Daher vermuteten die Forscher, dass Parabene möglicherweise einen Einfluss auf die Hungerregulation im Gehirn haben könnten und nahmen Schlüsselgene im Hypothalamus der Mausnachkommen genauer unter die Lupe.

Es zeigte sich, dass ein für die Steuerung des Hungergefühls maßgebliches Gen namens Proopiomelanocortin (POMC) im Gehirn der jungen Mäuse erstaunlich herunterreguliert war. Weitere Untersuchungen auf genetischer Ebene ergaben, dass hierfür eine epigenetische Veränderung verantwortlich war, die verhinderte, dass das entsprechende POMC-Gen abgelesen werden konnte. "Unter dem Einfluss von Parabenen während der Schwangerschaft entstehen bei den Nachkommen offensichtlich epigenetische Veränderungen, die die Regulation des natürlichen Sättigungsgefühls langfristig stören. Dadurch nehmen diese dann mehr Nahrung auf", erklärt Polte. "Bei der Gewichtsentwicklung spielen natürlich noch weitere Faktoren eine wichtige Rolle, wie etwa eine hyperkalorische Ernährung sowie mangelnde Bewegung. Dennoch scheinen Parabene in der Schwangerschaft ein Risikofaktor für die Entstehung von Übergewicht darzustellen."

Wie stabil die epigenetischen Veränderungen sind, und ob sie weitervererbt werden können, darüber können die Forscher*innen bislang noch keine Aussage treffen. Doch aus den bisherigen Ergebnissen können sie schon eine klare Empfehlung aussprechen: "Werdende Mütter sollten während der sensiblen Phasen von Schwangerschaft und Stillzeit mit Blick auf die künftige Gesundheit ihre Kindes unbedingt auf parabenfreie Produkte zurückgreifen", sagt Lehmann. "Viele Kosmetika sind bereits als parabenfrei deklariert, ansonsten hilft der Blick auf die Liste der Inhaltsstoffe oder zum Beispiel die Nutzung der App ToxFox." In zukünftigen Untersuchungen fahnden die Wissenschaftler*innen nach weiteren möglichen Wirkungen von Parabenen. "Epigenetische Veränderungen, die die Regulation des Sättigungsgefühls betreffen, sind natürlich nur ein möglicher Endpunkt", sagt Polte. "Generationenübergreifende Effekte von Umweltfaktoren werden bislang häufig unterschätzt. Wir hoffen, dass wir mit unserer Forschung dazu beitragen können, dass diese künftig mehr in den Fokus genommen werden."

 

Publikation:

Beate Leppert, Sandra Strunz, Bettina Seiwert, Linda Schlittenbauer, Rita Schlichting, Christiane Pfeiffer, Stefan Röder, Mario Bauer, Michael Borte, Gabriele I. Stangl, Torsten Schöneberg, Angela Schulz, Isabell Karkossa, Ulrike E. Rolle-Kampczyk, Loreen Thürmann, Martin von Bergen, Beate I. Escher, Kristin Junge, Thorsten Reemtsma, Irina Lehmann, Tobias Polte (2020): Maternal paraben exposure triggers childhood overweight development,

Nature Communications; doi: https://doi.org/10.1038/s41467-019-14202-1


Weitere Informationen

PD Dr. Tobias Polte
UFZ-Department Immunologie, Leiter der Helmholtz-Hochschul-Forschungsgruppe „Experimentelle Allergologie und Immunologie“
Telefon: +49 341 235-1545
tobias.polte@ufz.de

Prof. Dr. Irina Lehmann
Berlin Institute of Health (BIH) und Charité – Universitätsmedizin Berlin, Leiterin der Arbeitsgruppe „Molekulare Epidemiologie“
Telefon: +49 30 450 543 081
irina.lehmann@charite.de

UFZ-Pressestelle

Susanne Hufe
Telefon: +49 341 235-1630
presse@ufz.de


Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

www.ufz.de

Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.

www.helmholtz.de
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