MESCO - Neue Passivsammler zur zeitintegrierten Erfassung von organischen Gewässer­­schadstoffen


Einführung

Die Erfassung von Schadstoffen in Grund- und Oberflächenwasser ist von fundamentaler Bedeutung für den Schutz der Ökosysteme und der menschlichen Gesundheit. Von besonderer Relevanz ist die Bestimmung persistenter organischer Schadstoffe (POPs) aufgrund ihrer Tendenz zur Bioakkumulation und ihres z.T. hohen toxischen Potentials. Diese Spurenstoffe liegen in Wässern zum einen gelöst und zum anderen kolloidal gebunden vor. Von primärem Interesse für die Abschätzung ihrer Bioverfügbarkeit ist die gelöste Fraktion. Mit konventionellen Methoden der Wasserprobenahme/-analyse bestimmt man aber meist nur den Gesamtgehalt der Schadstoffe. Außerdem erhält man nur eine Momentaufnahme des Gewässerzustandes. Auch die Analyse von Substanzen in extremen Spurenkonzentrationen wird bei herkömmlicher Beprobung oft zum Problem.

Mit passiven Sammeltechniken kann man diese Probleme überwinden. Sie erlauben die Erfassung der zeitgemittelten Konzentration der gelösten Schadstoff-Fraktion über einige Wochen oder sogar Monate. Gegenüber der herkömmlichen Beprobung wird die Anzahl der Proben und somit der Aufwand für Probenahme, Transport, Lagerung und nachfolgende Analysen beträchtlich reduziert. Außerdem ermöglicht die passive Beprobung aufgrund der langen Akkumulationsperioden die Detektion sehr geringer Konzentrationen der Zielsubstanzen. Zudem sind Passivsammler üblicherweise einfach konstruiert und erfordern keine Stromversorgung, was sie auch für abgelegene Beprobungsstellen sehr geeignet macht. Zur Berechnung der zeitgemittelten Konzentration in der beprobten Wasserphase aus den angereicherten Schadstoffmengen ist es erforderlich, die substanzspezifische Aufnahmegeschwindigkeit des eingesetzten Passivsammlers („Aufnahmeraten“) zu kennen oder in zusätzlichen Laborversuchen zu bestimmen.

Unsere Arbeit konzentrierte sich in den letzten Jahren auf die Entwicklung von preiswerten Permeationssammlern für POPs in Gewässern, wobei wir zum einen kommerziell verfügbare Quarzfasern oder Glasrührer, die mit Polydimethylsiloxan (PDMS) beschichtet sind und in der Probenvorbereitung (Solid Phase Micro Extraction, SPME) verwendet werden, als Aufnehmerphasen benutzten und zum anderen Silikonschlauch/-stab, der als Meterware erhältlich ist. PDMS wird als Anreicherungs­medium aufgrund verschiedener Vorteile gegenüber anderen Sorbentien bei der Extraktion und Thermodesorption empfohlen [1]. Die Analyten werden im PDMS direkt gelöst (absorbiert), so dass Verdrängungseffekte, wie sie bei der Adsorption charakteristisch sind, keine Rolle spielen. Im Folgenden wird eine Kurzbeschreibung der von uns entwickelten Sammlertypen gegeben, die unter der Abkürzung MESCO (für Membrane-Enclosed Sorptive COating oder Membrane-Enclosed Silicone CO zusammengefasst werden können. Details zu Aufarbeitung, Kalibrierung (Aufnahmeraten) und Feldanwendung findet man in den zitierten Publikationen.


