Pressemitteilung vom 06. März 2018

Wissenschaftler sind sich einig: Die Zeit zum Handeln ist jetzt

Gemeinsame Mitteilung von iDiv, Senckenberg und UFZ zur Anhörung im Sächsischen Landtag zum Insektensterben

Im Rahmen einer Anhörung im Sächsischen Landtag am 2. März 2018 zu den Ursachen des Insektensterbens und möglichen Gegenmaßnahmen wurden unter anderem Wissenschaftler von iDiv, der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und dem UFZ gehört. Einhellig betonten sie die Notwendigkeit, zügig zu handeln. Nach Aussage der Wissenschaftler sind sowohl Ausmaß und Tragweite des Insektenschwunds als auch dessen wesentliche Ursachen unbestritten.

Schmetterlinge wie dieser Dickkopffalter sind wichtige Bestäuber in unseren Ökosystemen. Foto: Dr. Reinart Feldmann / UFZ
Schmetterlinge wie dieser Dickkopffalter sind wichtige Bestäuber in unseren Ökosystemen.
Foto: Dr. Reinart Feldmann / UFZ

Auf Basis zweier Anträge der Landtagsfraktionen "Bündnis 90/Die Grünen" und "Die Linke" im Sächsischen Landtag hat der Landtagsausschuss für Umwelt und Landwirtschaft am 2. März in Dresden eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen durchgeführt. Insgesamt acht Sachverständige waren dazu erschienen, unter ihnen Prof. Dr. Christian Wirth von der Universität Leipzig und dem Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung iDiv [1], Dr. Matthias Nuss vom Senckenberg Museum für Tierkunde Dresden [2] und Prof. Dr. Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) [3].

Die gesamte Anhörung zeichnete sich durch eine große Themenvielfalt und große inhaltliche Substanz der Beiträge aus. Die anschließende Fragerunde war aus Sicht der Wissenschaftler ausführlich und konstruktiv. Es herrschte Einigkeit unter den Sachverständigen darüber, dass es einen drastischen Insektenschwund in Deutschland gibt. Wissenschaftliche Analysen kommen zu den eindeutigen Ergebnissen, dass viele Arten lang- und kurzfristig seltener werden, regional oder gar national aussterben und die Biomasse der Insekten großräumig stark zurückgeht - mit erheblichem Einfluss auf die Nahrungsketten in der Natur. Die Sachverständigen stimmten mehrheitlich überein, dass diese Entwicklungen einen Handlungsdruck begründeten. Ein großer Teil der Verantwortung läge in der Art und Weise, wie derzeit Landnutzung betrieben wird - von der Agrarlandschaft bis zum Privatgarten, und den Rahmenbedingungen, welche die Landwirtschaftspolitik vorgibt. Zu nennen sind hier der Verlust von Kleinstrukturen in der Landschaft und damit die zunehmende Isolierung von Lebensräumen; eine Dominanz nur weniger Kultursorten, welche das Überleben traditioneller Pflanzen- und Tierarten in Agrarlandschaften nur schwer ermöglichen; sowie der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im agrarischen, forstlichen und privaten Bereich, die in der Regel nicht spezifisch auf Schaderreger sondern auch auf andere Organismen einwirken. [4] [5]

Prof. Dr. Christian Wirth, Dr. Matthias Nuss und Prof. Dr. Josef Settele betonen: "Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten massiv Insekten verloren - das zeigen die Daten eindeutig. Die intensive Landnutzung ist eine der wichtigsten Ursachen für diesen Rückgang. Insekten leiden unter Pestiziden und finden immer weniger Nahrung und Nistmöglichkeiten. Um das Problem zu begrenzen, empfehlen wir, jetzt zu handeln. Wir haben konkrete Vorschläge gemacht, wie die Politik reagieren kann."

Die Handlungsempfehlungen der drei Wissenschaftler im Rahmen der Anhörung sind im Wesentlichen:

1. Handeln jetzt:
a) Entwicklung und Optimierung vorhandener Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität in Sachsens Agrarlandschaft [5][6];
b) Verbesserung der Beratung der Landwirte zum Schutz der Biodiversität.

2. Sachsen-spezifische Untersuchungen/Aktivitäten:

a) Zusammenstellung des handlungsrelevanten Wissens, ähnlich dem Sachstandsbericht des Weltbiodiversitätsrates - IPBES [5];
b) Förderung und zeitnahe Durchführung von systematischen Wiederholungsinventuren an sächsischen Standorten mit hochwertigen ökologischen Daten;
c) Praxisorientierte Begleitforschung bei der Umsetzung von konkreten Maßnahmen gegen den Insektenschwund.

3. Nationales Monitoring:
Ein nationales Monitoring - wie von der CDU favorisiert - ist perspektivisch wichtig. Es wird aber voraussichtlich nicht die erhoffte Ursachenanalyse leisten. Der Zeitdruck erlaubt auch nicht, auf die Ergebnisse zu warten, die kaum vor 2027 vorliegen werden. Das bundesweite Monitoring ist keine Alternative zu 1. und 2.

Quellen:

[1] Präsentation von Prof. Dr. Christian Wirth: https://www.idiv.de/fileadmin/content/iDiv_Files/Documents/180305/Wirth_Insektensterben_Saechs-Landtag_2018_03_02.pdf

[2] Präsentation von Dr. Matthias Nuss: https://www.idiv.de/fileadmin/content/iDiv_Files/Documents/180305/Nuss_Insektensterben_Saechs-Landtag_2018_03_02.pdf

[3] Präsentation von Prof. Dr. Josef Settele: https://www.idiv.de/fileadmin/content/iDiv_Files/Documents/180305/Settele_Insektensterben_Saechs-Landtag_2018_03_02.pdf

[4] Expertenmeinungen zum Insektensterben im Science Media Center: https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/research-in-context/details/news/rueckgang-der-insektenbiomasse-um-ueber-75-prozent/

[5] Assessment-Bericht des Weltbiodiversitätsrates IPBES zum Zustand der Bestäuber: http://www.de-ipbes.de/media/content/Bestaeuber-Broschuere_ipbes_KS.pdf

[6] Zusammenfassung des Fitness-Checks der EU-Agrarpolitik: https://www.idiv.de/fileadmin/content/Files_CAP_Fitness_Check/Zusammenfassung_Fitness-Check_15_01_2018_FINAL.pdf


Weitere Informationen

Dr. Matthias Nuss
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Museum für Tierkunde Dresden
Telefon: +49 351 79 58 414 337
matthias.nuss@senckenberg.de

Prof. Dr. Christian Wirth
Geschäftsführender Direktor des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Telefon: +49 341 97 38591
cwirth@uni-leipzig.de

Prof. Dr. Josef Settele
UFZ-Department Biozönoseforschung
josef.settele@ufz.de

UFZ-Pressestelle

Susanne Hufe
Telefon: +49 341 235-1630
presse@ufz.de


Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

www.ufz.de

Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.

www.helmholtz.de
« zurück