Kurzinformation vom 12. Dezember 2024
Keine Einigung, aber ein Schritt nach vorne
Bilanz zu den Verhandlungen des UN-Plastikabkommens
Die 5. Verhandlungsrunde (INC-5) für ein globales Plastikabkommen im Rahmen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) wurde Anfang Dezember in Busan (Südkorea) beendet. Delegierte aus mehr als 150 Staaten sowie Akteure aus Industrie, Zivilgesellschaft und Wissenschaft waren dort zusammengekommen, um sich mit der Plastikverschmutzung zu befassen, die der Umwelt und der menschlichen Gesundheit, aber auch der Biodiversität und dem Klima schadet. Zwar kam es nicht zu einer finalen Einigung auf ein weltweit gültiges Regelwerk, aber die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt nach vorn. Diese Bilanz ziehen die Umweltchemikerin Prof. Dr. Annika Jahnke und die Ökotoxikologin Dr. Dana Kühnel vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), die in Busan dabei waren. Annika Jahnke unterstützte die deutsche Delegation, Dana Kühnel war für die "Scientists' Coalition for an Effective Plastics Treaty" vor Ort.
Das weltweite Regelwerk zielt darauf ab, den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen zu berücksichtigen, von der Ressourcengewinnung über die Produktion und das Design bis hin zu Entsorgung und Recycling. Die einwöchigen Verhandlungen, die in Plenarsitzungen, kleineren Kontaktgruppen und informellen Diskussionen unter Ausschluss von Beobachtern stattfanden, befassten sich mit vier Schlüsselbereichen: 1.) Produktion von Kunststoffen und Einsatz bedenklicher Chemikalien; 2.) Abfallmanagement, Emission und Umweltverschmutzung durch Kunststoffe; 3.) Mechanismen der Umsetzung, Einhaltung und Überwachung möglicher Maßnahmen; 4.) Fragen der Finanzierung, des Technologietransfers und internationalen Zusammenarbeit.
Verzögerungen, keine Niederlage
Ehrgeizige Staaten, darunter Mitglieder der "High Ambition Coalition to End Plastic Pollution", der die EU und somit auch Deutschland angehören, forderten weitreichende Maßnahmen wie die Begrenzung der Primärkunststoffproduktion, die Einschränkung schädlicher Einwegplastikprodukte und das Verbot gefährlicher Chemikalien. Im Vergleich zu den Verhandlungsrunden zuvor war die Zahl der ambitionierten Staaten in Busan gestiegen. Im Gegensatz dazu sprachen sich einige Ölförderstaaten für einen stärkeren Fokus auf Abfallmanagement und Recycling aus. Ein globales Plastikabkommen, das sich jedoch nur auf Abfallmanagement und Recycling konzentriert, ist unzureichend. Prognosen zufolge wird sich die weltweite Kunststoffproduktion bis 2050 verdoppeln - mit verheerenden Folgen für die Umwelt. UFZ-Forschende hatten erst jüngst in einer Metastudie analysiert, wie sich Plastik auf Umweltverschmutzung, Klima und Biodiversität auswirkt. Kunststoffe und die zugehörigen Chemikalien sind ein komplexes Problem, das in jeder Phase des Lebenszyklus angegangen werden muss. Nur so können die eigentlichen Ursachen der Plastikverschmutzung bekämpft werden.
Ein weiterer Streitpunkt war die Finanzierung der Maßnahmen des UN-Plastikabkommens. So könnten Gelder beispielweise an kleine Inselstaaten gehen, deren Küsten von der Plastikverschmutzung besonders betroffen sind und die als wichtige Einkommensquelle Tourismus haben. Zudem könnte in Staaten des globalen Südens eine effektivere Trinkwasserversorgung für die Bevölkerung eingerichtet werden, da diese oft nur mit Wasser in Plastikeinwegverpackungen funktioniert. Viele Staaten zögern bislang jedoch, die für die Umsetzung notwendigen Mittel bereitzustellen, wenn kein klarer, ehrgeiziger Rahmen vorhanden ist. Die Bereitschaft zu finanzieren, wird von der Stärke des Vertrags abhängen. Dieses Spannungsfeld muss somit in Kombination diskutiert werden, wozu es in Busan aus Zeitgründen nicht mehr kam.
Obwohl während der einwöchigen Konferenz keine Einigung erzielt wurde, konnten zwei mögliche Szenarien vermieden werden: der vollständige Abbruch der Verhandlungen ohne Einigung und die Verabschiedung eines sehr schwachen Abkommens mit minimalen Regelungen und Maßnahmen, das keinen Mehrwert erzielt hätte.
Aussichten für die Zukunft
Die Verhandlungen zum UN-Plastikabkommen werden nun mit einer Folgesitzung INC-5.2, die für das Frühjahr oder den Sommer 2025 geplant ist, fortgesetzt. Ein globales Vertragswerk ist nach wie vor dringend notwendig. Dafür wären drei Elemente entscheidend:
- Begrenzung der Kunststoffproduktion, denn nur so lässt sich der prognostizierte exponentielle Anstieg der weltweiten Kunststoffproduktion verhindern
- Verbot schädlicher Kunststoffprodukte wie beispielsweise Einwegplastik, das einen großen Beitrag zur Umweltverschmutzung leistet
- Ersatz von Chemikalien mit bekanntem Gefährdungspotenzial, da von den mehr als 16.000 Chemikalien, die in Kunststoffen verwendet werden, rund ein Viertel gefährlich sind.
Da die Verhandlungen für ein UN-Plastikabkommen noch nicht abgeschlossen sind, herrscht trotz mancher Herausforderungen vorsichtiger Optimismus: Denn der Aufschub des Abkommens ermöglicht einen kontinuierlichen Dialog und weitere Verfeinerungen der Vertragsbestimmungen. Damit könnte sichergestellt werden, dass das endgültige Dokument sowohl umfassend ist als auch einen wirklichen Mehrwert erzielt. Dies könnte eine Dynamik für ein Abkommen aufbauen, das die Plastikkrise in seiner kompletten Breite effektiv angeht. Das Plastikabkommen wäre deswegen ein entscheidender Schritt, eine der dringlichsten ökologischen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen.
Weitere Informationen
Scientists' Coalition for an Effective Plastics Treaty: https://ikhapp.org/scientistscoalition/
Weitere Informationen
Dr. Dana Kühnel
UFZ Department of Ecotoxicology
dana.kuehnel@ufz.de
Prof. Dr. Annika Jahnke
Head of the UFZ Department Exposure Science
annika.jahnke@ufz.de
UFZ-Pressestelle
Susanne Hufe
Telefon: +49 341 235-1630
presse@ufz.de
Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.
www.ufz.deDie Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.
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