Pressemitteilung vom 29. August 2003

Wie steht es um die Schadstoffbelastung von Elbe und Mulde
ein Jahr nach der Flut?

Ergebnisse der Tagung des ad-hoc-Projektes vom 27. bis 29. August 2003 in Freiberg

Die Jahrhundertflut im Elbe-Einzugsgebiet führte vor gut einem Jahr neben Schäden an Mensch und Material auch zur Freisetzung von Schadstoffen und deren Transport flussabwärts. Bergbauhalden, Industrieanlagen, Öltanks und Kläranlagen lieferten vielerorts die Ingredienzien für einen Cocktail, der sich mit der Flut talwärts ergoss.
Damals befürchtete man - auch aufgrund punktueller Messungen während des Hochwassers - dass damit eine langfristige Belastung der überfluteten landwirtschaftlich und/oder gärtnerisch genutzten Auenböden, der Fluss- und Wattenmeersedimente oder gemeinnütziger Einrichtungen wie Kinderspielplätze einhergehen könnte. Ökologische Stabilität, potenzielle Nutzung betroffener Areale und gesundheitliche Sicherheit waren damit infrage gestellt.

Befürchtungen relativiert, trotzdem keine Entwarnung

Auf der Freiberger Tagung zeigte sich, dass das Hochwasser bedingte Ausmaß der Belastung weniger dramatisch ist als befürchtet. "Dies darf jedoch keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass Böden und Sedimente belastet sind und diesbezüglich dringender Handlungsbedarf besteht", so Projektleiter Prof. Walter Geller, UFZ. Im Laufe viele Jahrzehnte wurden Schadstoffe sukzessiv aus Punktquellen (Halden und Kippen des Altbergbau im Erzgebirges, Altlasten aus Industriestandorten) ausgetragen und führten bzw. führen so zu einer erheblichen und noch andauernden Belastung. Das Hochwasser löste darüber hinaus enorme Umlagerungen und teilweise neue Kontaminationen in einzelnen Bereichen aus.
Die Wissenschaftler sind sich einig: "Die Augen dürfen nicht verschlossen werden vor den Belastungsproblemen an Elbe und Mulde - auch wenn das Hochwasser vom letzten Jahr nur zum Teil dafür verantwortlich ist", so Klaus Ockenfeld, Koordinator des Projekts.

Was wird im Projekt untersucht?

Im Focus der Untersuchungen des Forschungsverbundes steht die Frage nach den Quellen und dem Schicksal anorganischer und organischer Schadstoffe sowie potenziell krankmachender Keime in Wasser, Flusssedimenten und überfluteten Arealen. Untersuchungsgebiete sind der Süßwasser-Bereich des Elbe-Einzugsgebietes von Tschechien bis zum Wehr Geesthacht (bei Hamburg) und die Mulde. Mit dem Bereich der Tideelbe und dem Wattenmeer der Nordsee befassen sich Wissenschaftler von Institutionen außerhalb des Forschungsverbundes (bspw. das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung).

Bisherige Ergebnisse

a) Wassergüte

Während der Flutwelle wiesen die Untersuchungen im Wasser von Elbe und Mulde teils stark erhöhte Konzentrationen diverser Schadstoffe (Schwermetalle, Dioxine, Pflanzenschutzmittel, andere organische Schadstoffe) auf. Überall im Wasser konnte aber ein zügiger Rückgang der Belastung beobachtet werden, so dass gegenwärtig ein Niveau wie vor der Hochflut anzutreffen ist.
Auch der Sauerstoffgehalt, der kurzzeitig nicht den Zielvorgaben entsprach, erreichte mit Abklingen der Hochwasserwelle wieder unkritische Werte.

b) Auenböden und Flusssedimente

Wie bei jedem Hochwasser wurden auch im Sommer 2002 Auenböden und Flusssedimente aufgewirbelt, abgetragen und flussabwärts transportiert - nur diesmal in außergewöhnlichem Maße. Und wie bei jedem Hochwasser seit Beginn des Industriebergbaus - insbesondere im Muldegebiet - war dies verbunden mit einer Verfrachtung der in den Sedimenten und Böden seit vielen Jahren abgelagerten Schadstoffe. Entsprechend sind in den Auenböden sowie Fluss-Sedimenten im Mulde-Einzugsgebiet sowie unterhalb der Muldemündung auch in der Elbe erhöhte Schadstoffgehalte nachzuweisen, wobei hauptsächlich Schwermetalle (Quecksilber, Cadmium und Kupfer) sowie Arsen eine dominante Rolle spielen. Insgesamt jedoch - von wenigen Ausnahmen abgesehen - kann man nicht von höheren Schadstoffgehalten in Auen und Sedimenten sprechen als vor der Flut.

