Statement vom 23. Juli 2025

Drei Hebel, um nicht mehr auf Pump zu leben

Statement zum Erdüberlastungstag von Prof. Katrin Böhning-Gaese

Wir verbrauchen mehr, als die Erde verkraftet, das zeigt der Erdüberlastungstag eindrücklich. Doch wir können das ändern: Mit einem Wandel beim Konsum, dem Bevölkerungswachstum und beim Ressourcenverbrauch, schreibt Katrin Böhning-Gaese, Wissenschaftliche Geschäftsführerin des Helmholtz Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und Professorin für Biodiversität im Anthropozän an der Universität Leipzig.

<p>Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese</p> Foto: Sebastian Wiedling / UFZ

Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese


Foto: Sebastian Wiedling / UFZ

Am 24. Juli war Erdüberlastungstag. An diesem Tag hat die Menschheit alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht, die die Erde innerhalb eines Jahres regenerieren kann. Von nun an leben wir ökologisch gesehen auf Pump – zulasten der Natur und kommender Generationen. Leider rutscht der Tag immer weiter nach vorn. Im Jahr 1971 war es noch der 25. Dezember, 1990 der 18. Oktober, 2010 der 8. August, dieses Jahr war es der 24. Juli. Ein Fondsmanager wäre höchst alarmiert: Bis zum 24. Juli konnten wir Erträge ernten, von da an und für den Rest des Jahres brauchen wir das Kapital auf.

Berechnet wird der Erdüberlastungstag vom GlobalFootprintNetwork. Die Methoden beruhen auf Flächenbasis – sprich wie viel Fläche es für die Produktion der benötigten Ressourcen und für die Entsorgung nach ihrer Nutzung braucht – und im Wesentlichen auf dem Kohlenstoffkreislauf. Sie berücksichtigen, wie produktiv unterschiedliche Landflächen sind und wie viel CO2 sie speichern. Wissenschaftlich kann man an den Details der Methodikeiniges kritisieren – es stecken viele Annahmen darin. Vor allem aber lässt sie andere Dimensionen des Erdsystems wie Biodiversität oder Wasserkreislauf außer Acht.

Bewässerung zum Beispiel erhöht die Produktivität der Erde und würde die Erdüberlastung rechnerisch vermindern. Gleichzeitig zerstört man dadurch Feuchtgebiete mit oft einzigartiger Biodiversität, die Dürren und Überschwemmungen abpuffern können. Auch werden durch Bewässerung häufig Grundwasservorräte übernutzt und regionale Wasserkreisläufe langfristig gestört. Trotz der wissenschaftlichen Grenzen des so gemessenen ökologischen Fußabdrucks hat der Erdüberlastungstag dennoch Relevanz: Er ist ein starkes Warnsignal.

Die Schlüssel zur Trendumkehr beim Bevölkerungswachstum

Doch wie genau können wir unseren ökologischen Fußabdruck verringern und damit die Erde entlasten? Partha Dasgupta, ein indisch-britischer Wirtschaftswissenschaftler, bringt dies in seinem 2021 veröffentlichten Gutachten zur "Ökonomie der Artenvielfalt" auf den Punkt. Seiner Einschätzung nach haben wir drei Hebel, die wir bewegen können: die Weltbevölkerung, den Konsum pro Person und die Effektivität beim Ressourcenverbrauch.

Die Weltbevölkerung ist seit 1950 von 2,5 Milliarden auf jetzt über 8 Milliarden Menschen gestiegen. Aus planetarer Sicht ist das ein Problem. Allerdings schwächt sich das Wachstum auf fast allen Kontinenten deutlich ab; in einigen Ländern sinkt die Zahl der Menschen bereits. Der Schlüssel für diese Trendumkehr ist gut bekannt. Den entscheidenden Unterschied machen Bildung und der Zugang zu Verhütungsmitteln. Nach heutigen Projektionen wird die Weltbevölkerung ihren Höhepunkt um das Jahr 2080 erreichen. Danach wird sie voraussichtlich weltweit sinken. Das bedeutet: Hier tut sich etwas, auch wenn sich der Prozess langsam vollzieht.

Konsummuster durchbrechen

Beim Konsum kann man ebenfalls ansetzen – und dieser Hebel ist riesig. Wenn alle Menschen auf der Erde so leben würden wie wir in Deutschland, bräuchten wir drei Erden; bei den USA wären es fünf; bei Indien dagegen nur 0,7 Erden. Massive Unterschiede gibt es sowohl zwischen als auch innerhalb der Länder. Die oberen zehn Prozent der Weltbevölkerung verursachen zum Beispiel fast die Hälfte der globalen Treibhausgasemissionen, die unteren 50 Prozent dagegen nur etwa 12 Prozent.

