Pressemitteilung vom 4. November 2013

Gutachten zur Weiterentwicklung der Abwasserabgabe vorgelegt

Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes prüft alternative Reformszenarien und spricht sich für eine moderate Stärkung der Lenkungsfunktion aus

Leipzig. Die Abwasserabgabe leistet als ökonomischer Hebel unverzichtbare Beiträge zum Gewässerschutz. Sie sollte daher beibehalten, aber effektiver gestaltet und an veränderte Anforderungen und Bedingungen angepasst werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und der Universität Leipzig im Auftrag des Umweltbundesamtes. Die Untersuchung zeigt hierzu unterschiedliche Gestaltungsoptionen auf.

Klärwerk Rosental, Foto: Kommunale Wasserwerke Leipzig

Klärwerk Rosental. Hier werden täglich die Abwässer von über 500.000 Leipzigern gereinigt.
Foto: Kommunale Wasserwerke Leipzig

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Die Abwasserabgabe wird seit 1981 erhoben. Die letzte Novellierung des Abwasserabgabengesetzes liegt fast 20 Jahre zurück. Seither haben sich die technischen, rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen verändert. Diese Entwicklungen geben Anlass zu einer grundlegenden Überprüfung des Instruments. Deshalb hat das Umweltbundesamt (UBA) das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und das Institut für Infrastruktur und Ressourcenmanagement (IIRM) der Universität Leipzig beauftragt, verschiedene Alternativen zu prüfen und konzeptionelle Vorschläge für eine Weiterentwicklung der Abwasserabgabe vorzulegen.

Der vorläufige Abschlussbericht liegt nunmehr vor und zeigt auf, dass sich die Abwasserabgabe als ökonomisches Anreizinstrument in der vorsorgenden Gewässergütepolitik im Verbund mit dem Wasserordnungsrecht grundsätzlich bewährt hat. Die Abgabe sollte daher erhalten und in ihrer Lenkungswirkung gestärkt werden. Dafür sprechen auch die Vorgaben des europäischen Rechts aus der Wasserrahmenrichtlinie. „Dieser Anreiz kann nur durch eine das Ordnungsrecht ergänzende Abgabe bereitgestellt werden“ ist eine Kernaussage des Gutachtens. Ganz im Sinne des umfassenden Kostendeckungsgrundsatzes der europäischen Wasserrahmenrichtlinie, der eine Berücksichtigung von Umwelt- und Ressourcenkosten verlangt, trägt die Abwasserabgabe dazu bei, dass schädliche Einleitungen in unsere Gewässer einen Preis erhalten. Dieser zeigt die gesellschaftlichen Folgekosten der Verschmutzung an und wirkt auch dann über Markt- und Innovationseffekte langfristig lenkend, wenn kurzfristige Maßnahmen (noch) nicht wirtschaftlich sind. „Von einer Erschöpfung des ökonomischen Lenkungszwecks kann daher gar keine Rede sein“, widerspricht Professor Erik Gawel, der das Forschungsprojekt geleitet hat, einer oftmals geäußerten Kritik, „dieser muss aber wieder klarer zum Ausdruck kommen. Das Bekenntnis zu marktwirtschaftlichem Umweltschutz und zu kosteneffizienter Zielerfüllung in der Wasserwirtschaft bedeutet zugleich ein Bekenntnis zu einer spürbaren Zahllast auf die Nutzung einer Wasserressource. Dieser Anreiz kann nur durch eine Abgabe bereitgestellt werden. Die Abgabe trägt aber auch durch Unterstützung des Verwaltungsvollzugs dazu bei, die Gewässerschutzziele zu erreichen und das erreichte Niveau zu sichern.“

Das Gutachten entwickelt und prüft drei verschiedene Szenarien einer Weiterentwicklung der Abwasserabgabe. Die drei Szenarien unterscheiden sich in der jeweiligen Gewichtung der Ziele Lenkungsertüchtigung, Vollzugsunterstützung des Wasserrechts und Verwaltungsvereinfachung. Auf diese Weise sollen die bisher vielfach kritisierten konzeptionellen Brüche im Gesetz verringert werden und eine möglichst stimmige Neuausrichtung gelingen. Prüfmaßstäbe sind neben der Kosteneffizienz u. a. auch die ausgelösten Belastungen für die Abgabepflichtigen. Die Gutachter sprechen sich aufgrund der vergleichenden Analyse der Szenarien klar für eine moderate Lenkungsertüchtigung aus. Diese entspreche in besonderer Weise dem Profil einer lenkenden Abgabe und könne die von ihr erwarteten Kosteneffizienz- und Innovationsleistungen am besten sicherstellen. „Bestehende Mängel der Abwasserabgabe geben Veranlassung zu ihrer Ertüchtigung, nicht zu ihrer Abschaffung“, stellt das Gutachten klar. Im Rahmen der Reformszenarien wird u. a. die Aufnahme relevanter neuer Schadstoffe, die Ausrichtung der Abgabe an den gemessenen Einleitungen (sog. Messlösung), die Anpassung der Abgabesätze an die Inflation, die Reduzierung von Ausnahme- und Verrechnungsmöglichkeiten, aber auch die Deckelung von Strafzuschlägen als Optionen für eine verbesserte Wirksamkeit bei der Zielerfüllung geprüft. Auch für die pauschalierten Abgaben für Niederschlagswasser und Kleineinleitungen entwickelt das Gutachten Reformvorschläge. Von einer Indirekteinleiterabgabe raten die Gutachter gegenwärtig ab.

„Die Studie dient nicht dazu, das Aufkommen aus der Abgabe gezielt zu erhöhen“, stellt Bettina Rechenberg vom Umweltbundesamt klar. Be- und entlastende Reformelemente werden gleichermaßen geprüft und in Beispielrechnungen konkret belegt. Im Vordergrund steht vielmehr der Anspruch, das Gesetz in sich schlüssiger zu gestalten, um so auch mehr Akzeptanz zu gewinnen. „Die Studie legt ein hervorragendes Fundament für eine dringend notwendige Versachlichung der Debatte über die künftige Ausgestaltung der Abgabe“, betont Fritz Holzwarth, zuständiger Unterabteilungsleiter im Bundesumweltministerium.

Die vorläufigen Ergebnisse der Studie werden am 11. November 2013 mit über 100 Teilnehmern aus Bundes- und Landesministerien, Abwasser- und Umweltverbänden, Behörden, Kommunen und wissenschaftlichen Einrichtungen in Leipzig diskutiert.

Gutachten (Kurz- und Langfassung):

Langfassung
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Kurzfassung
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Weitere fachliche Informationen:

Prof. Dr. Erik Gawel
Department Ökonomie
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0341-235-1255
http://www.ufz.de/index.php?de=17273

und

Professur für VWL, insbes. Institutionenökonomische Umweltforschung, Universität Leipzig
http://www.wifa.uni-leipzig.de/de/iirm/umweltforschung.html

oder über

Tilo Arnhold / Susanne Hufe (UFZ-Pressestelle)
Telefon: 0341-235-1630
presse@ufz.de

Weiterführende Links:

Aktuelles UBA-Projekt (2012/2013): “Praktische Ausgestaltung einer fortzuentwickelnden Abwasserabgabe sowie mögliche Inhalte einer Regelung”
http://www.ufz.de/index.php?de=30271

Vorangegangenes UBA-Projekt (2009-2011): "Weiterentwicklung von Abwasserabgabe und Wasserentnahmeentgelten zu einer umfassenden Wassernutzungsabgabe"
http://www.ufz.de/index.php?de=19085

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg über 1.100 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit fast 34.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 18 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 3,8 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).