Pressemitteilung vom 13. Juli 2010

Öko kommt in der Mitte an: Biodiversität inzwischen auf der Tagesordnung der Firmen

London, 13. Juli 2010. Firmen mit "Net Positive Impact" auf die Biologische Vielfalt sind die Gewinner in einer Welt der begrenzten Ressourcen. Jeder vierte Geschäftsführer internationaler Firmen sieht im Rückgang der Artenvielfalt ein strategisches Problem für das Wirtschaftswachstum. Lateinamerikanische und Afrikanische Geschäftsführer sind am meisten besorgt über die Auswirkungen des Artenrückganges auf die Wachstumsperspektiven - Europäische Geschäftsführer am wenigsten, so der Business-Report der TEEB-Studie.

Fische im Netz

Neben der Fischerei sind auch andere Wirtschaftsbereiche auf gesunde Ökosysteme angewiesen. Beispiele sind die Land- und Forstwirtschaft sowie häufig der Tourismus.
Foto: André Künzelmann/UFZ

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Geschäftsführer in artenreichen Volkswirtschaften von Entwicklungs- und Schwellenländern sind besorgt über den Rückgang an "natürlichem Kapital", das geht aus einen neuen Bericht hervor, der am Dienstag veröffentlicht wurde (The Economics of Ecosystems and Biodiversity (TEEB) for Business Report). Rund 50 Prozent der befragten Firmenchefs in Lateinamerika und 45 Prozent in Afrika sehen im Rückgang der Biodiversität eine Gefahr für das Wirtschaftswachstum. Diese Bedenken teilen jedoch weniger als 20 Prozent ihrer Kollegen in Westeuropa. Die Ergebnisse, die in der TEEB-Studie (The Economics of Ecosystems and Biodiversity) zusammengefasst wurden, zeigen, dass jene Firmenchefs, die es nicht schaffen, ein nachhaltiges Management der Biodiversität zu einem Teil ihrer Geschäftspolitik zu machen, zunehmend zu Außenseitern werden könnten.

Die Autoren des "TEEB for Business"-Reports verweisen in ihrem Bericht zudem auf eine andere, kürzlich erschienene Studie. Diese hat gezeigt, dass unter den Konsumenten das Interesse an der Thematik steigt: Über 60 Prozent in Nordamerika und Europa sowie über 90 Prozent in Brasilien sind über den Rückgang der Artenvielfalt besorgt. Über 80 Prozent der befragten Konsumenten sagten, dass sie keine Produkte von Firmen kaufen wollen, die nicht auf ethische Aspekte bei der Beschaffung ihrer Ausgangsprodukte achten.

Der "TEEB for Business"-Report zeigt, dass eine genaue Überprüfung des Finanzkapitals von Firmen und seiner Auswirkungen auf das "natürliche Kapital" wahrscheinlich zu besseren Bewertungs- und Bemessungsmethoden führen wird. Die britische Unternehmensberatung TruCost erstellt im Namen der "UN-Prinzipien für verantwortliches Investment" eine Studie zu den Aktivitäten der Top 3000 Unternehmen der Welt, deren negativer Effekt auf die Umwelt auf insgesamt 2,2 Billionen US-Dollar pro Jahr geschätzt wird. "Durch die Arbeit von TEEB und anderen wird die ökonomische Bedeutung der Biodiversität mehr und mehr sichtbar", so Pavan Sukhdev, der Leiter der TEEB-Studie und der Green-Economy-Initaitive der UNEP. "Es ist daher nahe liegend, dass Unternehmen in verschiedenen Bereichen auf unterschiedlichen Kontinenten die Botschaft zunehmend verstehen und handeln, um eine nachhaltigere Wirtschaft des 21. Jahrhunderts aufzubauen."

Der heutige "TEEB for Business"-Bericht sowie weitere, die im UN-Jahr der Biodiversität veröffentlicht wurden, rufen Unternehmen auf, Umwelt-Konzepte wie "No Net Loss", "Ecological Neutrality" und schließlich "Net Positive Impact" umzusetzen. "Wir treten in eine Epoche, wo die Billionen-Dollar-Verluste an natürlichen Ressourcen beginnen, die Märkte zu prägen und die Konsumenten zu beängstigen. In einer Welt, deren Bevölkerung bis 2050 von sechs auf neun Milliarden Menschen wachsen wird, wird der Umgang mit Biodiversitätsrisiken für das Profil und die Rentabilität von Unternehmen immer mehr an Bedeutung gewinnen", betont Achim Steiner, Direktor des UN-Umweltprogrammes UNEP, das die TEEB-Studie in Auftrag gegeben hat.