Membran-umhüllte SPME-Faser mit PDMS-Beschichtung [2]

Als Vorläufer des MESCO testeten wir Membranbeutel (13 cm ∗ 2.5 cm) aus 100 µm dickem, nichtporösen Polyethylenschlauch (LDPE, Polymer-Synthesewerk Rheinberg), an beiden Enden zugeschweißt, in Kombination mit der 100-µm PDMS Faser (Supelco, Deisenhofen) als Sammelphase (≈ 0.68 µL PDMS) und 25 mL einer 40/60-Isopropa­nol/Wasser-Mischung als Fluidfüllung. Eine Stahlfeder verhindert den direkten Kontakt der Faser mit der Membran. Natürlich ergeben sich im Vergleich zu kommerziellen SPMDs (Abkürzung SemiPermeable Membrane Device) aufgrund des viel kleineren Volumens der Sammelphase um Größenordnungen niedrigere Aufnahmeraten, was aber keinen Genauigkeitsverlust bedeutet, da hier die gesamte auf der Faser akkumulierte Stoffmenge verlustfrei quantifiziert wird. Ein ernsthaftes Problem dieses Sammlers ist allerdings die Zerbrechlichkeit und schwierige Handhabung der Glasfaser, insb. beim Herausziehen und dem Wiedereinsetzen in die Stahlnadel der kommerziellen SPME-Spritze. Dies könnte man zukünftig evtl. durch Verwendung von Stücken einer handelsüblichen Glasfaser mit Polymerbeschichtung (preiswerte Meterware) umgehen.


Membran-umhüllter Magnetrührstab mit PDMS-Beschichtung (MESCO I) [3-5]

Der PDMS-beschichtete Magnetrührstab, den wir als zweite Aufnehmerphase testeten, ist unter der Handelsmarke "Twister" (Gerstel, Mülheim/Ruhr) bekannt. Er wurde, wie die SPME-Faser, zur lösungsmittelfreien Probenanreicherung entwickelt, besitzt aber eine wesentlich höhere Extraktionskapazität. Wir testeten den 15 mm langen Twister mit einer 500 µm dicken PDMS-Schicht (24 µL), umhüllt von einer Dialysemembran (3 cm ∗ 1.8 cm) aus regenerierter Cellulose (Spectra/Por 6, Molekulargewichtsausschlußgrenze 1 kDa), die mit 3 mL bidestilliertem Wasser gefüllt ist und von beiden Seiten mit 35-mm Spectra/Por-Klammern verschlossen wird. Regenerierte Cellulose als poröses und hydrophiles Membranmaterial ermöglicht die Ausdehnung des erfassbaren Substanzspektrums hin zu polareren Verbindungen (log Kow < 4). Leider hat dieses Material eine relativ geringe chemische Beständigkeit und wird auch mikrobiell abgebaut, was nach ca. 14 Tagen in natürlichen Oberflächenwässern zur Zerstörung des Sammlers führt [4].


Membran-umhüllter Silikonschlauch/-stab (MESCO II) [5-7]

Dieser Sammlertyp kombiniert den Vorteil einer Sammelphase mit hoher Aufnahmekapazität mit dem einer stabileren Membran, wie LDPE. Solche hydrophoben Membranen sind beständiger gegen Lösungsmittel und mikrobiellen Abbau und können verschweißt werden. Desweiteren benutzen wir jetzt anstelle des teuren und zerbrechlichen Twisters als Aufnehmerphase sehr preiswertes Silikonmaterial in Schlauch- oder Stabform. (Ergänzende Untersuchungen haben die Nützlichkeit dieser Materialien zur effektiven Aufkonzentrierung von POPs aus Wasserproben und die Anwendbarkeit der Thermodesorption-GC/MS analog zur Twister-Analyse gezeigt [6, 7].) Das beträchtlich größere Volumen der Aufnehmerphase (> 100 µL) erhöht zudem die mögliche Expositionszeit des Sammlers beim Feldeinsatz.

Verschiedene Konfigurationen dieses neuen Sammlertyps mit Silikonschlauch oder -stab als Aufnehmerphase wurden getestet. Die von uns aktuell bevorzugte Sammlerkonfiguration [7] besteht aus 15 cm langen Membranstreifen (LDPE-Folienschlauch, Polymer-Synthesewerk Rheinberg, 100 oder 50 µm Wandstärke) mit 4 Segmenten, in denen je ein 15 mm langes Stück Silikonstab (2.0 mm Durchmesser, Goodfellow, Bad Nauheim) eingeschweißt ist.

