„Klimainitiative wird Fachwissen in der Helmholtz-Gemeinschaft bündeln“

Interview mit Prof. Dr. Georg Teutsch, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des UFZ


Die Klimainitiative der Helmholtz-Gemeinschaft „Mitigation und Adaptation“ hat das Ziel, innerhalb von zwei Jahren Anpassungsmöglichkeiten an ein verändertes Klima (Climate Adaptation) und Strategien zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen (Mitigation) zu erforschen. Der Gesamtkoordinator der Initiative und Wissenschaftliche Geschäftsführer des UFZ, Prof. Dr. Georg Teutsch, erklärt Ziele und Hintergründe und Ziele der Initiative. 


Georg Teutsch
Prof. Dr. Georg Teutsch, Foto: André Künzelmann

Die Helmholtz-Gemeinschaft startete im Juli eine neue Klimainitiative, die mit zwölf Millionen Euro aus dem Impuls- und Vernetzungsfonds des Helmholtz-Präsidenten gefördert wird. Was gab den Anstoß für die Klimainitiative?

Georg Teutsch: Das Thema Klima hat in jüngster Zeit wieder deutlich an Sichtbarkeit gewonnen: Die Fridays for Future-Bewegung, das Pariser Klimaabkommen, die Berichte des Weltklimarats und auch der Hitze-Dürre-Sommer 2018 haben die Aufmerksamkeit der Bevölkerung, der Politik, der Medien und anderer Bereiche wie Land-, Wasser- und Forstwirtschaft deutlich erhöht. Parallel dazu ist bei Helmholtz das Bewusstsein gewachsen, als größte deutsche Forschungsgemeinschaft auf Fragen zum Klima fundierte Antworten geben zu müssen. Zu den Themen Adaptation (Anpassung) und Mitigation (Vermeidung) macht Helmholtz hervorragende Forschung. Doch wir schöpfen unser Potenzial bei weitem nicht vollständig aus, weil Fachwissen und Forschungsarbeiten nicht gebündelt werden. Das soll sich jetzt ändern.

Zum Klimaschutz wird bereits ausgiebig geforscht. Was sind die Alleinstellungsmerkmale der Helmholtz-Klimainitiative?

Georg Teutsch: Im Bereich Mitigation ist das Ziel, nationale Szenarien zu entwickeln und zu bewerten, wie man Netto-Null CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 erreichen kann. Viele der dafür notwendigen Technologien wie etwa CCS (Carbon dioxide Capture and Storage) oder auch die Optimierung unserer Energiesysteme bei den Erneuerbaren sind bekannt. Das Neue an unserem Ansatz ist, dass wir diese Technologien miteinander koppeln. Im Bereich Adaptation werden wir gemeinsam mit Stakeholdern beispielsweise in den Sektoren Energie- und Wasserwirtschaft, Land- und Forstwirtschaft, Stadtentwicklung, Wohnen und Bauen Handlungsoptionen erarbeiten, die wir mit Stakeholdern diskutieren, um daraus Innovationsbedarfe abzuleiten. Bisher wurden diese Sektoren oft nur einzeln gedacht, jetzt fügen wir sie zu einem Gesamtbild zusammen. Das ist neu. Darüber hinaus bieten wir Anpassungsoptionen an, die auch zur Reduktion von Emissionen führen.

Können Sie das exemplarisch anhand einzelner Projekte veranschaulichen?

Georg Teutsch: Im Bereich Mitigation geht es zum Beispiel darum, die Energieträger Wind, Photovoltaik, Wasserkraft und Biomasse zusammenzudenken. Bei zunehmender Häufigkeit heißer Sommer wird sich der Stromverbrauch durch den Einsatz privater Klimaanlagen künftig deutlich erhöhen. Gleichzeitig werden die Blockwetterlagen, die zu diesen stabilen Hochs führen, im Norden eher mit Windflauten zusammenfallen, so dass die Windparks in der Nordsee und die Nord-Süd-Trassen für den Stromtransport in diesen Situationen nicht viel helfen werden. Das wird dazu führen, dass Photovoltaikanlagen oder andere dezentrale Solarkonzepte verstärkt genutzt werden. Wichtig wird auch das Thema Energiespeicherung: Speichert man Energie auf lokaler Ebene in teuren und bisher schlecht recycelbaren Lithium-Batterien oder setzt man auf größere Speichersysteme, die sich in Stadtquartieren einsetzen lassen? Da gibt es viele Ideen, auch mit innovativen Technologien, die wir verknüpfen können.