Julia Marton-Lefevre, Mitglied des TEEB-Beirates und Generaldirektorin der Internationalen Naturschutzunion IUCN, rief Unternehmen auf, am "1st Global Business for Biodiversity Symposium" am 13. Juli 2010 im Excel Centre in London teilzunehmen, um die Ideen des Reports aufzugreifen. "Gemeinsam können Regierungen und Unternehmen, sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern, eine Führungsrolle beim Aufbau von Netzwerken engagierter Unternehmen aus allen Bereichen einnehmen mit dem Ziel, einen "Positiven Netto-Einfluss" auf die Biodiversität und die Ökosystemdienstleistungen zu erreichen." Der Bericht führt als Beispiel den internationalen Bergbaukonzern Rio Tinto auf als ein Unternehmen, das sich selbst zum Ziel gesetzt hat, einen "Positiven Netto-Einfluss" auf die Biodiversität zu erreichen. Zusammen mit führenden Naturschutzexperten geht das Unternehmen neue Wege bei der Bewertung der Biodiversität der Firmengelände und hat begonnen, biologische Kompensationen oder "Offset-Methoden" in Madagaskar, Australien und Nordamerika zu schaffen. Zu anderen Unternehmen mit vergleichbaren Zielen zählen Walmart (Initiative "Äcker für Amerika"), Coca Cola (wasserneutral bis 2020) und BC Hydro (kein Netto-Zuwachs des ökologischen Einflusses).

Zusätzlich zur Minimierung und Vermeidung negativer Auswirkungen kann die Wirtschaft auch Einkünfte aus Naturschutz und Ökosystemdienstleistungen schaffen. Landwirtschaft, Forst und Fischfang sind auf gesunde Ökosysteme angewiesen. Der Tourismus spielt eine wesentliche Rolle beim Schutz der biologischen Vielfalt. Vor diesem Hintergrund hat die Chumbe Island Coral Park Ltd. in Tansania über 1,2 Millionen US-Dollar in den Aufbau eines Meeresparks investiert, um die Korallen rund um Chumbe Island zu schützen. Das Unternehmen unterstützt damit sowohl aktiv das Parkmanagement als auch die Freizeitanlagen.

Der "TEEB for Business"-Report, der als Teil des TEEB-Endberichtes auf dem Treffen der Konvention zur Biologischen Vielfalt (CBD) im Oktober 2010 im japanischen Nagoya vorgestellt wird, ruft die Verbände auf, neue Bilanzierungs- und Berichtsmethoden für die Wirtschaft zu entwickeln. Die Möglichkeiten zur Messung und Bewertung von Biodiversität und Ökoystemdienstleistungen haben sich weiterentwickelt. Daher empfiehlt der Report, dass Statistiker und Accounting-Experten verstärkte Anstrengungen unternehmen sollten, um gemeinsame Standards und Maßstäbe für die Beurteilung der Auswirkungen von Firmen auf die biologische Vielfalt zu entwickeln und diese in die Geschäftsberichte der Firmen einfließen zu lassen. "Eine bessere Bilanzierung der positiven und negativen Auswirkungen der Wirtschaft auf die Biodiversität ist entscheidend, um Veränderungen bei Investitionen und im laufenden Geschäftsbetrieb anzuregen", unterstreicht Joshua Bishop, Koordinator des "TEEB for Business"-Berichts und Chefökonom der IUCN. Clevere Unternehmensführer verstehen, dass die Integration der Ökosystemdienstleistungen in ihre Wertschöpfungskette deutliche Kostenersparnisse und neue Erträge schaffen kann wie zum Beispiel durch ein verbessertes Image oder günstigere Lizenzen." In einem anderen kürzlich veröffentlichen Bericht des Weltwirtschaftsrates für Nachhaltige Entwicklung haben die Wirtschaftsführer ihre Vision einer nachhaltigen Zukunft zum Ausdruck gebracht - einschließlich von "Preisen, die alle externen Effekte samt Kosten und Nutzen widerspiegeln" (WBCSD Vision 2050). Schritte in diese Richtung sind bereits unternommen worden. Das beweist das Wachsen der Märkte für Biodiversität und Ökodienstleistungen. Marktdaten von "Forest Trends" und "Ecosystem Marketplace" zeigen:

