Pressemitteilung vom 20. Januar 2021

Permanenter Hitzezustand

Klimawandel fördert das Aufheizen von Seen

Perioden mit außergewöhnlich warmem Oberflächenwasser in stehenden Gewässern, sogenannte "Seen-Hitzewellen", werden bis zum Ende des 21. Jahrhunderts an Intensität und Dauer zunehmen. Das schreibt ein internationales Wissenschaftler*innen-Team unter Beteiligung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) im Fachjournal Nature. Dies bedrohe die Artenvielfalt und bringe die Ökosysteme dieser Gewässer an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.

Der Chiemsee in Bayern, einer von 702 Seen weltweit, die Teil der Studie sind. Foto: Tom Shatwell
Der Chiemsee in Bayern, einer von 702 Seen weltweit, die Teil der Studie sind.
Foto: Tom Shatwell

Das Forscher*innen-Team modellierte unter Leitung der Europäischen Weltraumorganisation ESA die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf 702 Seen weltweit, darunter der Chiemsee und der Müritzsee in Deutschland. Sie bezogen sich dabei auf drei Szenarien künftiger Treibhausgasemissionen, die sogenannten "Repräsentativen Konzentrationspfade" (RCPs). Diese beschreiben, ob der Ausstoß von Kohlendioxid bis zum Jahr 2100 gestoppt wird (RCP 2.6), weiter steigt (RCP 6.0) oder sich ungebremst fortsetzt (RCP 8.5). Im letzten Fall würde laut des Weltklimarats IPCC bis Ende des Jahrhunderts die Erwärmung im weltweiten Durchschnitt mehr als vier Grad betragen, was der aktuellen Entwicklung entspricht.

Doch welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf die Seen? Für das RCP 8.5-Szenario zeigen die Modelle der Forscher, dass sich die durchschnittliche Intensität der Seen-Hitzewellen bis zum Jahr 2100 um 1,7 Grad von derzeit 3,7 Grad Celsius auf 5,4 Grad Celsius erhöhen wird. Zudem wird ihre durchschnittliche Dauer von derzeit etwa einer Woche auf mehr als drei Monate ansteigen. Geht man dagegen von einem RCP 2.6-Szenario aus, klettert die durchschnittliche Intensität einer Hitzewelle lediglich um 0,3 Grad auf rund 4,0 Grad Celsius bei einer durchschnittlichen Dauer von einem Monat.

Außerdem zeigte sich, dass die Tiefe der Seen, die in der Studie zwischen 2 und 60 Metern variierte, entscheidenden Einfluss darauf hat, wie stark die Hitzewellen ausfallen: In tieferen Seen halten sie länger an, sind aber weniger intensiv. Zum Beispiel dauern Hitzewellen in einem 30 Meter tiefen See ungefähr doppelt so lang und sind um ca. 2 Grad Celsius weniger intensiv als in einem See, der nur 3 Meter tief ist.

Die Forscher gehen davon aus, dass sich - bedingt durch die prognostizierte Klimaerwärmung - in den kommenden Jahrzehnten Seen-Hitzewellen über mehrere Jahreszeiten erstrecken werden. "Außergewöhnliche Seen-Hitzewellen werden in Zukunft in vielen Fällen zur Normalität", sagt der UFZ-Forscher und Mitautor der Studie Dr. Tom Shatwell. Bis zu 40 Prozent der untersuchten Seen könnten beim RCP 8.5-Szenario einen permanenten Hitzezustand erreichen, der sich über das ganze Jahr erstreckt und sich deutlich auf die physikalische Struktur und die chemischen Eigenschaften auswirkt. "Konkret heißt das zum Beispiel, dass sich die Durchmischungsverhältnisse in den Seen verändern können und damit die Verfügbarkeit von Sauerstoff im Wasser negativ beeinflussen. Auch die Gefahr der durch Cyanobakterien hervorgerufenen giftigen Blaualgenteppiche würde steigen. Und schließlich ist auch die biologische Vielfalt bedroht, weil manche in und an Seen lebenden Arten nicht sehr hitzetolerant sind", sagt Tom Shatwell. Diese Entwicklung könne die Ökosysteme an die Grenzen ihrer Belastbarkeit treiben, resümieren die Autoren*innen der Studie. 

Dass die Erwärmung von Gewässern auch für den Menschen Konsequenzen haben kann, zeigten UFZ-Wissenschaftler um den Seenforscher Dr. Karsten Rinke in einer anderen Studie. Ende des vergangenen Jahres berichteten sie in der Zeitschrift Science of the Total Environment, dass auch in Trinkwassertalsperren wie der Rappbodetalsperre im Harz die Wassertemperaturen deutlich steigen können - mit entsprechenden Auswirkungen auf das Management der Trinkwasserversorgung.

Publikation: 
RI Woolway, E Jennings, T Shatwell, M Golub, D Pierson and S Maberly: Lake heatwaves under climate change. Nature (2021), https://doi.org/10.1038/s41586-020-03119-1


Weitere Informationen

Dr. Tom Shatwell
UFZ-Department Seenforschung
tom.shatwell@ufz.de

UFZ-Pressestelle

Susanne Hufe
Telefon: +49 341 235-1630
presse@ufz.de


Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

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Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.

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