Kurzinformation vom 24. November 2022

Zu Klimakonferenzen gibt es keine Alternative

Vor wenigen Tagen ist in Ägypten die 27. Klimakonferenz der UN (COP27) zu Ende gegangen. Die 190 Staaten haben sich in ihrer Abschlusserklärung unter anderem auf einen Fond zum Ausgleich von Klimaschäden in ärmeren Ländern und einen Ausstieg aus der Kohle geeinigt. Ein Abschied von Öl und Gas wird nicht erwähnt. Diese Resultate schätzt Prof. Reimund Schwarze, Klimaökonom vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, der als Beobachter mit vor Ort war, so ein.

Die enttäuschenden, um nicht zu sagen, mageren Ergebnisse des Weltklimagipfels in Sharm El Scheikh lösen in Deutschland erneut eine Debatte über Sinn und Zweck dieser Megatreffen aus. Es wird bemängelt, dass man sich wegen des Prinzips der Einstimmigkeit immer nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einige. Einmal abgesehen davon, dass die Einstimmigkeit nicht bedeutet, dass immer alle 190 Staaten der Völkergemeinschaft einem Beschluss zustimmen müssen,- sonst hätte es z. B. das Kyoto-Protokoll von 1997 nicht gegeben -, haben sich die UN-Klimaverhandlungen insgesamt in den letzten Jahren als flexibles und robustes Instrument des Völkerrechts bewährt. Auf diesem Gipfel haben sich Länder wie Brasilien und die USA, die einstmals national-populistische Führungen hatten, wieder kraftvoll im internationalen Prozess zurückgemeldet. Umgekehrt wurde Russland als Verursacher der weltweiten Energiekrise bei der COP27 auf seinen Platz verwiesen und zeigte sich kleinlaut und wortkarg.  Sicher gab es aus deutscher und europäischer Sicht große Enttäuschungen für die geringe Unterstützung beim Versuch, den Ausgleichsfonds für Klimaschäden politisch mit weltweiten Bemühungen im Klimaschutz zu verbinden. In vielen Entwicklungsländern - besonders den von Klimaschäden besonders betroffenen Länder wie Pakistan oder Bangladesch - wird das Ergebnis allerdings gefeiert. Insoweit ist das magere Ergebnis für die EU und Deutschland durchaus ein ausgewogenes Ergebnis für die Welt.

Grundsätzlich gilt: Globale Probleme wie den Klimawandel können nur globale Institutionen der UN lösen. Dazu gibt es keine Alternative. Sie geben der Staatengemeinschaft, aber auch jedem Einzelnen von uns eine Orientierung. Das Paris-Abkommen hat zum Beispiel im hohen Umfang die Proteste der Fridays for Future motiviert, so zu handeln wie sie heute handeln. Als weltweite Bewegung wird Fridays for Future daher zu dem Schluss kommen müssen, dass die Ergebnisse der COP27 jedenfalls in einem wichtigen Teil einen Fortschritt für die Klimapolitik der Welt darstellen. Nämlich in der Frage, wie man gerecht mit den leider unvermeidlich gewordenen Klimaschäden und Verlusten umgeht. "Loss and Damage", so der Fachbegriff dafür, erleiden besonders die Länder im globalen Süden, die selbst fast gar nichts zur Erderwärmung beigetragen haben. Auf COP27 wurde, nach fast 30 Jahren Bemühen darum, zum ersten Male die Schaffung eines Fonds für klimabedingte Schäden gegen der Widerstand der USA auf die Tagesordnung gesetzt und nach diplomatischen Bemühen der EU mit den USA beschlossen. Einzelheiten werden in einem Arbeitsprogramm der UN bis 2024 festgelegt. Ob der daraus hervorgehende Fonds reichen wird, um die Kosten des Klimawandels gerecht zu verteilen, ist allerdings zweifelhaft. Wir wissen aus der Beobachtung der allgemeinen Klimafinanzierung - also für Klimaschutz und Klimaanpassung -, dass es notorisch zu wenig Geld in den UN-Verhandlungen gibt. Dass, was die Entwicklungsländer gerade erwarten und als Erfolg feiern, wird also wahrscheinlich substanziell nicht erfüllt werden. Viel hängt davon ab, ob neben der EU andere große Geberländer wie China und Japan diesen Fonds mit hinreichend Geldmittel speisen. Zusätzlich steht darum im Beschluss, dass auch "innovative Finanzquellen" erschlossen werden sollen. Dazu zählen z.B. so genannte Debt-for-Climate Swaps, also der Einstieg in den breiten Schuldenerlass für die Entwicklungsländer nach Klimakatastrophen - ein auch wissenschaftlich anerkannter Mechanismus zur die Finanzierung von "Loss and Damage".

Ein weiter wichtiger Beschluss der COP27 ist, dass technische Maßnahmen zur direkten Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre oder zur Wiederansiedlung von Seegraswiesen in den Ozeanen neu in das Regelwerk für den Emissionshandel unter dem Paris-Abkommen aufgenommen wurden. Angesichts der Tatsache, dass sowohl die verpflichtenden als auch die freiwilligen CO2-Märkte ein Handelsvolumen von über 900 Milliarden Dollar jährlich haben und so mehr als 17 Prozent der Klimaemissionen weltweit abdecken könnten, sind allerdings die am Ende doch schwachen Umsetzungsregeln bedauerlich.

Ein einfaches Weiter-so kann es nach den zahlreichen Pannen der ägyptischen Konferenzorganisation und dem Versagen der Völkergemeinschaft beim Abschied von Öl und Gas nicht geben. Die Konferenz wurde von den Ägyptern schlecht vorbereitet und ihre Lenkungsentscheidungen während der COP waren intransparent, ad hoc und autoritär. Nie zuvor hat es einen Klimagipfel mit Sicherheitsagenten auf dem Gelände und Provokateuren in den Veranstaltungen zu den Menschenrechtsverletzungen gegeben. Die Wahl der Veranstaltungsländer und die Durchführung der Klimakonferenzen muss - wie im Fußball - sorgfältiger durch die UN vorbereitet, angeleitet und überwacht werden, so dass Regelverletzungen der genannten Art ausgeschlossen sind und Lobbyisten für Öl und Gas nicht überrepräsentiert sind, wie auf dieser Konferenz. 636 Lobbyisten für Öl und Gas waren anwesend- mehr als die gerade einmal 500 Vertreter aus den Pazifik-Inselstaaten zusammengenommen.

Weitere Informationen:
"Loss and Damage" - was steckt dahinter? https://www.ufz.de/index.php?de=36336&webc_pm=37/2022


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