  • Der Markt für Bio- und Ökolandbau wurde 2008 mit 40 Milliarden US-Dollar beziffert und könnte bis 2020 auf bis zu 210 Milliarden US-Dollar anwachsen.
  • Innovative Ausgleichsmaßnahmen wie das "Wetland Mitigation Banking" in den USA oder "Bio-Banking" in Australien werden Prognosen zufolge von 3 Milliarden in 2008 auf 10 Milliarden US-Dollar in 2020 anwachsen.
  • Kohlenstoff- und Waldausgleichsmaßnahmen einschließlich REDD werden Prognosen zufolge von 21 Millionen in 2006 auf 10 Milliarden US-Dollar in 2020 anwachsen.

Bereits heute kann die Wirtschaft ihre Führungsrolle bei Ökosystemdienstleistungen zeigen durch:

  1. Analyse der eigenen Auswirkungen und Abhängigkeiten von Ökosystemen
  2. Bewerten der Geschäftsrisiken und -chancen die damit zusammenhängen
  3. Entwickeln von Informationssystemen, Zielen und Berichterstattung für Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen (kurz BES - Biodiversity and Ecosystem Services)
  4. Maßnahmen zur Vermeidung, Minimierung und Ausgleichen von BES-Risiken
  5. Ergreifen der wachsenden BES-Geschäftschancen
  6. Integration von BES-Maßnahmen und Maßnahmen zur sozialen Verantwortung des Unternehmens
  7. Engagement mit anderen Geschäftsleuten und Entscheidungsträgern für eine Verbesserung der Richtlinien und Unternehmenspolitiken

Der "TEEB for Business"-Bericht wird veröffentlicht auf dem "1st Global Business for Biodiversity Symposium" am 13. Juli 2010 im Excel Center in London:
www.businessofbiodiversity.co.uk

Hinweise für Redaktionen:
Der "TEEB for Business"-Bericht ist verfügbar unter www.teebweb.org

Zu den Autoren und Redakteuren des "TEEB for Business"-Reports gehören Mitarbeiter von: Business for Social Responsibility (BSR), Earthmind, Global Reporting Initiative (GRI), PricewaterhouseCoopers (PwC), der Internationalen Naturschutzunion (IUCN), des UN-Umweltprogrammes UNEP und des Weltwirtschaftsrates für Nachhaltige Entwicklung (WBCSD).

Die Befragung der Geschäftsführer und ihrer Einstellung zum Rückgang der Artenvielfalt wurde von Price Waterhouse Coopers durchgeführt.

Die Befragung der Kosumenteneinstellungen zu Biodiversität und Wirtschaft wurde vom Marktstudienunternehmen IPSOS durchgeführt.

Die TEEB-Studie wird vom UN-Umweltprogramm UNEP betreut und wird unterstützt von der Europäischen Kommission, dem Deutschen Bundesumweltministerium, dem Britischen Umweltministerium, dem Britischen Entwicklungsministerium, dem Norwegischen Außenministerium, dem Niederländischen ministerienübergreifenden Biodiversitätsprogramm und der Schwedischen Kooperationsagentur für internationale Entwicklung. Die wissenschaftliche Koordination erfolgt am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig.

Weitere Informationen auf Englisch unter:

Georgina Langdale, Communications, TEEB
Tel: +49 1707 617 138
Georgina.langdale@unep-teeb.org

Brian Thomson, Media Relations and Campaigns, IUCN
Tel: + 41 22 999 0251
Mobile: +41 79 721 8326
Brian.Thomson@iucn.org

Nick Nuttall, UNEP Spokesperson/Head of Media
Tel: +254 733 632755
nick.nuttall@unep.org

Weitere Informationen auf Deutsch unter:

Dr. Carsten Neßhöver
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Tel. 0341-235-1649
Dr. Carsten Neßhöver

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Pressestelle
Tilo Arnhold
Telefon: (0341) 235 1269
presse@ufz.de

Links

"No Net Loss":
www.ers.usda.gov/publications/agoutlook/jun1998/ao252e.pdf

"Net Positive Impact (NPI)" & Rio Tinto:
www.riotintomadagascar.com/english/bioImpacts.asp
www.iucn.org/knowledge/?5622
green.blogs.nytimes.com

Chumbe Island Coral Park Ltd.:
www.chumbeisland.com/de/index.html

Walmart & "Acres for America":
www.nfwf.org/AM/

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg über 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

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