Pressemitteilung vom 14. November 2024

Weiße Raucher am Seegrund

Spektakuläre Schlote im Toten Meer entdeckt

Auf dem Boden des Toten Meers haben Forschende in einem vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) koordinierten interdisziplinären Forschungsprojekt meterhohe Schlote entdeckt. Diese entstehen, weil extrem salzhaltiges Grundwasser aus dem Seeboden strömt und sofort Mineralien kristallisieren, berichten sie im Fachmagazin Science of the Total Environment. Die erstmals entdeckten Schlote sind ein wichtiger Frühwarnindikator für Sinkholes. Diese Einsturzkrater entstehen in der Umgebung des Toten Meeres und sind eine eminente Gefahr für die Bevölkerung.

Ein einzelner submariner Schlot in etwa 30 m Wassertiefe. Foto: UFZ
Ein einzelner submariner Schlot in etwa 30 m Wassertiefe.
Foto: UFZ
Der Eingangsbereich von Mineral Beach am Toten Meer. Der Einbruchskrater entstand über Nacht, wodurch glücklicherweise niemand zu Schaden kam. Foto: UFZ
Der Eingangsbereich von Mineral Beach am Toten Meer. Der Einbruchskrater entstand über Nacht, wodurch glücklicherweise niemand zu Schaden kam.
Foto: UFZ

Das Tote Meer ist ein sehr dynamisches System: Seit mehr als 50 Jahren sinkt es um rund einen Meter pro Jahr, weil es von wichtigen Zuflüssen abgeschnitten ist und infolge von Trockenheit und Hitze durch starke Verdunstung viel Wasser verliert. So ist mittlerweile der Wasserspiegel auf rund 438 Meter unter dem Meeresspiegel gesunken. Folgen hat dieser Rückgang des Sees, der an Israel, Jordanien und das unter palästinensischer Verwaltung stehende Westjordanland grenzt, insbesondere für das Grundwasser. Der Grundwasserspiegel sinkt, sodass die Anrainerstaaten immer schwieriger an Grundwasserressourcen gelangen. Der UFZ-Hydrogeologe Dr. Christian Siebert forscht seit vielen Jahren daran, wie sich in dieser Region die Dynamik des Grundwassersystems verändert und wie sich Grundwasserleiter neue Wege in den Gesteinsschichten sowohl an Land als auch unterhalb des Toten Meers suchen. Nun entdeckte ein von ihm eingesetztes Taucherteam am Seegrund schlotförmige Kamine, die eine schimmernde Flüssigkeit ausstoßen. "Die Ähnlichkeit zu den Schwarzen Rauchern in der Tiefsee ist frappierend, aber es handelt sich um ein gänzlich anderes System", sagt der UFZ-Forscher. An der Erkundung und Analyse des Phänomens haben sich Wissenschaftler:innen aus den Bereichen der Mineralogie, Geochemie, Geologie, Hydrologie, Fernerkundung, Mikrobiologie und Isotopenchemie aus insgesamt zehn Forschungseinrichtungen beteiligt.

Während bei den Schwarzen Rauchern entlang des Mittelozeanischen Rückens in einer Tiefe von mehreren tausend Metern sulfidhaltiges heißes Wasser austritt, fanden die Forschenden am Toten Meer heraus, dass durch die Schlote am Seeboden hochsalinares Grundwasser ausströmt. Doch woher kommt das Salz? Die Erklärung: Das Grundwasser dringt aus den umliegenden Grundwasserleitern in die salzhaltigen Seesedimente ein, laugt sehr alte und mächtige, vor allem aus dem Mineral Halit bestehende Gesteinsschichten aus. Anschließend strömt es als Sole in den See. "Da diese Sole eine etwas geringere Dichte als das Wasser des Toten Meers hat, steigt sie wie in einem Jet nach oben. Es sieht aus wie Rauch, ist aber eine salzhaltige Flüssigkeit", erklärt Christian Siebert. Der Kontakt zum Seewasser sorgt dafür, dass die gelösten Salze, insbesondere der Halit, sofort nach dem Austritt aus dem Seeboden kristallisieren und die weltweit erstmalig beobachteten Schlote bilden. Diese können innerhalb eines Tages um einige Zentimeter wachsen. Viele der schlanken Schlote waren ein bis zwei Meter hoch, es gibt aber auch Giganten von mehr als sieben Meter Höhe mit einem Durchmesser von mehr als 2-3 Metern. Geringste Spuren von 36Cl, einem Radioisotop aus dem All, und der genetische Nachweis von Süßwassermikroben in den Schlotwässern haben zeigen, dass der Ursprung der weißen Raucher in den Grundwasserleitern im Umland liegt. Die Salze wurden also erst auf den letzten Metern vor dem Eintritt ins Rote Meer aufgenommen. 

Eine besondere Bedeutung erlangen die Weißen Raucher, weil sie als Frühwarnindikator für die sogenannten Sinkholes genutzt werden können. Das sind bis zu 100 Meter breite und bis zu 20 Meter tiefe Einsturzkrater, die in den vergangenen Jahrzehnten zu tausenden entlang des Toten Meers entstanden sind. Sie bilden sich durch die Verkarstung des Untergrundes, also durch die Auflösung mächtiger Salzschichten. Dadurch entstehen riesige Hohlräume, über denen der Boden jederzeit einbrechen kann. "Niemand kann bislang vorhersagen, wo die Sinkholes als nächstes auftreten. Dabei sind sie lebensgefährlich und bedrohen die Landwirtschaft und Infrastruktur", sagt Christian Siebert. Das Forscherteam konnte zeigen, dass die Schlote überall dort entstanden sind, wo die Landoberfläche im Nachgang großräumig eingebrochen und der Prozess der Verkarstung scheinbar besonders effizient ist. "Deswegen sind die Weißen Raucher ein hervorragendes Vorhersageinstrument, um Gebiete zu lokalisieren, die in naher Zukunft einsturzgefährdet sind", sagt er. Durch autonome Wasserfahrzeuge, bestückt mit Fächerecholoten oder Seitenscansonarsystemen, könnten die Schlote sehr präzise kartiert werden. "Das wäre die bislang einzige und zugleich sehr effiziente Möglichkeit, Regionen, die kurz vor dem Einsturz stehen, als akut gefährdet auszuweisen."

Publikation:
Siebert C., Ionescu D., Mallast U., Merchel S., Merkel B., Möller P., Pavetich S., Pohl T., Rödiger, T., Yechieli, Y.: A new type of submarine chimneys built of halite, Science of the Total Environment, https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2024.176752

Video:
HALITE CHIMNEYS / New type of submarine smokers in the Dead Sea


Weitere Informationen

Dr. Christian Siebert
UFZ-Department Catchment Hydrology
christian.siebert@ufz.de

UFZ-Pressestelle

Susanne Hufe
Telefon: +49 341 235-1630
presse@ufz.de


Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

www.ufz.de

Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.

www.helmholtz.de
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