c) Urbane Gebiete

Zahlreiche Ortschaften waren im August 2002 von der Flut betroffen. Entsprechend lagerten sich Schlämme auch in Häusern bzw. öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Kinderspielplätzen, Sport- und Freizeitanlagen oder Kleingärten ab. Die Schlamm- und Bodenuntersuchungen der letzten Monate ergaben insbesondere im Bereich der Mulde erhöhte Einträge von Arsen, welche teilweise die behördlichen Prüfwerte überschritten. Da für urbane Bereiche nur bedingt Vor-Hochwasserwerte vorliegen, ist nicht eindeutig belegbar, dass die Einträge ausschließlich durch das Augusthochwasser 2002 verursacht worden sind. Unabhängig davon ergriffen vielerorts Ämter und Behörden sehr zügig und effektiv Maßnahmen, um vorhandene Gefährdungen bspw. auf Spielplätzen oder Sportanlagen zu beseitigen.
Für andere, nach der Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung relevante Schadstoffe, wie Schwermetalle, Mineralölkohlenwasserstoffe, Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs), Organochlorpestizide und Polychlorierte Biphenyle (PCBs) wurden bislang nur vereinzelt erhöhte Konzentrationen festgestellt, die kein Gefährdungspotenzial darstellen.

Handlungsbedarf Die Flut im August 2002 hat gezeigt, dass nur ein komplexes Umdenken - das sich durch verschiedenste Fach- und Lebensbereiche zieht, nicht an politischen Grenzen halt machen darf und in rechtlichen Grundlagen verankert werden muss - uns und unseren Lebensraum wirksam vor den Folgen einer solchen Katastrophe schützen kann. Dazu zählt ein Umdenken im Siedlungsverhalten, dem Katastrophenschutz, in der Bewirtschaftung von Wasserwegen und Auenlandschaften und vieles andere mehr.

Einige Punkte, die im Hinblick auf die Minderung der Gefährdungen des Menschen durch Schadstoffe zu nennen wären, sind Folgende:

  • Die Gruben, Halden und Sedimentationsanlagen des Altbergbaus im Erzgebirge sowie Industriealtlasten stellen nach wie vor bedeutsame Punktquellen für die Belastung im Einzugsgebiet der Mulde und Elbe dar. Diffuse Belastungen sind darüber hinaus in Böden der Aue und den Flusssedimenten von Mulde und Elbe zu erwarten, welche in der Vergangenheit ausgetragen und andernorts wieder abgelagert wurden. Verunreinigungen sind auch im Bereich des Grundwassers festgestellt worden. Diese Quellen müssen noch besser gegen Austrag geschützt werden.
  • Das Wissen zum Verhalten von Schadstoffen (Bindungsformen, Fixierung, Remobilisierung, Transport) muss weiter komplettiert werden. Ökotoxikologen bspw. müssen bislang unbekannte Verbindungen mit offenbar toxischem Potenzial identifizieren und bewerten. Des Weiteren bedarf es einer genaueren Untersuchung der tatsächlichen Gefahren einer langfristigen Kontamination, aber auch einer Stoßbelastung um daraufhin begründbare Handlungsempfehlungen auszusprechen zu können.
  • Die Nutzung der Auen, insbesondere der Deichvorländer muss aufgrund der nachgewiesenen Belastung generell überdacht werden. Aus diesem Grund ist es bspw. nötig, dass sich weitere Forschungsarbeiten mit dem Verhalten und dem Verbleib von Schadstoffen in der Nahrungskette befassen. So können die Folgen besser abgeschätzt und geeignete Eingriffsmöglichkeiten gefunden werden.

Das Ad-hoc-Projekt ist als Verbund mehrerer Forschungseinrichtungen organisiert und wird vom Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH (UFZ), Sektion Gewässerforschung, koordiniert und administrativ betreut. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt bis März 2004 mit rund 2 Millionen EURO. Insgesamt fördert das BMBF derzeit Forschungsvorhaben zum Thema Hochwasserschutz mit zirka 8,3 Millionen EURO, bspw. um die Auswirkungen des Hochwassers auf das Grundwasser im Raum Dresden zu untersuchen oder um innovative Methoden des Deichbaus zu erforschen. Aber auch das Hochwasserrisikomanagement ist Thema von gegenwärtig geförderten und für die Zukunft geplanten Engagements des Ministeriums.

Weitere Informationen zum Ad-hoc-Hochwasserprojekt finden Sie auch unter:

www.halle.ufz.de/hochwasser

Kontakt:

Dr. Klaus Ockenfeld
UFZ-Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle
Brückstr. 3A
39114 Magdeburg
Telefon: 0391 8109 653
Fax: 0391 8109 150
e-Mail: ockenfeld@gm.ufz.de