Pressemitteilung vom 08. Mai 2025

PFAS beeinflussen zelluläre Immunantwort auf Corona-Virus

UFZ-Studie deckt dabei auch geschlechtsspezifische Unterschiede auf

Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) sind allgegenwärtig, reichern sich in der Umwelt an und sind nur schwer abbaubar. Sie werden als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichnet. PFAS können das Immunsystem und die menschliche Gesundheit beeinträchtigen. Forschende des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) zeigen in ihrer aktuellen Studie, dass sich eine hohe PFAS-Exposition negativ auf die zelluläre Immunantwort auf das Corona-Virus SARS-CoV-2 auswirkt. Menschen, die hohen PFAS-Belastungen ausgesetzt sind, könnten weniger gut auf Impfungen ansprechen, vermuten die Wissenschaftler:innen. Die Studie entstand in enger Kooperation mit dem Norwegian Institute of Public Health in Oslo. Sie ist im Fachmagazin Environment International erschienen.

<p>PFAS scheinen nicht nur eine Rolle bei der Entstehung etlicher Zivilisationskrankheiten zu spielen, sie beeinflussen auch die zelluläre Immunantwort auf das Corona-Virus. </p> Foto: ©angellodeco / AdobeStock

PFAS scheinen nicht nur eine Rolle bei der Entstehung etlicher Zivilisationskrankheiten zu spielen, sie beeinflussen auch die zelluläre Immunantwort auf das Corona-Virus. 


Foto: ©angellodeco / AdobeStock

PFAS sind in vielen Alltagsprodukten verarbeitet, etwa in Kosmetika, Outdoor-Bekleidung oder beschichteten Pfannen. Grund dafür sind ihre besonderen Eigenschaften. Sie sind hitzebeständig, wasser- und fettabweisend und äußerst langlebig. Es gibt tausende unterschiedliche PFAS-Verbindungen. Man findet sie in Böden, Gewässern und in der Luft. Über die Nahrung, das Trinkwasser oder die Atemluft gelangen sie in den menschlichen Körper, wo sie sich anreichern und sich auf unsere Gesundheit auswirken können. „PFAS sind nicht akut toxisch. Doch da wir ihnen nahezu überall in unserer Umwelt begegnen und uns ihnen kaum entziehen können, haben wir es quasi mit einer chronischen Exposition zu tun. Und die ist insbesondere für vulnerable Gruppen wie Schwangere, kleine Kinder oder chronisch Kranke problematisch“, sagt Prof. Ana Zenclussen, Leiterin des Departments Umweltimmunologie am UFZ.

Die Exposition gegenüber PFAS wird in verschiedenen Studien etwa mit Fettleibigkeit, hormonellen Störungen oder Krebs in Verbindung gebracht. Sie können auch das Immunsystem beeinflussen. Aus epidemiologischen Studien ist bekannt, dass sich PFAS negativ auf die Entwicklung von Antikörpern nach einer Impfung gegen SARS-CoV-2 auswirken. Mit ihrer aktuellen Studie wollten die Forschenden herausfinden, ob und wie sich PFAS auf die zweite Achse des Immunsystems, die sogenannte zelluläre Immunantwort, auswirken. Denn die ist bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 besonders wichtig, um vor einem schweren Verlauf zu schützen. „Und anders als das bei anderen Viren der Fall ist, sagt ein hoher Antikörpertiter gegen SARS-CoV-2 im Blut nicht unbedingt etwas darüber aus, ob auch die Entwicklung der zellulären Immunantwort adäquat war“, erklärt Ana Zenclussen. „Daher schließen wir mit unserer Studie hier eine wichtige Lücke.“

Für ihre Studie hat das Forschungsteam Blutproben von Frauen und Männern genutzt, die mehrfach gegen SARS-CoV-2 geimpft waren und bereits eine Infektion mit dem Virus durchgemacht hatten. Die in den Blutproben enthaltenen Immunzellen haben die Wissenschaftler:innen im Labor kultiviert und für 24 Stunden einer PFAS-Belastung ausgesetzt. „Dafür haben wir eine spezielle Mischung verwendet, die die PFAS-Exposition der europäischen Bevölkerung realitätsnah abbildet“, erklärt Ana Zenclussen. Die PFAS-Mischung wurde von den norwegischen Kooperationspartnern auf Basis einer großen Kohortenstudie entwickelt. Neben einer realitätsnahen PFAS-Konzentration setzten die Forschenden die Immunzellen in weiteren Versuchsansätzen auch höheren Konzentrationen der PFAS-Mischung aus – bis hin zu einer tausendfach erhöhten Konzentration, die einer Belastung von Menschen entspricht, die im Bereich der Herstellung von PFAS arbeiten.

