Details zur Publikation

Kategorie Textpublikation
Referenztyp Buchkapitel
URL https://feldherpetologie.de/die-buchreihe-mertensiella/mertensiella-band-25-studies-on-anomalies-in-natural-populations-of-amphibians/
Titel (primär) The Roßwag affair: history and controversy of the discovery of mass anomalies in the green toad (Bufotes viridis) in a German quarry
Titel (sekundär) Studies on anomalies in natural populations of amphibians = Untersuchungen zu Anomalien in natürlichen Populationen von Amphibien
Autor Henle, K.; Rimpp, K.; Margraf, J.
Herausgeber Henle, K.; Dubois, A.
Quelle Mertensiella
Erscheinungsjahr 2017
Department NSF
Band/Volume 25 (Suppl. zu Salamandra)
Seite von 165
Seite bis 184
Sprache englisch
Keywords Anura: Bufotes viridis; chronology; environmental politics; hazard management; mass anomalies; radioactivity; science & truth; wildlife hazard; Wechselkröte; Chronologie; Gefahrenmanagement; massenhafte Missbildungen; Radioaktivität; Umweltpolitik; Wissenschaft & Wahrheit
UFZ Querschnittsthemen RU1;
UFZ Bestand Leipzig, Bibliothek, Hauptlesesaal, 00521048, 17-0740 DK: 597.6 Stu
Abstract Increased rates of anomalies in natural animal populations raise concerns about hazards to wildlife and
human health. The discovery of mass anomalies may spark intensive political, social and scientific controversies. How we deal with increased rates of anomalies is an indicator of our maturity in dealing with environmentally and politically sensitive issues. Here we report on controversies that developed after the discovery of an extreme case of mass anomalies in a population of green toads (Bufotes viridis) in a quarry in Roßwag, southern Germany, in 1980. Screening for potential environmental causes indicated increased levels of radioactivity inside a fill of earthen material in the quarry. After follow-up measurements, governmental organizations argued that artificial radioactivity as a potential cause could be excluded with certainty. In the ensuing controversy, responsible administrations jumped from one explanation to another once the previous one was no longer tenable. They refused to seriously consider any non-natural causes, ignored concerns voiced by scientists and misinformed the public. We summarize the history of the discovery, attempts to unravel the causes and ensuing chain-reactions of controversies about potential causes. All potential causes except mutagenic factors can be excluded, and in 2006 a key protagonist confessed that official easurements
were unsuitable for detection of radioactivity if buried in the earth deposit. We summarize open questions
and suggest lessons learnt.

Ein besonders extremer Fall massenhaften Auftretens von Anomalien wurde 1980 bei Wechselkröten
in einem Steinbruch bei Roßwag, Baden-Württemberg, Deutschland, entdeckt. Bei der Suche nach möglichen
Ursachen haben die Entdecker der Missbildungen erhöhte Werte an Radioaktivität an einer Erddeponie gemessen, deren Fuß in das Laichgewässer ragte. An Erdspalten erreichten die Werte das 100-fache der Umgebung. Die alarmierten Behörden unternahmen ad-hoc-Messungen, aufgrund derer sie die von den Entdeckern gemessenen Werte als Artefakte zurückwiesen und das Vorhandensein einer künstlichen radioaktiven Quelle mit Sicherheit ausschlossen. Bevor chemische Analysen der Wasserproben vorlagen, erlaubten die Behörden dem Steinbruch-Unternehmen, noch am Tage der Anfrage, das Wasser abzupumpen. Auch das Sediment wurde komplett beseitigt.
In der sich anschließenden Kontroverse sprangen die verantwortlichen Behördenvertreter von einer zur nächsten natürlichen Ursache als Erklärung für die Missbildungen, sobald die vorhergehende nicht länger haltbar war. Ein als Kronzeuge für die von ihnen favorisierte Erklärung zitierter Wissenschaftler wurde später als verantwortungslos bezeichnet, nachdem er die Unhaltbarkeit der behördlichen Erklärungen aufzeigte und darlegte, dass die Anomalien keine natürlichen Ursachen haben, sondern nur durch Radioaktivität oder Chemikalien erklärt werden können. Die Behörden ignorierten jegliche nicht-natürliche Erklärung und sämtliche kritisch fragende Wissenschaftler wurden in der Presse mit Unwahrheiten gezielt in ein schlechtes Licht gerückt. So wurden beispielsweise missgebildete Kröten weggeworfen, statt diese zu untersuchen; das Ausbleiben von Untersuchungsergebnissen wurde der Arbeitsüberlastung eines unabhängigen Wissenschaftlichen Institutes angelastet, obwohl dieses nicht mit Untersuchungen beauftragt wurde. Erst durch öffentlichen Druck führten sie eine Anhörung im Landwirtschaftsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg durch. Als Ergebnis der Anhörung wurde eine drei-jährige wissenschaftliche Untersuchung in Auftrag gegeben, die allerdings nur den Zweck hatte, Hybridisierung mit einer weiteren Krötenart als Ursache nachzuweisen. Sämtliche Ergebnisse der Untersuchung widersprachen dieser Hypothese. Dennoch wurde sie, zusammen mit Inzucht, als abschließende offizielle Erklärung verkündet. Inzwischen können alle möglichen Ursachen außer einem starken mutagenen Faktor (Radioaktivität oder mutagene Chemikalien) mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Auch ist klar, dass die Behördenmessungen nicht geeignet waren, etwaiges in der Erddeponie vergrabenes radioaktives Material nachzuweisen.
In der vorliegenden Veröffentlichung geben wir eine ausführliche Übersicht über den Verlauf der Affaire, wobei wir uns auf die politischen und öffentlichen Kettenreaktionen konzentrieren, die durch die Kontroversen über mögliche Ursachen ausgelöst wurden. Wir zeigen auf, was aus der Affaire für ähnliche Fälle gelernt werden kann, und fragen unter anderem, inwieweit zuständige Behörden und Politiker inzwischen besser mit potentiellen Umweltgefahren umzugehen wissen, oder ob noch immer eine Bereitschaft besteht, die Öffentlichkeit falsch zu informieren. Unklar ist immer noch, wie und von wem mutagene Stoffe in den Steinbruch verbracht wurden, ob es ein Einzelfall war und inwieweit sichergestellt werden kann, dass heute und in Zukunft von der Erddeponie keine Risiken mehr ausgehen können.
dauerhafte UFZ-Verlinkung https://www.ufz.de/index.php?en=20939&ufzPublicationIdentifier=19684
Henle, K., Rimpp, K., Margraf, J. (2017):
The Roßwag affair: history and controversy of the discovery of mass anomalies in the green toad (Bufotes viridis) in a German quarry
In: Henle, K., Dubois, A. (eds.)
Studies on anomalies in natural populations of amphibians = Untersuchungen zu Anomalien in natürlichen Populationen von Amphibien
Mertensiella 25 (Suppl. zu Salamandra)
Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT), Mannheim, p. 165 - 184