Jahr der Biodiversität 2010 / Jahr des Waldes 2011

Biodiversität und Wald

Wird über die hohe Artenvielfalt oder die Bedeutung von Wäldern als Kohlenstoffspeicher gesprochen, denken wir zunächst an die tropischen Regenwälder. Doch auch in Europa und hierzulande berührt der Wald das tägliche Leben in unserer Gesellschaft - ob als Lebensraum für Tiere und Pflanzen, als Holzlieferant oder einfach beim Spaziergang im Wald.

Buchenwald

Ohne den menschlichen Nutzungseinfluss würden an den meisten Standorten Laub- und Laubmischwälder, überwiegend mit Buche, dominieren.
Foto: André Künzelmann/UFZ

Waldarbeiter fällen Baum

Holz ist unersetzbar. Der Mensch braucht es - ob als Papier, Möbelstück, ganzes Haus oder indirekt als Strom und Heizungswärme. Die Nachfrage steigt weltweit seit Jahren.
Foto: André Künzelmann/UFZ

Wälder in Europa

Wälder sind auch in Mitteleuropa die artenreichsten Ökosysteme. In Deutschland gibt es über 40 einheimische Baumarten gibt. Wald und Bäume haben eine bedeutende Rolle beim Schutz der Artenvielfalt. In Deutschland zählt der Wald zu den Kulturlandschaften und ist nach der Landwirtschaft die flächenmäßig bedeutendste Landnutzungsform mit einem Anteil von etwa 31 Prozent, das sind zirka elf Millionen Hektar. Davon nutzen wir den allergrößten Teil als Wirtschaftswälder. Das schließt den Schutz und die Förderung von Biodiversität aber keineswegs aus. Die "naturnahe Forstwirtschaft" ist ein Erfolg versprechendes Konzept im Spannungsfeld - oder besser im Sinne einer Balance - von wirtschaftlicher Nutzung und Naturschutzfunktion.

Historische Entwicklung

Ohne den menschlichen Nutzungseinfluss würden an den meisten Standorten Laub- und Laubmischwälder, überwiegend mit Buche, dominieren. Das natürliche Areal von Nadelwäldern ist auf mittlere und höhere Lagen der Gebirge (Fichte, Tanne, Lärche) bzw. auf sehr trockene oder sehr nasse, besonders nährstoffarme Standorte (Kiefer) beschränkt. Unsere Wälder sind bis auf wenige Bereiche durch Jahrhunderte lange Nutzung geprägt (extreme Holznutzung nach Kriegen und zum Aufbau von Industrien). Regeln zum Schutz der Wälder waren notwendig, die in erster Linie die Ressource Holz als wichtige Lebens- und Wirtschaftsgrundlage schützen sollten. Da sich die Regeln bis Mitte des 20. Jahrhunderts nur langsam durchsetzen, konnten sich zahlreiche (Baum-)Arten an diese Wirtschaftweise anpassen und sogar neue Lebensräume erschließen. Ein Beispiel dafür sind die nur unter anthropogener Beeinflussung existenzfähigen Nieder- und Mittelwälder, die heute beispielsweise noch in Frankreich zu finden sind und eine extrem hohe Artenvielfalt aufweisen. Die fortschreitende Veränderung von Waldökosystemen ging also teilweise mit einer Zunahme der biologischen Vielfalt einher.

Biodiversität, Waldnutzung und ihre Wirkung auf Waldökosysteme

Eine hohe Biodiversität im Wald bringt meist eine höhere Stabilität der Waldökosysteme mit sich. Sie sind gegenüber Störungen wie Wetterextremen und Schadinsekten weniger anfällig. Umgekehrt reagieren Wälder mit geringer Artenvielfalt stärker auf solche Einflüsse und sind störanfälliger. Daher ist eine möglichst hohe Biodiversität ein wichtiges und grundsätzlich anzustrebendes Ziel für alle Wälder - sowohl für naturnahe Wälder als auch für Wirtschaftswälder. Biologische Vielfalt ist in jedem Falle ein "Helfer" des Waldes. Weg von früheren Kahlschlagsmethoden nutzt die moderne Forstwirtschaft heute Bäume einzelstamm- bis kleingruppenweise. Die gängige forstliche Praxis einer naturnahen einzelstammweisen Nutzung steht nicht im Widerspruch zur natürlichen Biodiversität - ganz im Gegenteil. Diese Nutzungsform schafft eine strukturelle Vielfalt in Waldbeständen, die ein Nebeneinander einer großen Zahl von Lebewesen ermöglicht. Und um artenreiche Wälder in den Tropen zu entlasten und den Holzeinschlag zu mindern, sollten wir unsere Wälder in Europa nachhaltig nutzen. Für dieses Ziel ist der intensive Austausch zwischen unterschiedlichen Akteuren - Waldbesitzern, Naturschützern, Behörden, Freizeitnutzern etc. - notwendig.

