Die Novelle des EEG: Kostensenkung allein reicht nicht

Ein Standpunkt von Prof. Dr.-Ing. Daniela Thrän

Daniela Thrän Prof. Dr.-Ing. Daniela Thrän, Foto: Susan Walter


Wo stehen wir in der Energiewende zwanzig Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung der Erneuerbaren Energien? Das EEG war mit dem guten Vorsatz gestartet, die Energieversorgung nachhaltig zu machen – also erneuerbar, innovativ, klimaneutral und trotzdem bezahlbar. Auch die Macher der Energiewende sollten vielfältig sein. Als Motor wurde eine Einspeisevergütung etabliert. Jedem Erzeuger wurden die ungefähren Bereitstellungskosten erstattet. Und so geschah es, dass in Windeseile Technologien entwickelt und marktreif wurden, dass manche dieser Technologien unvermutete Kostenreduktionen erreichten und dass alte und neue Investoren und Betreiber den Strom erzeugten: Landwirte, Klein- und Mittelständler, Genossenschaften, etablierte Energieversorger. Die Energiewende wurde zur Massenbewegung, fast jede Gemeinde stellt inzwischen erneuerbare Energien bereit. Damit ist die Energiewende heute dezentral – 50.000 Anlagen, die Wind, Wasser, Biomasse oder Sonne auf Photovoltaik-Freiflächen als Energiequelle nutzen, sind landauf landab entstanden. Mindestens das Doppelte muss noch dazugestellt werden, um die ambitionierten Ziele einer regenerativen Stromversorgung zu erreichen.

Bezahlbar muss die Energiewende sein, das steht außer Frage. Die Einspeisevergütung war deshalb ein wertvoller Beitrag, um die Energiewende in Gang zu setzen, in einem zunehmend etablierten Markt greift sie aber zu kurz. Daher hat die Bundesregierung mit der EEG-Novelle 2017 beschlossen, keine Festpreise mehr zu zahlen, sondern erneuerbare Stromkapazitäten auszuschreiben. Künftig wird also nicht mehr jeder nach gusto in die Energiewende einsteigen können, sondern die günstigsten Anbieter werden das Rennen machen. Bei 30 Prozent erneuerbarem Strom im Netz ist diese Anbieterkonsolidierung sinnvoll. Die ersten Ausschreibungen zeigen auch, dass Wind- und Photovoltaik-Strom künftig deutlich günstiger zu haben sein könnten. Mit maximal 5,7 Cent/kWh sollen die Prämien für Strom aus neuen Windkraftanlagen nur noch ein Drittel der heutigen Durchschnittsvergütung für erneuerbaren Strom t betragen. Damit wäre dieser Strom aus Erneuerbaren nicht mehr teurer als Strom aus neuen Kohle-, Gas- oder Ölkraftwerken. Aber der Beweis steht noch aus. Bisher wurde für die künftigen Anlagen nur geboten, sie sind noch nicht gebaut. Wie groß die Hürden der Umsetzung sind – die finanziellen und die genehmigungsrechtlichen –, weiß momentan niemand genau.

Aber die Energiewende muss noch mehr sein als nur bezahlbar. Wenn künftig nur der Gebotspreis entscheidet, werden die Anlagen auf den Flächen mit dem höchsten Energieertrag gebaut, weil dort die günstigsten Preise geboten werden können. Die Bieterauswertung für Windenergieanlagen bestätigt das: Die Zuschläge gingen überwiegend in die vier nördlichen Bundesländer (Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Brandenburg) – in Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen wurde kein einziger Windpark bezuschlagt, in Bayern einer.

Damit geht das Versprechen einer „Energiewende für alle“ verloren, für die sich in den letzten Jahren viele lokale Akteure engagiert haben. Mit ihrer Energiewende von unten haben sie Visionen für klimafreundliche Dörfer, Städte und Regionen formuliert und umgesetzt und so mancher Region einen neuen Anstrich gegeben. Bei Ausschreibungen quer übers Land ist damit künftig Schluss. Es stellt sich die Frage: Wie nachhaltig ist eine Energiewende, an der ganze Bundesländer nicht mehr teilnehmen, weil ihre Standorte nicht bei den niedrigsten Preisen mitbieten können?

