Pressemitteilung vom 19. März 2009
Forscher empfehlen eine ökonomische Sichtweise auf internationale Wasserkonflikte
Untersuchungen zu Konflikten und Kooperationen an grenzüberschreitenden Flüssen
Leipzig. Eine ökonomische Sichtweise könnte helfen, Kooperationsgewinne herbeizuführen und somit internationale Wasserkonflikte zu lösen. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) bei der Analyse verschiedener Wasserkonflikte. Allerdings setze die Realisierung von Kooperationsgewinnen bei Problemen mit Wasserknappheit und Wasserverschmutzung eine Einigung über Nutzungsrechte voraus und bleibe daher anspruchsvoll, schreiben die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachblattes Water Policy.

In der Tschechischen Republik sind zwischen 1990 und 2004 etwa 500 Millionen Euro in öffentliche Kläranlagen
investiert worden, in der Bundesrepublik sogar etwa 2,7 Milliarden Euro, wovon der Großteil in die Neuen Länder floss. Seitdem hat
sich die Wasserqualität der Elbe deutlich verbessert.
Foto: André Künzelmann/UFZ

Bewässerung im Jordantal mit Wasser aus dem Jordan
Foto: André Künzelmann/UFZ

Der Jordanfluss vor der Wasserentnahme.
Foto: André Künzelmann/UFZ
Eine Einigung über Nutzungsrechte biete dann eine Verhandlungsbasis, um über Kompensationszahlungen die Situation aller Beteiligten zu verbessern.
Den beteiligten Politikern empfehlen die Forscher außerdem zu prüfen, ob es wasserbauliche Maßnahmen geben könnte, die sowohl für Oberlieger
als auch für Unterlieger Vorteile bringen. So sei es beispielsweise bei den internationalen Verhandlungen zwischen Äthiopien, dem Sudan und
Ägypten um den Blauen Nil nützlich, dass in jüngster Zeit der Schwerpunkt vom Teilen der Wassermengen auf gemeinsame Staudammprojekte zur
Wasserkraftentwicklung und zum Hochwasserschutz gelenkt wurde.
Der UN-Weltwassertag findet seit 1993 jedes Jahr am 22. März statt. 2009 stehen unter dem Motto "geteiltes Wasser - geteilte Möglichkeiten"
grenzüberschreitende Gewässer im Mittelpunkt. Weltweit gibt es 263 internationalen Fluss- und Seengebiete, die nationale Grenzen
überschreiten und knapp die Hälfte der weltweiten Landfläche ausmachen.
Klimawandel und Bevölkerungswachstum sorgen dafür, dass vielerorts die verfügbaren Wasserressourcen einer zunehmenden Verknappung und Verschmutzung ausgesetzt sind. Diese Entwicklungen betreffen laut UN-Umweltprogramms UNEP von 2002 auch die internationalen Flussgebiete. Das Völkerrecht sieht zwar in der "UN-Konvention über das Recht der nicht-schifffahrtlichen Nutzung internationaler Wasserläufe" von 1997 das Prinzip einer gerechten Wasseraufteilung vor. Allerdings gibt es im internationalen System keine Instanz, die die Wasserrechte von Staaten definiert. Deshalb müssen die Anrainerstaaten sich selbst darüber einigen. Eine Bestandsaufnahme hat ergeben, dass in knapp der Hälfte der 263 internationalen Flussgebiete bislang Verträge zur grenzüberschreitenden Wassernutzung unterzeichnet wurden. In etwa einem Viertel gibt es zwischenstaatliche Kommissionen.
Positives Beispiel Elbe
Innerhalb weniger Monate wurde der Vertrag über die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe (IKSE) verhandelt und am 8. Oktober 1990 direkt im Anschluss an die deutsche Wiedervereinigung unterzeichnet. Zuvor waren die Verhandlungen zwischen der früheren BRD und DDR stets gescheitert. 1983 kam es zu ersten Verhandlungen, in denen die DDR Kompensationszahlungen für eine Minderung der Verschmutzung verlangte und somit eine klassische Oberanrainerposition vertrat. Darauf ging die Bundesrepublik nicht ein, da dies aber dem Verursacherprinzip widersprochen hätte. Bei einem zweiten Versuch machte die DDR-Führung die Verbesserung der Wasserqualität zusätzlich von einer Veränderung des Grenzverlaufs abhängig. Auch diese Forderung lehnte die Bundesrepublik ab. Sowohl die Tschechische Republik als Oberanrainer als auch die Bundesrepublik Deutschland als Unteranrainer haben nach 1990 stark in die Verbesserung der Wasserqualität investiert: So wurden in der Tschechischen Republik zwischen 1990 und 2004 auf etwa 500 Millionen Euro in öffentliche Kläranlagen investiert, in der Bundesrepublik sogar etwa 2,7 Milliarden Euro, wovon der Großteil in die Neuen Länder floss. "Insofern haben hier beide Staaten kooperiert und sind über eigennutzorientiertes Verhalten im engen Sinne hinausgegangen, indem sie das Verursacherprinzip und somit das Prinzip der eingeschränkten territorialen Souveränität anerkannt haben", erläutert Dr. Ines Dombrowsky vom UFZ. "Insgesamt zeigt dieses Beispiel, dass übergeordnete politische Interessen eine wichtige Rolle im Hinblick auf Konflikt und Kooperation spielen können." Anfang der 90er Jahre stand die Tschechische Republik kurz vor der Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der EU und hatte daher ein großes Interesse an einer einvernehmlichen Lösung.
