Pressemitteilung vom 20. Januar 2014

Natürliche Feinde könnten Amphibienkrankheit in Schach halten

Neue Erkenntnisse zum tödlichen Chytrid-Pilz wecken Hoffnung

Leipzig. Ein internationales Forscherteam hat einen wichtigen Schritt getan, um die Verbreitung des für Amphibien tödlichen Chytridpilzes verstehen und bekämpfen zu können. Die Wirkung der Pilzsporen wird offenbar in einigen Regionen von winzigen Räubern verhindert. Diese Mikroorganismen im Wasser blockieren oder schwächen die Ausbreitung der Amphibienseuche, in dem sie jene Pilzsporen konsumieren, die sonst die Amphibien infizieren und die berüchtigte Pilzerkrankung Chytridiomykose auslösen. Dieses natürliche Verhalten reduziert den Infektionsdruck, schreiben die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe des renommierten Fachmagazins Current Biology. Die neuen Erkenntnisse geben Hoffnung, die Chytridiomykose, die zu den tödlichsten Tierseuchen unserer Zeit zählt, in Zukunft bekämpfen zu können.

Ibón de l'Acherito in den spanischen Pyrenäen.

Ibón de l'Acherito in den spanischen Pyrenäen.Hier entnahmen die Wissenschaftler Wasserproben, um die Ursachen für die unterschiedliche Ausbreitung der Bd-Seuche herauszufinden. Der See liegt auf etwa 1900 Metern im Westen der Pyrenäen und ist sehr artenreich.
Foto: Dirk S. Schmeller/UFZ

Zoom

Geburtshelferkröte (<i>Alytes obstetricans</i>) in den Pyrenäen.

Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) in den Pyrenäen. Dass einige Populationen trotz Infektion mit dem Chytridpilz überlebten, brachte die Wissenschaftler auf die Spur, die Interaktion zwischen Zoosporen und Mikroorganismen näher zu untersuchen.
Foto: Dirk S. Schmeller/UFZ

Zoom

Die gesamte Gruppe der Amphibien wird zurzeit von einer weltweiten Pandemie heimgesucht, die das Aussterben massiv beschleunigt. Auch wenn der durch den Menschen verursachte Verlust von Lebensräumen die Hauptursache ist, so ist der Schutz der Lebensräume inzwischen keine Garantie mehr für das Überleben der Amphibien. Eingeschleppte Infektionskrankheiten bedrohen mittlerweile selbst scheinbar abgelegene Lebensräume. “Der Rückgang der Amphibienpopulationen ist eine Katastrophe für die Ökosysteme weltweit“, sagt Dr. Dirk S. Schmeller vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und dem ECOLAB des französischen Centre national de la recherche scientifique (CNRS), denn Amphibien spielen eine Schlüsselrolle in Süßwasser-Ökosystemen. Die verheerendste bekannte Amphibienseuche ist die so genannte Chytridiomykose, die von einem tödlichen Chytridpilz (Batrachochytrium dendrobatidis, kurz Bd genannt) hervorgerufen wird. Der Pilz befällt die Haut, die für die Amphibien von besonderer Bedeutung ist, da sie über die Haut atmen. „Bd hat, um sich in einer neuen Umgebung zu etablieren, gewöhnlich nur ein kurzes Zeitfenster, um potenzielle Wirtstiere wie erwachsene Amphibien, deren Kaulquappen und Larven zu infizieren“, erklärt Prof. Frank Pasmans von der Universität Gent. Wenn sich Bd erfolgreich etabliert, steigt die Infektionsrate in einer Population stetig an und ab einem bestimmten Schwellenwert sterben immer mehr Amphibien bis hin zur lokalen Ausrottung. Auf diese Weise sind bereits viele Arten verschwunden – vor allem in Mittelamerika.

