Pressemitteilung vom 14. August 2008

Trinkwasser des Gaza-Streifens stark mit Nitrat belastet

Dünger und Abwässer belasten das Wasser und gefährden die Gesundheit der Kleinkinder

Gaza/Leipzig. Palästinensische und deutsche Wissenschaftler haben den Behörden des Gaza-Streifens empfohlen, unverzüglich Maßnahmen gegen die überhöhten Nitratwerte im Trinkwasser zu unternehmen. 90 Prozent ihrer Wasserproben hätten Nitratkonzentrationen aufgewiesen, die zwei bis achtmal höher gewesen seien als der von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlene Grenzwert, schreiben Wissenschaftler der Universität Heidelberg und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) im Fachjournal Science of the Total Environment. Langfristig würde ein Qualitätsmanagement für die Grundwasserressourcen den größten Schutz bieten. Grundwasser ist für die Mehrheit der Bewohner des Gaza-Streifens die einzige Trinkwasserquelle. Nitrat kann bei Kleinkindern unter sechs Monaten zum Mangel an roten Blutkörpern, zu Durchfall und zur Übersäuerung führen. Deshalb empfiehlt die WHO, eine Konzentration von maximal 50 Milligramm pro Liter nicht zu überschreiten. Unveröffentlichten Untersuchungen zufolge hat bereits die Hälfte von 640 getesteten Kleinkindern Anzeichen des Mangels an roten Blutkörpern gezeigt. Die neue palästinensisch-deutsche Studie bestätigt frühere Wasseranalysen und gibt erstmals eine Quelle für die Belastung an. Mit Hilfe von Isotopenuntersuchungen konnten die Forscher nachweisen, dass die Nitratbelastung auf Dünger aus der Landwirtschaft und Abwässer zurückgeht.

Grundwasserbrunnen im Khan Younis Gebiet

Grundwasserbrunnen im Khan Younis Gebiet, Gaza.
Einer der Grundwasserbrunnen im Gazastreifen, der über das Monitoringprogramm im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojektes der Universität Heidelberg und der Regierungsbehörden von Gaza betrieben wird. Die Wasserproben werden sowohl in Gaza als auch Heidelberg auf Anionen, Kationen, Schwermetalle und organische Schadstoffe untersucht.
Foto: Environment and Information Center at Gaza Governorate, Gaza

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Getrockneter Klärschlamm aus einer Abwasserreinigungsanlage, Gaza

Getrockneter Klärschlamm aus einer Abwasserreinigungsanlage, Gaza, Mai 2007.
Es gibt in Gaza keine Aufbereitungsanlagen für Klärschlamm. Deshalb wird er an der Sonne getrocknet und anschließend auf Reststoffhalden deponiert. Der Schlamm wird in den Laboren der Universität Heidelberg untersucht um zu prüfen, ob er in der Landwirtschaft wieder genutzt werden kann.
Foto: Environment and Information Center at Gaza Governorate, Gaza

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Der Gaza-Streifen gehört mit über 2600 Menschen pro Quadratkilometern zu den am dichtesten besiedelten Gebieten der Erde. Die Bewohner des Gebietes zwischen Mittelmeer, Ägypten und Israel sind durch die Isolation auf Eigenversorgung angewiesen. Die Felder werden hauptsächlich mit Hühner- und Kuhmist gedüngt. Kunstdünger macht lediglich etwa ein Viertel aus. Aufgrund der Geologie und des semiariden Klimas können Verunreinigungen relativ leicht von der Oberfläche in den Grundwasserleiter sickern. Organischer Dünger und Abwässer sind die Hauptursache für die Nitratbelastung im Grundwasser, gefolgt von Klärschlamm und Kunstdünger. Das ergaben die Isotopenverhältnisse 15N/14N des Stickstoffs und 18O/16O des Sauerstoffs im untersuchten Nitrat. Isotope sind Variationen des gleichen chemischen Elementes, die sich durch eine unterschiedliche Anzahl an Neutronen im Atomkern unterscheiden. 18O und 15N sind stabile, also nicht radioaktive Isotope, die schwerer als der „normale“ Sauerstoff (16O) oder Stickstoff (14N) sind und dadurch per Massenspektrometer gemessen werden können. „Die niedrigeren Werte des Stickstoff-Isotopes 15N in Klärschlamm zeigen an, dass das Nitrat im Grundwasser von Gaza hauptsächlich auf Gülle als Dünger zurückzuführen ist“, erklärt Dr. Karsten Osenbrück vom UFZ. Zwischen 2001 und 2007 hatten die Wissenschaftler siebenmal Wasserproben aus 115 kommunalen und 50 privaten Brunnen genommen. Dabei stellten sie Nitratkonzentrationen zwischen 31 und 452 Milligramm pro Liter fest. In lediglich 10 von 115 untersuchten kommunalen Brunnen wurde ein Nitratgehalt unterhalb des Richtwertes der Weltgesundheitsorganisation WHO gefunden. Ähnlich dramatisch war die Situation bei den privaten Brunnen: Bis auf drei zeigten alle Brunnen Nitratwerte, die fünf- bis siebenmal über den WHO-Empfehlungen lagen.
Tilo Arnold

Publikationen:

Basem Shomar, Karsten Osenbrück, Alfred Yahya
Elevated nitrate levels in the groundwater of the Gaza Strip: Distribution and sources.
SCIENCE OF THE TOTAL ENVIRONMENT 398 (2008) 164-174
http://dx.doi.org/10.1016/j.scitotenv.2008.02.054
Die Untersuchungen wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Weitere fachliche Informationen:

Dr. Karsten Osenbrück
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0345-558-5207
http://www.ufz.de/index.php?de=697
und
Dr. Basem Shomar
Universität Heidelberg
Telefon: 06221-546 009
http://www.rzuser.uni-heidelberg.de

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