Im Bereich Adaptation werden wir beispielsweise Szenarien zur Jetstream-Stabilität entwickeln, die eine „worst case“-Betrachtung etwa zum Thema Dürre ermöglichen. Zudem wollen wir erstmals flächendeckend Deutschlands Oberflächengewässer-Abflüsse in einer Auflösung von 1×1 Kilometer simulieren und dabei Szenarien für die Grundwasserneubildung und die Grundwassernutzung berechnen, in denen die Landwirtschaft in den Sommermonaten überwiegend künstlich bewässert wird. Dabei geht es auch um den sicherlich schärfer werdenden Konflikt der konkurrierenden Nutzung der Wasserressourcen zwischen Landwirtschaft und Trinkwasserversorgung. Auf dem Gebiet der Gesundheit werden wir umfangreiche lokale Datensätze wie zum Beispiel aus der NAKO-Gesundheitsstudie mit Umweltdaten zum Beispiel aus Stadtklimamodellen kombinieren. So werden wir den Einfluss des Klimawandels auf Herz-Kreislauf Erkrankungen, Infektionen und Allergien konkret untersuchen.

Welchen wissenschaftlichen Input erwarten Sie von den UFZ-Forschenden?


Georg Teutsch: Das UFZ bringt seine Expertise im Bereich Mitigation etwa bei der Systemanalyse stark schwankender Energieträger und bei ökonomischen Fragestellungen wie etwa dem Zertifikatehandel ein. In punkto Adaptation nutzen wir unsere Kompetenzen beispielsweise im Bereich der Landnutzung. In der Forstwirtschaft können wir dank unserer Modelle Empfehlungen aussprechen, wie Wälder künftig aufgebaut sein sollten oder wie ein Waldmonitoring gestaltet werden sollte und wie dabei auch der Schädlingsbefall etwa durch Borkenkäfer besser bekämpft werden kann. Mithilfe hochauflösender Fernerkundungs-, Simulations- und Beobachtungsdaten sind wir am UFZ zudem in der Lage, Zusammenhänge zwischen Infrastruktur, Mobilität, Wohnung und Gesundheit sowie die Wirkung von Anpassungsmaßnahmen zu analysieren und zu modellieren.

Wie optimistisch sind Sie, dass Ihre Vorschläge auch umgesetzt werden?

Georg Teutsch: Ich bin überzeugt, dass der Markt auf die sicher in Zukunft deutlich steigende CO2-Bepreisung reagieren und zum CO2-sparen in allen Bereichen anregen wird. Zudem bieten wir rechtzeitig Anpassungsmöglichkeiten an – nicht als Ersatz für die notwendigen Vermeidungsmaßnahmen, sondern als Reaktion auf die zu erwartenden Veränderungen in einer zwei Grad-Welt. Denken Sie an die Abwassersysteme in Städten: Gehen die Niederschläge zurück, fließen überwiegend Abwässer durch die Kanalisation. Außerdem werden Starkregenereignisse zunehmen und die Verteilung von Niederschlägen verändert sich. Für all das braucht es flexible und dezentrale Speicher- und Infrastruktursysteme, die über Jahrzehnte im Voraus geplant werden müssen. Dafür werden sich Stadtwerke und Wasserversorger interessieren, da bin ich mir sicher.

Werden die Projekte nach zwei Jahren weitergefördert?

Georg Teutsch: Wir werden sie im Oktober 2020 evaluieren lassen. Bei den Projekten, bei denen ein deutlicher Mehrwert und eine längerfristige Perspektive ersichtlich werden, bin ich überzeugt, dass es eine Fortsetzung geben wird.
 

Prof. Dr. Dr. hc. Georg Teutsch

Prof. Dr. Dr. hc. Georg Teutsch, geboren 1956 in Bukarest (Rumänien), ist seit 2004 Wissenschaftlicher Geschäftsführer des UFZ. Er studierte Geologie und Hydrogeologie an den Universitäten Tübingen und Birmingham (Großbritannien) und promovierte an der Universität Tübingen. Von 1993 an hatte er den Lehrstuhl für Angewandte Geowissenschaften/Hydrogeologie an der Universität Tübingen inne. Dort war er bis 2003 Direktor des Zentrums für Angewandte Geowissenschaften. Seit dem 1. Juli 2019 ist Georg Teutsch Gesamtkoordinator der Helmholtz-Klimainitiative “Mitigation und Adaptation“ und Koordinator des Bereichs „Adaptation“.