Pressemitteilung vom 29. November 2024

Baku war kein wirklicher Durchbruch für die Klimafinanzierung

Zwei UFZ-Wissenschaftler ziehen Bilanz

Bei der Klimafinanzierung ging es auf der COP 29 um eine gewaltige Verhandlungsaufgabe vom Kaliber des Paris-Abkommens. Deren Lösung wurde im Wesentlichen auf den nächsten Gipfel in Brasilien verschoben. Die CO2-Märkte nach den Regeln des Pariser Abkommens hingegen können nun starten. Das resümieren Klimaökonom Prof. Reimund Schwarze und Waldexperte Dr. Friedrich Bohn vom UFZ, die in Baku dabei waren.

Die COP 29 war der Gipfel der Klimafinanzierung. Im Kern ging es auf der 29. UN-Klimakonferenz in Baku um die Finanzhilfen der Industrieländer für die Entwicklungsländer in den Bereichen Klimaschutz, Klimaanpassung und auch zur Bewältigung der Verluste und Schäden. 

Dazu gab es bereits 2009 im "Rumpf-Abkommen" von Kopenhagen die Zusage von jährlich 100 Milliarden US-Dollar, zu zahlen ab dem Jahr 2020. Die versprochene Summe wurde aber erst 2022, also mit Verspätung, erreicht. 

Jetzt wurden in Baku 300 Milliarden Dollar pro Jahr ab 2035 zugesagt. Die Klimafinanzwissenschaft ist sich einig: Das ist zu wenig und kommt zu spät. Es kann daher nur ein erster Schritt sein.

Viele auf dieser Konferenz hatten sich ein Signal vom zeitweise parallel tagenden G20-Treffen in Rio de Janeiro erhofft. Das blieb leider aus. Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien hielten sich dort ebenso bedeckt wie auf dem Klimagipfel in Baku.

Die brasilianischen Vorschläge für eine Superreichen-Steuer und für grundlegende Reformen der Weltbank sowie des internationalen Finanzsystems blieben unkonkret. Damit strudelte die Klimakonferenz in die Krise, denn keiner wusste, wie eine ambitionierte Geldsumme aufzubringen sei. Die Befürchtung, dass die USA unter Trump aus dem Pariser Klimaabkommen austreten und andere Länder wie das OECD-Partnerland Argentinien mit sich ziehen könnten, erzeugte eine lähmende Ungewissheit für die verbliebenen Geberländer.

Geringschätzung der Aufgabe

So kam es, wie es kommen musste. Tumulte, Drohungen, lautes Schreien und lange Nächte sowie Ränkespiele beim Kuhhandel um das milliardenschwere "Quantum". Die aserbaidschanische Verhandlungsführung war sichtlich überfordert, aber sie trifft nicht die eigentliche Schuld. 

Insider wussten schon lange, dass es auf der COP 29 in Baku um den Quantensprung "von Milliarden zu Billionen" gehen musste, also um eine gewaltige Verhandlungsaufgabe vom Kaliber des Paris-Abkommens. 

Die Geringschätzung dieser Herausforderung auf allen Seiten, besonders aber bei den betroffenen Geberländern, zeigte sich in einer breiten Abwesenheit der hohen Politik auf dem Klimagipfel. 

US-Präsident Biden, Frankreichs Präsident Macron, Bundeskanzler Scholz und EU-Kommissionschefin von der Leyen - sie alle blieben der COP 29 fern, genauso die obersten Lenker der als neue Geldgeber ins Visier genommenen Schwellenländer China, Indien und Brasilien. Selbst die globalen Finanzinstitutionen wie Weltbank und IWF waren nicht hochrangig vertreten. Wie hätte es da zum einem Durchbruch kommen sollen?

Jetzt gibt es das Versprechen, im sogenannten Baku-Belém-Prozess einen großen Sprung nach vorn auf der COP 30 nächstes Jahr in Brasilien zu schaffen. 300 Milliarden US-Dollar sind zugesagt, 1.300 Milliarden sind nötig, damit die Entwicklungsländer wirklichen Klimaschutz betreiben können - innerhalb eines Jahres soll also eine Billion US-Dollar zusätzlich gefunden werden, hauptsächlich bei privaten Geldgebern. Ob dieses Versprechen den in Baku entstandenen Vertrauensverlust aufseiten der Entwicklungsländer ausgleichen kann, steht zu bezweifeln.

