Pressemitteilung vom 15. Mai 2006

Irrgarten der Bürokratie?

Wissenschaftler diskutieren deutsches Umweltrecht

Leipzig. Einfach schnell sanieren – das geht nicht. Zumindest nicht in Deutschland, wo Eingriffe in die Umwelt streng geregelt sind. Auch wer es gut mit Mensch und Natur meint, kommt nicht darum herum, viele Genehmigungen einzuholen. Soll beispielsweise ein neues Verfahren zur Sanierung eines ehemaligen Tagebaues erprobt werden, dann ist neben diversen Genehmigungen nach Wasser- und Forstrecht auch die Zulassung eines umfangreichen bergrechtlichen Betriebsplanes notwendig.

Verschiedene Zuständigkeiten verlangsamen viele Entscheidungsprozesse

Verschiedene Zuständigkeiten durch das föderale System verlangsamen auch im Umweltrecht viele Entscheidungsprozesse
Foto: André Künzelmann/UFZ

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Das Restloch 107 in der Lausitz

Das Restloch 107 in der Lausitz. An einem solchen sauren See erprobt das UFZ Sanierunsgverfahren.
Foto: André Künzelmann/UFZ

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Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling

Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Maculinea nausithous): Paarung auf der Blüte des Wiesenknopfs. Diese Schmetterlingsart wird im Forschungsprojekt MacMan europaweit untersucht, da sie ein empfindlicher Bioindikator für Veränderungen in der Landschaft ist.
Foto: André Künzelmann/UFZ

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Kann bei solchen strengen Reglementierungen die Umweltforschung ihre Aufgaben noch erfüllen? Wird die Wissenschaft durch Gesetze zu stark eingeschränkt? Solche und andere Fragen diskutieren 20 junge Juristen aus dem ganzen Bundesgebiet am 18. und 19. Mai bei der Leipziger Plattform für rechtswissenschaftliche Umweltforschung am UFZ.

Diese Veranstaltung versteht sich als offenes Forum, das in seiner Art einzigartig in Deutschland ist, denn sie ist keine "klassische" juristische Veranstaltung zu einem aktuellen rechtspolitischem Thema und keine regelmäßige Tagung zu einem bestimmten Bereich des Umweltrechtes mit wenigen eingeladenen (mehr oder minder gut honorierten) Referenten und vielen (zahlenden) Teilnehmern. Die Idee ist vielmehr ein konstruktives Miteinander, bei dem die Trennung zwischen Referent und Teilnehmer weitgehend aufgehoben ist. Der Schwerpunkt soll auf der wissenschaftlichen Perspektive und dem wissenschaftlichen Diskurs liegen, der sonst eher nur virtuell stattfindet. Damit lehnt sich die Tagung an Veranstaltungskonzepte an, wie sie in anderen Wissenschaften schon lange etabliert sind. Die Tagung bietet der rechtswissenschaftlichen Umweltforschung in ihrer ganzen Breite eine Plattform zur Darstellung, Diskussion und Vernetzung ihrer Ergebnisse, ein Forum, in dem neue Argumentationslinien, neue Ansätze oder neue Ideen zur Diskussion gestellt und in der Auseinandersetzung weiterentwickelt werden können. Die Konferenzsprache ist dabei – wie in der Rechtswissenschaft üblich – Deutsch.

Das Themenspektrum der diesjährigen Veranstaltung beschränkt sich dabei nicht nur auf juristische Fragen im engeren Sinne, sondern umfasst auch Fragen der Zukunft des Umweltrechts im föderalen Staat über Fragen der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie, der Bewertung von Gerüchen im Immissionsschutzrecht, Optionen des Rechtsschutzes für Nichtmenschen und Lebensgesamtheiten bis hin zum Gehalt des Wirtschaftlichkeitsgebotes im Erneuerbare-Energien-Gesetz.

Eines der Themen, die auf der Tagung diskutiert werden, ist das Spannungsfeld zwischen der Umweltforschung und dem Umweltrecht in Deutschland. Im Auftrag des Bundesforschungsministeriums läuft am UFZ ein Projekt, in dem Doreen Coder Wissenschaftler verschiedener Institutionen und Forschungsbereiche zur Anwendung des Rechts durch die Behörden befragt. Nahezu jeder Biologe braucht für seine Freilanduntersuchungen Genehmigungen von den zuständigen Behörden. Beispiel Schmetterlinge: Beim EU-Forschungsprojekt MacMan (www.macman.ufz.de) wird der Bestand der geschützten Ameisenbläulinge europaweit unter die Lupe genommen, da sie sensible Bioindikatoren sind und Veränderungen in der Landschaft gut anzeigen. Weil es sich wie bei fast allen Tagfaltern in Deutschland um besonders geschützte Arten handelt, sind Ausnahmegenehmigungen beispielsweise zum Fangen und Markieren, oder auch nur zur Geschlechtsbestimmung notwendig – und zwar auch dann wenn die Tiere nach der harmlosen Untersuchung wieder unversehrt frei gelassen werden sollen. Da geschützte Arten oft auch in Schutzgebieten vorkommen, in denen in der Regel ein Betretungsverbot herrscht, bedarf es zusätzlich auch dafür einer behördlichen Ausnahmegenehmigung. Je nach Bundesland sind für diese unterschiedliche Ämter zuständig. "Generell kann man sagen, dass ein guter Kontakt zu den Behörden für die Wissenschaftler enorm wichtig ist", erzählt Doreen Coder. "Da aber vor allem Naturschutzbehörden häufig ein großes Interesse an aktuellen Daten haben, kommen sie den Wissenschaftlern dann oft entgegen." Doch Biologen können manchmal auch ein Klagelied anstimmen über die Zeit, die vergeht bis solche Genehmigungen erteilt werden. Wenn das Frühjahr also verregnet ist und die Falter erst zwei Wochen später fliegen als erwartet, aber die Genehmigung bereits abgelaufen ist, dann hat der Wissenschaftler ein ernstes Planungsproblem. Wie soll er seine Diplom- oder Doktorarbeit abschließen ohne die nötigen Daten? Die nächste Gelegenheit kommt meist erst wieder im nächsten Jahr. "Die Frage ist also: Sind mehr Ausnahmebestimmungen nötig, braucht die Wissenschaft auch in diesem Bereich einfach mehr Privilegien? Zumindest eine definierte kurze Entscheidungsfrist für Anträge bei saisonabhängigen Forschungsvorhaben wäre wichtig", meint Doreen Coder. Vielleicht kann die Studie dazu beitragen, dass derartige Erkenntnisse in die Gesetzgebung einfließen und es Wissenschaftler künftig leichter haben, in Deutschland zu forschen.

Programm der Leipziger Plattform für rechtswissenschaftliche Umweltforschung:
www.ufz.de/index.php?de=5163

BMBF-Projekt "Restriktionen für die Umweltforschung durch das Umweltrecht – Bestandsaufnahme und Bewertung"
www.ufz.de/index.php?de=4700

Weitere Informationen über:

Dr. Herwig Unnerstall
Telefon: 0341-235-3174
www.ufz.de/index.php?de=1670

und

Dr. Randi Thum
Telefon: 0341-235-2768
www.ufz.de/index.php?de=1689

oder über

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ
Pressestelle
Tilo Arnhold / Doris Böhme
Telefon: +49 (0)341 235 2278
E-mail: presse@ufz.de