Dr. Oddvar Myhre vom norwegischen Institute of Public Health in Oslo betont: "Um die komplexen Wechselwirkungen mit dem Immunsystem zu verstehen, insbesondere im Zusammenhang mit der Reaktion auf Impfungen, war es wichtig, ein für den Menschen relevantes PFAS-Gemisch zu verwenden. Diese Vorgehensweise spiegelt reale Expositionsszenarien gut wider und trägt so dazu bei, die potenziellen Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit PFAS-Kontaminationen zu klären."

Im Anschluss an die PFAS-Exposition wurden die Immunzellen Bestandteilen des Corona-Virus SARS-CoV-2 ausgesetzt. Können die zuvor mit PFAS behandelten Immunzellen noch ausreichend auf das Virus reagieren und es bekämpfen? Oder fällt die Immunantwort schlechter oder deutlich anders aus? Um diese Fragen zu beantworten, hat das Forschungsteam um Ana Zenclussen eine detaillierte Immunanalyse durchgeführt. Dafür nutzten sie die sogenannte spektrale Durchfluss-Zytometrie – ein modernes Verfahren, mit dem in einem Messschritt die in einer Probe enthaltenen Immunzelltypen identifiziert, quantifiziert und analysiert werden können. Dabei kann auch die Funktionalität der jeweiligen Zelltypen über die Messung ausgeschütteter Botenstoffe bestimmt werden.

Im Vergleich zu den unbehandelten Proben schütteten in den Proben, die zuvor erhöhten PFAS-Konzentrationen ausgesetzt waren, zwei Immunzelltypen vermehrt entzündungsfördernde Botenstoffe aus. „Das deutet auf eine überschießende Immunreaktion hin“, erklärt Ana Zenclussen. „Interessant ist, dass dieser Effekt insbesondere bei den Immunzellen der männlichen Studienteilnehmenden zu sehen war.“ Bei den weiblichen Studienteilnehmenden zeigte sich ein anderes Bild. Hier waren nach erhöhter PFAS-Exposition im Verhältnis weniger B-Zellen vorhanden. B-Zellen sind Immunzellen, die für die Entwicklung von Antikörpern und die Ausbildung einer langfristigen Immunität entscheidend sind. „Dass eine hohe PFAS-Belastung das Immunsystem je nach Geschlecht unterschiedlich beeinflusst, ist ein wichtiger Hinweis, dem in weiterführenden Studien weiter nachgegangen werden sollte“, sagt Zenclussen.

Bei beiden Geschlechtern war die Bildung von für die Immunantwort wichtigen Botenstoffen, die für das Anlocken weiterer Immunzellen oder die Wundheilung wichtig sind, insgesamt herunterreguliert. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Exposition mit hohen PFAS-Konzentrationen die Immunantwort auf SARS-CoV-2 durchaus verändert und womöglich in ihrer Effektivität reduziert“, sagt Ana Zenclussen. „Das könnte bedeuten, dass Menschen mit hoher PFAS-Belastung möglicherweise ein höheres Risiko für einen schlechten Krankheitsverlauf haben oder auch weniger gut auf Impfungen ansprechen. Mit angepassten und individualisierten Impfstrategien könnte dem aber entgegengewirkt werden.“

Publikation:
H.S. Ayuk, A. Pierzchalski, T. Tal, O. Myhre, B. Lindeman, V. Stojanovska, A. Zenclussen: Evaluating PFAS-Induced Modulation of Peripheral Blood Mononuclear Cells (PBMCs) Immune Response to SARS-CoV-2 Spike in COVID-19 Vaccinees; Environment International; https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0160412025001606?via%3Dihub

 


Weitere Informationen

Prof. Dr. Ana Zenclussen
Leiterin UFZ-Department Umweltimmunologie
ana.zenclussen@ufz.de

Dr. Oddvar Myhre
Norwegian Institute of Public Health
Oddvar.Myhre@fhi.no

UFZ-Pressestelle

Susanne Hufe
Telefon: +49 341 6025-1630
presse@ufz.de


Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

www.ufz.de

Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.

www.helmholtz.de
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