Kohlenstoffmärkte beschlossen

Wenigstens ein beachtliches Ergebnis gab es bei diesem Klimagipfel: Die CO2-Märkte unter dem Dach des Paris-Abkommens (Artikel 6) sind nach fast zehn Jahren endlich beschlossen - und damit eine wichtige Säule der privaten Klimafinanzierung in der Zukunft.

Artikel 6.2 schafft eine Grundlage für bestehende Handelsabkommen zwischen Staaten. Neue Regeln fördern die Transparenz und verhindern willkürliche Änderungen von Gutschriften, bleiben aber schwach bei der Sanktionierung von Regelverstößen. Zur Unterstützung von Ländern ohne eigenes Register wurde ein duales Registersystem eingeführt.

Mit Artikel 6.4 wurde der "Paris Agreement Crediting Mechanism" (PACM) eingeführt, der als erster globaler Standard für Paris-konforme Emissionsgutschriften gilt. Die Regeln des PACM umfassen Umwelt- und Menschenrechtsschutz sowie strengere Baselines. Die erste Methodenzulassung für Projekte wird für 2025 erwartet, bevor diese neuen Gutschriften gehandelt werden können.

Ob diese Mechanismen jedoch zu effektiven Emissionsreduktionen und Finanzflüssen in den globalen Süden führen werden oder nur als Feigenblatt dienen, bleibt jedoch abzuwarten. Transparenz und öffentliche Kontrolle werden entscheidend sein, ebenso wie die Einhaltung der Pledges (z.B. Stopp der Entwaldung bis 2030) und die Formulierung der Emissionsreduktionsziele (NDCs) der einzelnen Länder nächstes Jahr in Belém.

Der Weg nach Belém 

Die nächste Klimakonferenz, die COP30, wird vom 10. bis 21. November 2025 im brasilianischen Belém stattfinden - einer Stadt im Regenwald unweit der Mündung des Amazonas. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva setzt auf die Nähe zum Amazonas und investiert über 800 Millionen Dollar in die Vorbereitung der Stadt. Doch Belém steht vor Herausforderungen wie Umweltverschmutzung, Gewalt und einem Mangel an Unterkünften. 

Die COP30 gilt als entscheidend für die Vorlage neuer Klimaziele (NDCs) bis Februar 2025 und wird aufgrund ihrer Lage als "Natur-COP" beworben. Brasilien arbeitet eng mit Kolumbien, Gastgeber der diesjährigen Biodiversitäts-COP16, zusammen, um Natur- und Klimaschutz stärker miteinander zu verknüpfen - ohne jedoch ein neues Verhandlungsthema einzuführen. Darüber hinaus entwickeln beide Länder einen Vorschlag für ein verbindliches globales Abkommen zur Rückverfolgbarkeit von Lieferketten kritischer Mineralien. 

… bisschen Statistik

Größter Gewinner des Gipfels in Baku war wieder einmal die Gastronomie, die von den etwa 67.000 COP-Teilnehmer:innen am meisten profitierte - zum Beispiel mit Preisen von 50 Dollar für eine Pizza und zwei Flaschen Cola auf dem Gelände der COP. Solche überhöhten Preise sind typisch für COPs in autoritären Staaten. Was mit diesen Einnahmen tatsächlich finanziert wird, bleibt unklar.

Eine positive Entwicklung zeigt sich hingegen bei den virtuellen Teilnehmer:innen: Ihre Zahl hat sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt und liegt nun bei knapp 4.000 Personen. Auch der Frauenanteil unter den Delegierten der Länder stieg erstmals auf 40 Prozent.

Zudem hatten 1.773 Lobbyisten der Kohle-, Öl- und Gasindustrie Zugang zur COP29, ihr Anteil sank damit im Vergleich zum Vorjahr von 3 auf 1,5 Prozent. Möglicherweise ist dies auf eine neue Regelung zurückzuführen, die registrierte Teilnehmer:innen dazu verpflichtet, ihre Verbindungen offen zu legen - was bisher auf COPs nicht erforderlich war.


Weitere Informationen

Prof. Dr. Reimund Schwarze
UFZ-Department Ökonomie
reimund.schwarze@ufz.de

Dr. Friedrich Bohn
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
friedrich.bohn@ufz.de

UFZ-Pressestelle

Susanne Hufe
Telefon: +49 341 235-1630
presse@ufz.de


Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

www.ufz.de

Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.

www.helmholtz.de
« zurück