Option für eine biodiversitätsfördernde Landnutzung

Eine relativ neue und für die Artenvielfalt interessante Nutzungsform ist der Agroforst (Werntze 2010). Landwirte bauen beispielsweise Wertholzbäume in Kombination mit verschiedenen Getreidesorten an. Ackerflächen erfahren durch Gehölzsteifen eine ökologische Aufwertung: Agroforstsysteme bieten zahlreiche ökologische Vorteile, mindern die Erosion, bieten für Weidetiere Schutz bei extremen Witterungsverhältnissen und tragen zur Erhöhung der Biodiversität bei (Agroforst 2008). In solchen Agroforst-Kulturlandschaften verbinden Baumreihen die Anbauflächen und wirken der Zerstückelung und Verinselung von Landschaften entgegen. So könnten auch insgesamt der genetische Austausch sowie die Biodiversität gefördert und geschützt werden. Darüber hinaus haben solche Nutzungsformen auch einen ästhetischen Effekt: Das Schöne mit dem Nützlichen verbinden. Ein Ansatz, den wir in der Betrachtung der Biodiversitätsziele beherzigen sollten.

Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) begleiteten von 2006 bis 2010 den Förderschwerpunkt "Nachhaltige Waldwirtschaft". Sie hatten die Aufgabe, die deutsche Forst- und Holzwirtschaft in einem großen Förderprogramm zu vernetzen und wichtige Infrastrukturen für Kommunikation und Wissenstransfer aufzubauen. So konnte ein wichtiger Beitrag für eine erfolgreiche Forstforschung unter Beteiligung von Akteuren aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik gewährleistet werden.

Tropische Regenwälder: das artenreichste Ökosystem der Erde

Fast die Hälfte der Wälder auf unserem Planeten liegt in den Tropen. Es gibt noch große Regenwaldgebiete in Amerika, Afrika und Asien. Ihre Gesamtfläche umfasst etwa 1.150 Mio. Hektar. Das entspricht ungefähr der Größe Europas. Experten vermuten, dass in den Tropenwäldern 50 bis 75 Prozent der Pflanzen- und Tierarten der Erde beheimatet sind, ganz genau weiß man das nicht. So schätzt man, dass es in den Tropen über 50.000 verschiedene Baumarten gibt.

Die lokale, regionale und globale Bedeutung der Tropenwälder ist vielfältig. Sie sind Lebensraum verschiedener Naturvölker und Lieferanten lokaler Nahrungsmittel (Früchte, Nüsse, Wild, Fisch), Kautschuk, Harzen, Rattan, medizinisch nutzbarer Pflanzen sowie von Brenn- und Nutzholz. Fast die Hälfte des weltweit genutzten Holzes stammt aus tropischen Wäldern. Tropische Wälder beeinflussen das regionale und globale Klima, da sie eine hohe Wasserverdunstung haben. Teile des Amazonas-Regenwaldes haben durch großflächige Abholzung vermutlich schon jetzt längere Trockenzeiten. Tropenwälder spielen auch eine besondere Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf. Die Wälder dieser Region enthalten etwa 40 Prozent des in der globalen Vegetation gespeicherten Kohlenstoffes und binden jedes Jahr etwa zwei Mrd. Tonnen Kohlenstoff. Experten schätzen, dass durch die Waldzerstörung zwischen einer und drei Mrd. Tonnen Kohlenstoff jährlich freigesetzt werden. Das macht gut ein Drittel der durch den Menschen verursachten CO2-Emissionen aus.

Waldzerstörung und Verlust der Biodiversität

Papietücherrollen auf Wiese

Immer mehr Holz, das aus einer vorbildlichen Bewirtschaftung stammt, wird mit einem Gütesiegel versehen. In Deutschland findet man mittlerweile zahlreiche Produkte wie Gartenmöbel, Bücher oder Papier mit einem Siegel wie dem FSC Forest Stewardship Council.
Foto: Prof. Andreas Huth/UFZ

Papietücherrollen auf Wiese

Für die Entwicklung nachhaltiger Nutzungskonzepte sind Waldsimulationsmodelle ein wichtiges Analysewerkzeug. Für den Regenwald ist das eine besondere Herausforderung, da sie besonders komplex sind - bis zu 200 verschiedene Baumarten pro Hektar.
Foto: André Künzelmann/UFZ