Negatives Beispiel: Jordan
Seit Anfang der 1950er Jahre spitzte sich die Frage der Wassernutzung zwischen Israel und Jordanien zu, da beide konkurrierende
Wasserentwicklungsprojekte verfolgten. Der unterschiedliche Zugang zu Wasser zeigt sich auch im durchschnittlichen Pro-Kopf-Wasserverbrauch.
1994 lag dieser bei etwa 360 Kubikmetern in Israel und 220 in Jordanien. Im Rahmen des israelisch-jordanischen Friedensvertrages von 1994
wurden letztlich im Wesentlichen die israelischen Wassernutzungen festgeschrieben und Projekte zur Mobilisierung von zusätzlichem Wasser für
Jordanien identifiziert. 1997 drohte Jordanien in einer Dürrekrise mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Daraufhin erklärte sich
Israel bereit, für drei Jahre die Hälfte der ursprünglich geplanten 50 Millionen Kubikmeter pro Jahr aus dem See Genezareth zur Verfügung zu
stellen und danach das zugesagte Wasser durch eine andere Lösung bereitzustellen. Da aber bislang keine Einigung über eine alternative Art
der Bereitstellung erfolgt ist, wird dieser Transfer fortgesetzt. Allerdings ist Israel weiter daran interessiert, eine Alternative zu finden.
"Auch das Beispiel Israel-Jordanien spiegelt somit das Spannungsverhältnis zwischen Konflikt und Kooperation wider. Grundsätzlich hat Israel
eine typische Oberanrainerposition vertreten, während Jordanien eine gerechte und billige Nutzung im Sinne einer eingeschränkten territorialen
Souveränität eingefordert hat", erklärt Ines Dombrowsky. "Tatsächlich ist es in diesem Fall zu keiner nennenswerten Umverteilung der
Wassernutzungsrechte gekommen, wobei Israel auf erhöhten diplomatischen Druck hin aus seiner Sicht Zugeständnisse gemacht hat, die allerdings
sogar hinter den vertraglichen Vereinbarungen zurückbleiben. Gleichzeitig ist es aber auch zu keiner effizienten Verhandlungslösung gekommen.
Es ist zu vermuten, dass Seitenzahlungen in Jordanien innenpolitisch nicht vertretbar gewesen wären, da sie eine Sanktionierung der israelischen
Position impliziert hätte." Eine erfolgreiche Kooperation an einem grenzüberschreitenden Fluss setzt also nicht nur eine ökonomische
Sichtweise, sondern auch oft viel an politischem Willen voraus.
Tilo Arnhold
Weitere Informationen:
Dr. Ines Dombrowsky
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0341-235-1846
Dr. Ines Dombrowsky
oder über
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Pressestelle
Tilo Arnhold
Telefon: (0341) 235 1269
presse@ufz.de
Publikationen:
Dombrowsky, Ines (2009):
Revisiting the potential for benefit-sharing in the management of trans-boundary rivers
Water Policy 11 (2), 125-140
http://dx.doi.org/10.2166/wp.2009.020
Dombrowsky, Ines (2008):
Konflikt und Kooperation an grenzüberschreitenden Flüssen
In: Franzke, J. (Hrsg.): Wasser. Zukunftsressource zwischen Menschenrecht und Wirtschaftsgut, Konflikt und Kooperation. Reihe Internationale Probleme und Perspektiven 17.
Brandenburgische Landeszentrale für Politische Bildung, Potsdam, S. 57-69
opus.kobv.de/ubp/volltexte/2008/2325/pdf/WT_57_2007_53_64.pdf
Dombrowsky, Ines (2008):
Institutional design and regime effectiveness in transboundary river management - the Elbe water quality regime
Hydrol.Earth.Syst.Sc. 12 (1), 223-238
www.hydrol-earth-syst-sci.net/12/223/2008
Dombrowsky, Ines (2008):
Integration in the Management of International Waters: Economic Perspectives on a Global Policy Discourse
Global Governance 14: 455-477.
Dombrowsky, Ines (2007):
Conflict, cooperation and institutions in international water management. An economic analysis
Edward Elgar, Cheltenham, 376 S.
www.e-elgar.co.uk/Bookentry_DESCRIPTION.lasso?id=12751
Dombrowsky, Ines (2003), Internationaler Weltwassertag der Vereinten Nationen: UN-Dekade "Water for Life": Internationale Wasserforschungsallianz Sachsen (IWAS): Management von Wasserressourcen in hydrologisch sensitiven Weltregionen: Projekt Wasser 2050: NEWATER - New Approchaes to Adaptive Water Management under Uncertainty:
Water Accords in the Middle East Peace Process: Moving towards Co-operation? In Security and the Environment in the Mediterranean. Conceptualising Security and Environmental Conflicts, eds. Brauch, H., A. Marquina, M. Selim, P. Liotta and P. Rogers: 729-744. Berlin: Springer-Verlag.
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Weiterführende Links:
www.unwater.org/worldwaterday
www.un.org/waterforlifedecade
www.iwas-sachsen.ufz.de
www.wasser2050.de
www.newater.info