Kurzinformation vom 16. Dezember 2019

Verschenkte Zeit beim Klimagipfel in Madrid - ein Fazit!

Seit vier Jahren treffen sich die 195 Staaten des Übereinkommens von Paris, um dessen Inkrafttreten im Jahr 2020 vorzubereiten. Vier Jahre, werden manche Leute fragen - ist das wirklich nötig? Können wir uns das angesichts des galoppierenden Klimawandels überhaupt noch leisten?

Die lange Zeitschiene zwischen der Verabschiedung 2015 und dem Inkrafttreten im nächsten Jahr hatte ihre Gründe: Sie war gedacht, um eine Amtszeit des nächsten US-Präsidenten zu überbrücken, falls die betreffende Person aus dem Klimaabkommen aussteigen wolle - wie es mit Donald Trump tatsächlich kam. Allzu lang schien die Spanne auch nicht zu sein, wenn man bedenkt, dass die durchgängige Ratifizierung des Kyoto-Protokolls von 1997 fast acht Jahre gedauert hat.

Die Ratifizierung des Paris-Abkommens in aller Welt dauerte dann im Großen und Ganzen nur ein Jahr. Der Rückzug der USA ist zunächst einmal besiegelt, ein Wiederbeitritt immer unwahrscheinlicher.

Die COP 25 war insofern geschenkte Zeit. Und jetzt können wir sagen: Sie war verschenkte Zeit.

Die Vorzeichen waren schon mittelmäßig. Auf der Sommertagung der Unterhändler in Bonn ist die Zahl der strittigen Fragen zum Regelwerk von Paris von knapp hundert auf über 500 angewachsen. Außerdem musste der Klimagipfel zweimal verlegt werden. Ursprünglich war er für Rio de Janeiro geplant, Brasilien sagte aber nach dem Erdrutschsieg des ultrarechten Jair Bolsenaro bei der Präsidentschaftswahl ab. Chile sprang ein.

Doch auch dieser scheinbar sichere Hafen erwies sich als sozial gefährdeter Untergrund, sodass die internationale Klimadiplomatie schließlich nach Madrid zog. Die Hilfe Spaniens wurde nur organisatorisch in Anspruch genommen. Chile übernahm weiter die Gipfelpräsidentschaft, war aber durch die Situation von Anfang an geschwächt. Als dann auch klar wurde, dass die Regierung von Chile ihr nationales Klimaziel angesichts der Unruhen im eigenen Land nicht erhöhen wird, war die Glaubwürdigkeit beschädigt. Es gab weitere Pannen, etwa in der rechtzeitigen und widerspruchsfreien Dokumentenführung.

Dabei gab es eigentlich nur drei Anforderungen an den Gipfel:

  1. die Erhöhung der Ambitionen, also die Verschärfung der nationalen Klimaziele - mehr Klimaschutz und zusätzliche Finanzhilfen für die Entwicklungsländer.
  2. Regeln für den internationalen Emissionshandel, die sicherstellen, dass es weder zu Doppelzählungen von CO2-Einsparungen, noch zu Übertragungen von Fake-Gutschriften aus der Zeit des Kyoto-Protokolls kommt.
  3. Finanzhilfen zur Bewältigung der unvermeidlichen Klimaschäden in Insel- und niedrig liegenden Küstenstaaten, vor allem im globalen Süden.

Alles in allem eine kleine Agenda gemessen an dem, was bei anderen Gipfeltreffen schon anstand. Und trotzdem ist der Gipfel gescheitert.

Kein großer Emittent hat hier die Bereitschaft zur Steigerung der Ambitionen gezeigt. Und das, obwohl in den vergangenen zwei Jahren der sogenannte Talanoa-Dialog Vertrauen aufbauen und den Ideenaustausch beflügeln sollte. Der Weltklimarat IPCC hat die Handlungsoptionen zudem in seinem Sonderbericht zum 1,5-Grad- Ziel sehr deutlich gemacht.

Der einzige Lichtblick: die EU. Deren neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprach Billionen an Investitionen in den Klimaschutz und einen "Green Deal" für Europa. Noch sind diese Projekte nicht in trockenen Tüchern. Das müssen sie spätestens im Oktober sein, wenn der EU-China-Gipfel in Leipzig stattfindet. Ob das klappt, ist unsicher. Der Vorteil wäre, dass die EU mit ihrem verbesserten Klimaziel in die Gespräche gehen könnte, um Peking mitzuziehen.

In Sachen internationaler Emissionshandel gab es keine Einigung. Das Thema ist so komplex und war so kontrovers, dass die Länder Beschlüsse dazu noch einmal um ein Jahr auf ihr nächstes Treffen in Glasgow im November 2020 verschoben haben.

Und bei den Verhandlungen um Verluste und Schäden ist es auch kaum vorangegangen. Die Industriestaaten bremsten einen neuen Fonds oder auch nur eine neue Sparte des Grünen Klimafonds für klimabedingte Schäden und Verluste aus. Immerhin haben Deutschland und Schweden 90 Millionen Euro für den Anpassungsfonds zugesagt.

Das konnte "Fridays for Future" nicht genügen. Ihre lautstark vorgetragene Forderung nach mehr Ambitionen und Klimagerechtigkeit wurde gehört, aber im Ergebnis ignoriert. Greta Thunberg ist denn auch vor dem Ende der Konferenz abgereist.

Zugegeben, die weltpolitische Lage für Klimaverhandlungen ist gerade schwierig. Handelskriege und Zerwürfnisse in den internationalen Organisationen wie G20 schwächen die Kräfte des Multilateralismus. Dieses schwache Ergebnis der COP 25 ist aber für alle unbefriedigend.

Die Welt steht nach der Konferenz faktisch an dem Punkt, wo sie bereits vor einem Jahr in Katowice stand. Ein solches teures Auf-der-Stelle-treten können wir uns wirklich nicht mehr erlauben.

Prof. Dr. Reimund Schwarze, Umweltökonom am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig und Professor an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Seit über 15 Jahren untersucht er internationale Klimaverhandlungen aus politisch-ökonomischer Perspektive und entwickelt Modelle zur Verbesserung der globalen Klimapolitik.


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