Pressemitteilung vom 25. September 2017

Klimaversicherungen: In der Landwirtschaft häufig nicht zu Ende gedacht

UFZ-Forscher zeigen Fehlentwicklungen und geben Empfehlungen für Verbesserungen

International geförderte Agrarversicherungen sollen Landwirte in Entwicklungsländern vor den Auswirkungen des Klimawandels absichern. Doch sie können auch zu unerwünschten ökologischen und sozialen Nebeneffekten führen, wie UFZ-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler gemeinsam mit US-Kollegen der Universität Oregon in ihrem aktuellen Review-Artikel im Fachmagazin Global Environmental Change aufzeigen. Darin geben sie auch Empfehlungen für verbesserte Versicherungsprogramme, in die künftig neben ökonomischen insbesondere auch ökologische und soziale Aspekte einbezogen werden sollten.

Die Auswirkungen des Klimawandels treffen Landwirte in Entwicklungsländern besonders hart. Foto: UFZ / André Künzelmann
Die Auswirkungen des Klimawandels treffen Landwirte in Entwicklungsländern besonders hart.
Foto: UFZ / André Künzelmann
Pastorale Kamelherden im Norden Kenias. Herden wie diese können durch indexbasierte Vieh-Versicherungen abgesichert werden. Foto: Universität Oregon / Leigh Johnson
Pastorale Kamelherden im Norden Kenias. Herden wie diese können durch indexbasierte Vieh-Versicherungen abgesichert werden.
Foto: Universität Oregon / Leigh Johnson

Die Auswirkungen des Klimawandels treffen Entwicklungsländer besonders hart. Verschiedene internationale Initiativen entwickeln und fördern deshalb Risikoversicherungen. Ein Beispiel ist die Initiative InsuResilience der G7-Staaten, die das Ziel hat, bis zum Jahr 2020 400 Millionen Menschen in Entwicklungsländern gegen klimabedingte Risiken zu versichern. Dazu gehören auch sogenannte Agrarversicherungen, die Landwirte vor großen Verlusten zum Beispiel durch extreme Dürreereignisse absichern sollen. "Agrarversicherungen können für die Bauern in betroffenen Gebieten existenzsichernd und äußerst hilfreich sein", sagt Dr. Birgit Müller, sozialökologische Modelliererin am UFZ. "Doch in ihrer jetzigen Ausgestaltung sind die Versicherungen oft nicht zu Ende gedacht. Sie können zu unerwünschten ökologischen und sozialen Nebeneffekten führen und helfen dann den Landwirten wenig, sich langfristig an veränderte Umweltbedingungen anzupassen."

Für ihren aktuellen Review-Artikel hat Birgit Müller gemeinsam mit Prof. Leigh Johnson, Geografin an der Oregon University und ihrem UFZ-Kollegen David Kreuer empirische Studien und Modellstudien aus der ganzen Welt zusammengetragen und eine umfassende Übersicht zu möglichen Auswirkungen von Agrarversicherungen erstellt. "Die bisherigen Studien sind vor allem auf ökonomische Aspekte ausgerichtet. Das gesamte sozial-ökologische System wurde dabei bisher nur wenig berücksichtigt", sagt Müller. "Was aber jetzt schon deutlich wird: Agrarversicherungen können eine Vielzahl unerwünschter Nebeneffekte haben, ein Beispiel sind veränderte Landnutzungsstrategien der Bauern."

Traditionell haben Kleinbauern in Entwicklungsländern auf ihren Feldern eine große Bandbreite an Anbaukulturen, um sicherzustellen, dass zumindest eine Kultur eine mögliche Dürre übersteht. Da Agrarversicherungen aber häufig an bestimmte Anbaukulturen geknüpft sind, und der Versicherungsschutz nicht greift, wenn etwas anderes angebaut wurde, gehen die Bauern oftmals zu Monokulturen über. Und das hat weitreichende ökologische Konsequenzen: Die Agrar-Biodiversität nimmt ab, die Bodenqualität verschlechtert sich, und es werden vermehrt Düngemittel und Pestizide eingesetzt, was wiederum die Gefahr einer Wasserverunreinigung erhöht. Aber auch wenn Agrarversicherungen nicht an bestimmte Anbaukulturen gebunden sind, können Landwirte mit Versicherungsschutz dazu neigen, risikoreichere Kulturen anzubauen, die hohe Erträge versprechen - im Ernstfall aber auch zu höheren Verlusten führen. Denn durch die Versicherung ist es nicht zwingend notwendig, mit einer sinnvollen Anbaustrategie selbst vorzusorgen.

Neben ökologischen Auswirkungen zeigen die Wissenschaftler auch mögliche soziale Nebeneffekte von Agrarversicherungen auf, etwa die Schwächung der Netzwerke von Kleinbauern in Entwicklungsländern. In der Regel helfen sich die Bauern nach größeren Ernteverlusten gegenseitig. Agrarversicherungen können dazu führen, dass ein versicherter Bauer einem anderen nicht mehr hilft, da dieser sich auch selbst hätte versichern können. "Agrarversicherungen und die damit einhergehenden veränderten Landnutzungsstrategien können solche nichtgewollten ökologischen und sozialen Rückkoppelungen verursachen, die dann zu weiteren Problemen und damit auch Kosten führen", warnt Leigh Johnson. "Auf lange Sicht könnte sich das weit über einzelne landwirtschaftliche Betriebe hinaus auswirken."

In ihrem Review machen die Forscher daher Vorschläge, wie man das Design von Agrarversicherungen künftig verbessern könnte. So sollten die Versicherungen beispielsweise nur im Ernstfall bei extremen Dürren greifen, mittlere Dürren wären durch die Bauern über eigene Risikomanagement-Maßnahmen abzufangen. Müller: "In den USA hat man, was Agrarversicherungen angeht, bereits dazugelernt. Die Versicherungsprämie wird nämlich nur noch staatlich subventioniert, wenn eine Mindestanzahl an Anbaukulturen beibehalten und die Bewirtschaftung nicht auf ökologisch wertvolle Randgebiete ausgeweitet wurde. Wir hoffen, dass wir mit unserem Review dazu beitragen können, dass künftig ganzheitlich konzipierte Versicherungsprogramme unter Einbeziehung ökologischer und sozialer Aspekte auf den Weg gebracht werden - denn Entwicklungsgelder sollten in gut durchdachte Konzepte fließen, die effektiv sind und langfristig ökonomisch wirken."

Publikation:
Birgit Müller, Leigh Johnson, David Kreuer: Maladaptive outcomes of climate insurance in agriculture: Global Environmental Change, https://doi.org/10.1016/j.gloenvcha.2017.06.010


Weitere Informationen

Dr. Birgit Müller
Leiterin der Nachwuchsforschungsgruppe POLISES am UFZ-Department Ökologische Systemanalyse
Telefon: +49 341 235-1708
birgit.mueller@ufz.de

UFZ-Pressestelle

Susanne Hufe
Telefon: +49 341 235-1630
presse@ufz.de


Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

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Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.

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