Dieses Worst-Case-Szenario tritt jedoch nicht bei allen befallenen Populationen auf. Das zeigen Untersuchungen einer Krötenart, der Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans), in den Pyrenäen, dem Hauptuntersuchungsgebiet des BiodivERsA-Projektes RACE. Aufgrund dieser Beobachtungen begannen die Wissenschaftler vor drei Jahren mit einer Reihe von Experimenten, die die Unterschiede dieses Musters erklären sollten. Bei der näheren Betrachtung der Lebensräume der Amphibien stellten sie sehr große Unterschiede zwischen stark infizierten Seen und weniger stark infizierten Seen fest – sowohl im Hinblick auf die Vegetation als auch die Geologie. „Wir sahen bei der Untersuchung von Wasserproben deutliche Unterschiede im Hinblick auf die Entwicklung des Krankheitserregers“, berichtet Dirk S. Schmeller. Eine Serie von zusätzlichen Experimenten bestätigte anschließend im Detail, dass in den weniger stark infizierten Seen winzige Wasserräuber wie Protozoen und Rädertierchen große Mengen der Zoosporen des Bd-Pilzes vertilgen. „Der Hunger dieser winzigen Räuber lässt den Infektionsdruck für die gesamte Population sinken, weil weniger Kaulquappen infiziert werden“, erläutert Dr. Mark Blooi von der Universität Gent.

Im Gegensatz dazu fanden die Wissenschaftler in Gewässern ohne eine reichhaltige Gemeinschaft an winzigen Räubern hohe Infektionsraten, die für den Zusammenbruch der Amphibienpopulation sorgen können. Dr. Adeline Loyau vom UFZ und dem CNRS-ECOLAB ergänzt: „Die große Frage ist nun: Können wir durch Beeinflussen dieser Gemeinschaften die Auswirkungen der Chytridiomykose lindern? Dann könnte dies eine realistische Perspektive zum Erhalt der Amphibien vor Ort in den infizierten Regionen weltweit bieten.“ Die Arbeiten, die von einem internationalen Team durchgeführt und vom BiodivERsA-Projekt RACE finanziert wurden, wecken die Hoffnung auf effektive biologische Bekämpfungsmethoden. Dazu könnte die Vielfalt der mikrobiellen Gemeinschaften gezielt gestärkt werden, in dem Proben aus den Seen vor Ort genommen, die Feinde des Chytridpilzes im Labor vermehrt und anschließend dort wieder ausgesetzt werden. So könnte der Chytridpilz auf natürliche Weise bekämpft werden, ohne den Einsatz von Chemikalien oder gebietsfremden Bakterien.

Publikation

Dirk S. Schmeller, Mark Blooi, An Martel, Trenton W.J. Garner, Matthew C. Fisher, Frédéric Azemar, Frances C. Clare, Camille Leclerc, Lea Jäger, Michelle Guevara-Nieto, Adeline Loyau, Frank Pasmans: Microscopic Aquatic Predators Strongly Affect Infection Dynamics of a Globally Emerged Pathogen. Current Biology 2014.
http://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2013.11.032
Die Untersuchungen wurden durch das Era-Net Netzwerk "BiodivERsA" und das EU-Projekt RACE (Risk Assessment of Chytridiomycosis to European Amphibian Diversity) gefördert. Kofinanziert wurden sie von der Royal Zoological Society of Antwerp.

Weitere Informationen:

Dr. Dirk S. Schmeller / Dr. Adeline Loyau
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0341-235-3282
http://www.ufz.de/index.php?de=12786

und

Prof. Dr. F. Pasmans/ Dr. Mark Blooi
Ghent University, Belgium
http://www.ugent.be/di/di05/nl/onderzoek/pasmans

sowie

Prof. Matthew C. Fisher
Imperial College London, Department of Infectious Disease Epidemiology
http://www.imperial.ac.uk/AP/faces/pages/read/Home.jsp?person=matthew.fisher&_adf.ctrl-state=13mmh79062_3&_afrRedirect=1723620239594000

und

Dr .Trenton W J Garner
Institute of Zoology, Zoological Society of London
http://www.zsl.org/science/ioz-staff-students/garner,1093,AR.html

oder über

Tilo Arnhold / Susanne Hufe (UFZ-Pressestelle)
Telefon: 0341-235-1630
presse@ufz.de

Weiterführende Links:

RACE (Risk Assessment of Chytridiomycosis to European Amphibian Biodiversity):
https://www.bd-maps.eu/
https://www.bd-maps.eu/docs/race_factsheet.pdf

Tierseuchen bedrohen Europas Artenvielfalt. Empfehlungen des Projektes RACE für die Politik, veröffentlicht auf den Webseiten der Weltnaturschutzunion IUCN:
http://iucn.org/about/union/secretariat/offices/europe/?13819/Wildlife-diseases-threaten-Europes-biodiversity

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg über 1.100 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit fast 35.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 18 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 3,8 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).