Das ist sehr ungerecht und weist den wohlhabenderen Ländern und Menschen zugleich eine klare Verantwortung zu: Sie sollten bewusster und nachhaltiger konsumieren. Das bedeutet ein Umdenken und Umschwenken bei einigen zentralen Punkten. Zum Beispiel: weniger Fleisch essen und weniger Lebensmittel verschwenden. Denn etwa ein Drittel aller Lebensmittel wird nie verzehrt. Und für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch braucht es 160 Mal mehr Fläche als für ein Kilogramm Kartoffeln.

Die wohlhabenden Menschen der Erde, und dazu gehören viele in Deutschland, sollten hier sofort ansetzen. Wenn sie dann auch noch weniger Energienutzen, weniger Fläche bewohnen und sich nachhaltiger fortbewegen, dann könnten wir für den Ressourcenverbrauch viel erreichen – und in vieler Hinsicht auch besser leben. Denn eine fleischarme Kost ist nachweislich gesünder. Und Lebensmittel wirklich zu verbrauchen, schont den Geldbeutel.

Kreislaufwirtschaft als Lösung für Landnutzung

Es bleibt der dritte Hebel: die Effektivität der Landnutzung. Die wichtigste Lösung liegt hier in einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft. Theoretisch ist es möglich, den Ressourcenverbrauch vom Wohlstand zu entkoppeln. Aber dafür müssten wir Dinge wie Häuser, Autos oder Zahnbürsten aus bereits genutzten Materialien produzieren – und sie nach ihrem Lebenszyklus erneut recyceln.

Auch müssten unsere Lebensmittel und Holzabfälle reduziert und in die natürlichen Nährstoffkreisläufe eingespeist sowie Abfälle generell vermindert werden. Schließlich müssten wir Produkte erhalten, solange es geht. Sie sollten eine möglichst lange Lebensdauer haben, wieder genutzt, geteilt, repariert, aufgewertet und recycelt werden.

Noch gibt es jedoch erhebliche technische Herausforderungen für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Das größte Problem ist allerdings der Preis. Nachhaltig zu produzieren, ist derzeit oft teurer, da die versteckten Folgekosten für natürliche Ressourcen, etwa Wasser- oder Luftverschmutzung, in der Regel nicht eingepreist sind. Gleichzeitig werden natürliche Ressourcen seltener und damit künftig teurer.

Ein weiterer Vorteil der Kreislaufwirtschaft: Effektive nachhaltige Nutzung von Ressourcen verringert globale Abhängigkeiten in den Lieferketten und spart Kosten. Beides sind in Zeiten wirtschaftlicher und geopolitischer Unsicherheiten bestechende Argumente.

Zeichen der Hoffnung in Sicht

Die Lösungen sind also vorhanden, aber sie fordern uns stark heraus. Denn es geht um einen fundamentalen Wandel, der nicht nur ein verändertes Denken und Konsumieren, sondern den kompletten Umbau unseres Produktions- und Wirtschaftssystems einschließt.

Keiner der drei oben genannten Hebel erreicht allein, was nötig ist, um zu einem vernünftigen und zukunftssicheren Umgang mit den natürlichen Ressourcen der Erde zu kommen. Aber sie können sich sinnvoll ergänzen: Mit einem langsamen, aber fortgesetzten Rückgang der Weltbevölkerung, mit weniger Konsum pro Kopf und mit höherer Effektivität bei der Land- und Ressourcennutzung können wir den ökologischen Fußabdruck wirksam und dauerhaft mindern.

Und es gibt sogar Zeichen der Hoffnung: In den vergangenen vier Jahren ist der Tag der Erdüberlastung nahezu konstant im Kalender geblieben. In einigen wohlhabenden Ländern hat er sich dieses Jahr sogar ein klein wenig nach hintengeschoben; sie sind ein bisschen nachhaltiger geworden. Dazu gehören Deutschland, die Schweiz, Schweden, Norwegen, Finnland oder Australien. Das zeigt: Es geht. Änderungen sind möglich.

Katrin Böhning-Gaese


Weitere Informationen

UFZ-Pressestelle

Susanne Hufe
Telefon: +49 341 6025-1630
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Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

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Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.

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