Pressemitteilung vom 18. Dezember 2017

Altlast Lindan: Geht der Abbau in Böden und Grundwasser voran?

UFZ-Forscher entwickeln eine neue Methode, um den Abbau von Lindan und anderen HCHs zu quantifizieren

Lindan wurde in Deutschland lange Zeit als Insektizid eingesetzt. Im Jahr 2003 wurde der Einsatz von Lindan in der Landwirtschaft aufgrund seiner stark toxischen Wirkung und seiner hohen Langlebigkeit EU-weit verboten. Böden und Grundwasser sind jedoch teilweise noch immer stark damit belastet. Für ein effizientes Umweltmanagement ist es wichtig zu wissen, ob und wie schnell der Schadstoffabbau voranschreitet. Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) haben nun eine Methode erarbeitet, mit der sich der biologische Abbau von Lindan quantifizieren lässt und die zeitliche Abschätzungen zum Fortschritt des Schadstoffabbaus ermöglicht. Die Studie wurde in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Environmental Science and Technology veröffentlicht.

Grundwassermessstelle im HCH-kontaminierten Flutgebiet der Mulde/Spittelwasser Foto: UFZ/Archiv
Grundwassermessstelle im HCH-kontaminierten Flutgebiet der Mulde/Spittelwasser
Foto: UFZ/Archiv

Lindan gehört zu den sogenannten HCHs (Hexachlorzyklohexanen). Sie sind schwer abbaubar, reichern sich in der Nahrungskette an und gelten als hormonell wirksam. Die Anwendung von Lindan in der Landwirtschaft ist in der Bundesrepublik Deutschland seit 1977 verboten, in der DDR kam es bis 1990 zum Einsatz. Das UFZ-Team um den Biogeochemiker Dr. Hans-Hermann Richnow hat auf der Basis von Grundwasser- und Bodenproben an ehemaligen Produktions- und Deponiestandorten  in der Region Bitterfeld/Sachsen-Anhalt ein neuartiges Konzept entwickelt, mit dem sich der biologische Abbau von HCHs in der Umwelt überwachen lässt.

Der innovative  Ansatz der UFZ-Forscher ist, dass sie mit der Isotopen- und der Enantiomeren-Fraktionierung zwei Detektions-Methoden miteinander kombinierten. In Laborversuchen entwickelten sie ein Modell, mit dessen Hilfe das Ausmaß des Schadstoffabbaus aus Umweltproben messbar ist. "Damit ist es nun möglich, den biologischen Abbau von Lindan und anderen HCHs in Böden und Grundwasser mit geringem Aufwand und elegant zu analysieren", sagt Richnow. Mit der Methode könne der biologische Abbau beim Transport im Wasser oder mit Bodenpartikeln ermittelt werden. Künftig würden damit Berechnungen möglich, wie lange die HCHs die Umwelt noch belasten.

Bislang war es so, dass Forscher bei der Isotopenfraktionierung das Verhältnis zwischen leichten (12C) und schweren (13C) Kohlenstoffatomen der in den Proben enthaltenen Lindan-Moleküle analysieren. Normalerweise liegt das Verhältnis zwischen 12C und 13C bei 99:1. "Findet ein chemischer oder biologischer Abbau statt, werden zunächst die Schadstoffmoleküle mit leichten Kohlenstoffatomen abgebaut, da hier die Bindungsspaltung mit einem geringeren energetischen Aufwand verbunden ist", erklärt Richnow. Verschiebe sich das Isotopenverhältnis zum schweren Kohlenstoff 13C, sei das ein klares Indiz dafür, dass Abbauprozesse stattfinden. Bei der Herstellung eines chemischen Stoffes entstehen sogenannte Spiegelbild-Moleküle (Enantiomere) - so wie linke und rechte Hand - jeweils zu gleichen Teilen. Dies dient als Grundlage der Enantiomeren-Fraktionierung. Auch hier untersuchen die Forscher die Proben danach, ob sich an dem Verhältnis etwas geändert hat. "Je nachdem mit welchen Enzymen schadstoffabbauende Bakterien ausgestattet sind, bevorzugen sie entweder das eine oder das andere Enantiomer", sagt Richnow. Lasse sich in der Umweltprobe ein verändertes Enantiomeren-Verhältnis messen, gebe das einen Hinweis auf den biologischen Abbau an der Stelle der Probenahme.

Zum Einsatz könnte die neue Analysemethode nicht nur in Bitterfeld kommen. Weltweit stellt die Umweltbelastung durch Lindan und andere HCHs ein Problem dar. Richnow: "Wir hoffen, dass wir damit ein Monitoring-Instrument liefern, mit dem die aktuelle HCH-Belastung von Böden, Grundwasser und Gewässern besser eingeschätzt und bewertet werden kann". Damit lasse sich die Entwicklung geeigneter Methoden für ein effizientes Umweltmanagement vorantreiben.

Die Arbeiten wurden vom Ökologischen Großprojekt Bitterfeld-Wolfen, der Landesanstalt für Altlastenfreistellung Sachsen-Anhalt sowie dem Chemiepark Bitterfeld-Wolfen GmbH mit Daten und Hilfe bei der Probenahme unterstützt.

Publikation:
Yaqing Liu, Safdar Bashir, Reiner Stollberg, Ralf Trabitzsch, Holger Weiß, Heidrun Paschke, Ivonne Nijenhuis, Hans-Hermann Richnow (2017). "Compound Specific and Enantioselective Stable Isotope Analysis as Tools to Monitor Transformation of Hexachlorocyclohexane (HCH) in a Complex Aquifer System". Environ. Sci. Technol., 2017, 51 (16), pp 8909-8916 http://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.est.6b05632


Weitere Informationen

Dr. Hans-Hermann Richnow
Leiter des UFZ-Departments Isotopenbiogeochemie
hans.richnow@ufz.de

UFZ-Pressestelle

Susanne Hufe
Telefon: +49 341 235-1630
presse@ufz.de


Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

www.ufz.de

Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.

www.helmholtz.de
« zurück