Aber die Debatte um die „richtigen Flächen“ für die Energiewende ist auch aus einem weiteren Grund überfällig. Ihre Nutzung – die für die Fortsetzung der Energiewende essenziell ist – birgt Konfliktpotenzial: Anwohner fürchten um Ruhe und die Entwertung ihres Eigentums; Naturschützer sind besorgt, dass sich die ohnehin angespannte Lage im Natur- und Artenschutz weiter verschärft; die Stromnetze müssen weiter ausgebaut werden. Und es geht auch nicht nur um die einzelne Flächen, sondern auch um größere Flächenzusammenhänge, Räume, in denen künftig erneuerbare Energien generiert werden, und Räume, in denen dies nicht passiert – als Rückzugsräume für die Natur und zum Erhalt eines unveränderten Landschaftsbilds. Ob der gewählte Weg der Ausschreibungen erfolgreich ist, werden die nächsten zwei Jahre zeigen.

Denn dann sollten die Anlagen aus den aktuellen Auktionen gebaut sein und kostengünstigen, erneuerbaren Strom liefern. Von Dauer wird dieser Erfolg jedoch nur sein, wenn wir es schaffen, die Ausschreibungen in eine vernünftige, abgestimmte Raumplanung zu integrieren – um die Versorgung der einzelnen Gemeinden sinnvoll und nachhaltig zu gestalten, um kluge Stromnetze zu bauen oder um einen europäischen Energieverbund zu gestalten. Hier muss die Energiepolitik nachlegen – auch wenn es darum geht, die vielfältigen und oft schlecht zu vereinbarenden Interessen auf den begrenzten Flächen auszuhandeln. Nur unter Einbeziehung aller Beteiligten werden nachhaltige Lösungen erarbeitet werden können. Dazu braucht es ein klares Mandat und ein abgestimmtes politisches Vorgehen zwischen den Wirtschafts-, Umwelt- und Verbraucherschutzressorts.

Und die Wissenschaft? Mehr denn je ist es unser Job, eine interdisziplinäre, integrierte Energie- und Umweltforschung zu forcieren, um komplexe Zusammenhänge aufzudecken, Wissenslücken zu schließen, Lösungsoptionen zu bieten und Orientierung zu geben. Der Aufwand sollte sich lohnen. Ein wenig mehr Vielfalt in der Frage, wo das zweite und dritte Drittel der Energiewende stattfinden soll, ist ebenso notwendig wie eine breite Abstimmung mit allen Akteuren, ein umfassendes Monitoring der Effekte und eine visionäre Landkarte der Energiewende.

Energiewende-Landkarte Die Energiewende-Landkarte stellt Vorreiter und Nachzügler unter allen den deutschen Gemeinden klar heraus(Stand2015). Als Basis dafür berechneten die Forscher einen Indikator, der nicht nur die schiere Strommenge berücksichtigt, sondern auch die Flexibilität eines dezentralen Kraftwerk-Ensembles. © Applied Energy/Elsevier

Prof. Dr.-Ing. Daniela Thrän

Die Ingenieurin für technischen Umweltschutz leitet das Department Bioenergie am UFZ in Leipzig, ist gleichzeitig Bereichsleiterin „Bioenergiesysteme“ am Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) und hat den Lehrstuhl für Bioenergiesysteme an der Universität Leipzig inne. Sie ist Co-Sprecherin des Integrierten Projektes „Raumwirksamkeit der Energiewende“ im Helmholtz-Forschungsprogramm „Terrestrische Umwelt“. Daniela Thrän ist seit September 2012 Mitglied im Bioökonomierat. Sie ist deutsche Vertreterin im ISO-Komitee "Biogene Festbrennstoffe", Mitglied im sächsischen Energierat, Koordinatorin der Begleitforschung des BMWI-Forschungsnetzwerks "Bioenergie" sowie Leiterin der wissenschaftlichen Begleitforschung im "Spitzencluster Bioökonomie" (2012 bis 2017).