Kurzinformation vom 16. März 2023

Welche Bedeutung hat die Nationale Wasserstrategie?

Kurzstatement von Dr. Karsten Rinke, Leiter des UFZ-Departments Seenforschung

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch (15. März) die Nationale Wasserstrategie (NWS) verabschiedet. Damit will die Bundesregierung unter anderem die natürlichen Wasserreserven Deutschlands sichern, Vorsorge gegen die Wasserknappheit leisten, Nutzungskonflikten vorbeugen und den Zustand der Gewässer und die Wasserqualität verbessern. Eine Einordnung von Dr. Karsten Rinke, Leiter des UFZ-Departments Seenforschung.

Dr. Karsten Rinke Foto: André Künzelmann / UFZ
Dr. Karsten Rinke
Foto: André Künzelmann / UFZ

Welche Bedeutung hat die Nationale Wasserstrategie?

Die Nationale Wasserstrategie (NWS) spannt einen konzeptionellen Rahmen für einen nachhaltigen Umgang mit der Ressource Wasser. Diese Notwendigkeit wurde in Folge der Dürrejahre 2018-2020 (und 2022) deutlich und auch schnell erkannt. Aber diese Problemlagen sind nur der Anfang, denn im Zuge des Klimawandels werden sich die Verhältnisse verschärfen. So waren die benannten Dürrejahre etwa 2 Grad wärmer als das langjährige Mittel im Land. Entsprechend der aktuellen Klimaprognosen rechnen wir aber im Laufe des Jahrhunderts mit einer Erwärmung um 4 Grad. Die Wasserstrategie ist also nicht nur Ressourcenschutz, sondern viel mehr Klimaanpassung im Sinne der Daseinsvorsorge. Besonders gefällt mir an der NWS, dass sie nicht nur den unmittelbaren anthropogenen Wasserbedarf adressiert (Trinkwasser, Brauchwasser, Bewässerung etc.), sondern auch hervorhebt, dass wir in unserer Landschaft einen langfristig stabilen Wasserhaushalt erhalten bzw. auch unter trockeneren klimatischen Verhältnissen nachhaltig erreichen müssen. Schließlich ist lobend hervorzuheben, dass die NWS die beiden Aspekte Wassermenge und Wasserqualität gleichermaßen behandelt. Es geht also nicht nur um die Bewältigung von Dürre und Hochwasser, sondern auch um eine verbesserte Wasserqualität, d.h. um die Begrenzung der Wasserverschmutzung und Gewässerdegradation. Nur so steht Wasser in ausreichender Menge und Qualität für Mensch und Natur zur Verfügung.

Was sind die wichtigsten Punkte der Nationalen Wasserstrategie?

  • Sicherung der Trinkwasserversorgung für die Bevölkerung sowie Brauchwasserbereitstellung für die Industrie
  • Anpassungen unserer Wasserinfrastrukturen an den Klimawandel, um die Wasserwirtschaft resilienter zu machen. Hierfür müssen z.T. große Investitionen getätigt werden, die die Bereitstellung geeigneter finanzieller Instrumente erfordert.
  • Verbesserte Wasserqualität und hochwertigere/intakte Gewässer(ökosysteme). Hierbei ist auch die Überwindung der Grundwasserbelastung durch Nitrat zu nennen. Dieser Punkt ist keine Wunschvorstellung aus der Ökobewegung, sondern ein wesentlicher Aspekt zur Erfüllung der Wasserdienstleistungen wie kommunale Wasserversorgung, Brauch- und Bewässerungswasser, biologische Selbstreinigung, Naherholung, Biodiversität oder Regulation des lokalen Klimas.
  • Stabilisierung des Landschaftswasserhaushaltes, z.B. durch Erhöhung der Versickerung und Grundwassererneuerung, Rückbau von Versiegelungen und Verminderung schneller Abflusskomponenten
  • Verbesserte Abwassereinigung und Verminderung der Stressoren für Gewässer

Wo sehen Sie die größten Fortschritte durch die Strategie im Umgang mit Wasser in Deutschland?

  • Notwendigkeit zur Klimaanpassung des Wasser-/Gewässermanagements wurde erkannt.
  • Anthropogene Bedürfnisse und Anforderungen der terrestrischen und aquatischen Umwelt wurden integriert und gleichermaßen berücksichtigt. Wassermenge und Wasserqualität sind gleichberechtigt (zwei Seiten derselben Medaille).
  • Der konzeptionelle Rahmen ist wissenschaftlich fundiert und inhaltlich zielführend. Die Fragen der Umsetzbarkeit, Finanzierung und konkrete Maßnahmenkataloge bedürfen aber weiterer Ausarbeitung (siehe unten).
  • Ausrichtung des Wasserbedarfs an das Wasserdargebot, um Übernutzungen zu vermeiden (beinhaltet auch Techniken zum Wassersparen und zur Wasserwiederverwendung.
  • Die NWS ist durch einen umfangreichen Abstimmungsprozess zwischen vielen Akteuren (Wasserversorger und -entsorger, Fachbehörden, NGOs, industrielle Nutzer, Wissenschaft) entstanden und realisierte somit einen integrativen Ansatz.

Gibt es auch Schwachstellen der Strategie? 

Sie liefert "nur" den konzeptionellen Rahmen, gibt aber keine konkreten Maßnahmen vor, z.B. wie genau wir die Versiegelung reduzieren wollen, wie die Abwasseraufbereitung verbessert werden soll und bis zu welchem Reinigungsniveau, wie das finanziert werden soll oder wie eine Landwirtschaft funktionieren muss, die das Grundwasser nicht weiter belastet, um nur einige Beispiele zu nennen.

Eine weitere Schwachstelle ist die Unsicherheit über unser zukünftiges Klima. Können wir das Pariser Abkommen noch erfüllen (sehr unwahrscheinlich) oder realisieren sich die pessimistischsten Szenarien mit bis zu 6 Grad Erwärmung bis 2100? Ohne verlässliche Prognosen lässt sich schlecht planen. Dies ist kein Vorwurf an die Mütter und Väter der NWS, aber eben trotzdem eine Realität, dass wir mit Unsicherheiten umgehen müssen. Noch etwas: Wir müssen Klimaveränderung auch auf den Wasserkreislauf übersetzen. Wie sehen das Wasserdargebot und die Abflussvariabilität 2050 oder 2075 für verschiedene Entwicklungspfade des Klimas aus? Hier besteht noch erheblicher Wissens- bzw. Forschungsbedarf.

 


Weitere Informationen

Dr. Karsten Rinke
Leiter des UFZ-Departments Seenforschung
karsten.rinke@ufz.de

UFZ-Pressestelle

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Telefon: +49 341 235-1630
presse@ufz.de


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