Die Thermodesorption der POPs (und vieler anderer akkumulierter Substanzen) von den PDMS/Silikon-Sammelphasen (ob SPME-Faser, Twister oder Silikon­stückchen) kann durch Lösungsmittel-Mikroextraktion ersetzt werden [8]. Dies bietet mehrere Vorteile: 1) macht es das kostenintensive Thermodesorptions-/Kalt­aufgabe­system vor der GC-Analyse überflüssig, 2) wird die Wiederholung von Analysen durch Mehrfachinjek­tion einer Probe möglich, 3) kann man alternativ die Flüssigchro­matograhie zur Analyse nutzen und 4) können bestimmte Lösungsmittel-Extrakte biologischen Wirkungstests unterzogen werden.

Erste Freilandkampagnen in unterschiedlich belasteten Flüssen Mitteldeutschlands (Elbe, Saale, Mulde, Spittelwasser) sowie in der Maas (im Rahmen des EU-Projektes SWIFT-WFD [9]), aber auch die Exposition in einem Bitterfelder Grundwasserbrunnen, zeigten die prinzipielle Feldtauglichkeit der neuen MESCO-Sammler. Unter der Voraussetzung, daß Aufnahme­raten für weitere Zielsubstanzen ermittelt werden und ihre Adjustierung an Freilandbedingungen erfolgreich verläuft, sind diese neuen Sammlerkonfigurationen preiswerte und multifunktionelle Alternativen zu den etablierten Passivsammlern für den Nachweis hydrophober organischer Spurenverunreinigungen im Grund- und Oberflächenwasser.

Unsere Arbeiten fanden Eingang in das erste umfassende Buch über passive Sammlertechniken und ihre Anwendung beim Umweltmonitoring [10].


Literatur

[1]      E. Baltussen, C.A. Cramers, P.J.F. Sandra, Anal. Bioanal. Chem., 373 (2002) 3.

[2]      B. Vrana, P. Popp, A. Paschke, B. Hauser, U. Schröter, G. Schüürmann, Patentschrift DE 100 42 073 C 2, Deutsches Patent- und Markenamt München (2002).

[3]      B. Vrana, P. Popp, A. Paschke, G. Schüürmann, Anal. Chem., 73 (2001) 5191.

[4]      B. Vrana.,  A. Paschke, P. Popp,  Environ. Pollut., 144 (2006) 296.

[5]      P. Popp, B. Hauser., A. Paschke, B. Vrana, Gebrauchsmuster Nr. 200 23 183.9, Deutsches Patent- und Markenamt München (2003).

[6]      L. Wennrich, B. Vrana, P. Popp, W. Lorenz, J. Environ. Monit., 5 (2003) 813.

[7]      A . Paschke, K. Schwab, J. Brümmer, G. Schüürmann, H. Paschke, P. Popp, J. Chromatogr. A, 1124 (2006) 187.

[8]      P. Popp, C. Bauer, A. Paschke, L. Montero-Schiemann, Anal. Chim. Acta, 504 (2004) 307.

[9]      http://www.swift-wfd.com/Local/swift/dir/doc/newsletter3.pdf

[10]    A . Paschke, B. Vrana, P. Popp, L. Wennrich, H. Paschke, G. Schüürmann, Membrane enclosed sorptive coating (MESCO) for monitoring organic compounds in water. Chapter 14 in: Passive Sampling Techniques in Environmental Monitoring (ed. by R. Greenwood, G.A. Mills, B. Vrana), Vol. 48 of Wilson & Wilson´s Comprehensive Analytical Chemistry (ed. by D. Barceló), Elsevier, Amsterdam, The Netherlands, 2007, in press.