Die Zerstörung der Tropenwälder hat diese Wälder verstärkt ins öffentliche Interesse gerückt. Nach wie vor ist der Rückgang an Waldflächen sehr hoch. Die jährlichen Waldverluste liegen bei etwa 0,5 Prozent oder 5,5 Mio. Hektar. So ist im Zeitraum von 2000 bis 2005 die Waldfläche in den Tropen von 1.156 Mio. Hektar auf 1.139 Mio. Hektar zurückgegangen. Die Verluste betrugen hierbei in Lateinamerika 16,3 Mio. Hektar, in Asien 9,2 Mio. Hektar und in Afrika 1,4 Mio. Hektar. Zum Vergleich: Deutschland umfasst eine Fläche von 37 Mio. Hektar. Aktuelle Zahlen belegen, dass sich diese hohen Waldverluste auch weiterhin fortsetzen. Die Ursachen der Tropenwaldzerstörung sind sehr vielfältig. Die Waldzerstörung durch den Menschen wird im Wesentlichen durch Wanderfeldbau, kommerzielle Landwirtschaft (z. B. Ölpalm-, Kakao-, Sojaanbau oder Rinderzucht) und Holznutzung verursacht, die Anteile werden auf etwa 50 Prozent, 40 Prozent und 10 Prozent geschätzt. Regional können sich die Gewichte verschieben. So ist in Südostasien der Anteil der Holznutzung an der Waldzerstörung erheblich höher. Der Grund dafür ist, dass die dortigen Wälder viele kommerziell verwendbare Holzarten enthalten. Außerdem hat die Erschließung der Wälder für die Holznutzung oftmals eine Vorreiterfunktion für die Besiedelung und landwirtschaftliche Nutzung.

Schutz von Tropenwäldern

Die besondere Bedeutung und die Funktionen der Tropenwälder haben weltweit die Bemühungen verstärkt, sie zu schützen und zu erhalten. Aus ökologischer Sicht wäre es wünschenswert, möglichst große Waldgebiete unter ein vollständiges Nutzungsverbot zu stellen. Da sich aber oft zumindest eine teilweise Nutzung nicht vermeiden lässt, werden seit längerem angepasste bzw. nachhaltige Nutzungsformen entwickelt. In diese Richtung zielt auch die Zertifizierung von Holznutzung. Tropenholz, welches aus einer vorbildlichen Bewirtschaftung stammt, wird mit einem Gütesiegel versehen. In Deutschland findet man mittlerweile zahlreiche Produkte wie Gartenmöbel, Bücher oder das Papier, auf dem Bahnfahrkarten gedruckt werden, mit einem solchen Siegel (z.B. FSC Forest Stewardship Council). Etwa zwei Prozent aller Waldgebiete sind bereits zertifiziert - und die Anzahl nimmt weiter stark zu.

Waldmodelle helfen, den Wald zu schützen und die Bedeutung der Biodiversität zu quantifizieren

Für die Entwicklung nachhaltiger Nutzungskonzepte sind Waldsimulationsmodelle ein wichtiges Analysewerkzeug. Mit solchen Modellen lassen sich verschiedene Holznutzungsszenarien simulieren, um so die langfristigen Folgen für den Wald abzuschätzen. Die Entwicklung von Waldsimulationsmodellen für den Regenwald ist eine besondere Herausforderung, da Regenwälder besonders komplex sind (bis zu 200 verschiedene Baumarten pro Hektar). Regenwaldmodelle können natürlich nur die ökologischen Prozesse berücksichtigen, die derzeit bekannt sind. Waldmodelle beschränken sich daher meist auf die Beschreibung der Entwicklung des Baumbestandes. Aus dem Zustand des Baumbestandes kann in vielen Fällen auf die Entwicklung des Tierbestandes, z. B. bei Vögeln, zurückgeschlossen werden. Eine Forschungsgruppe um Andreas Huth am UFZ in Leipzig beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Modellierung von Wäldern (weitere Informationen).
Sie hat verschiedene Regenwaldmodelle entwickelt, die für eine breite Palette von Forschungsfragen eingesetzt werden. Die beiden wichtigsten Modelle sind die Waldmodelle FORMIX3 und FORMIND, welche international anerkannt und verbreitet sind. Diese Modelle wurden bereits auf zahlreiche Wälder in den Tropen erfolgreich angewendet (z.B. in Borneo und Südamerika). So wird untersucht, wie die Biodiversität die Stabilität und Kohlenstoffbindung in diesen Wäldern beeinflusst.

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Referenzen (Auswahl)

Werntze, A. (2010): Agroforstsysteme - die Zukunft der Landnutzung? LandInForm - Magazin für Ländliche Räume. Nr. I, 2010, S 46-47. Agroforst (2008): Neue Optionen für eine nachhaltige Landnutzung. Schlussbericht des Verbundprojektes Agroforst im BMBF-Förderschwerpunkt "Nachhaltige Waldwirtschaft". Freiburg 2008.
www.agroforst.uni-freiburg.de

Biermayer, G. (2010): Biodiversität und Forstwirtschaft. Es gibt keinen fundamentalen Gegensatz zwischen Naturschutz und naturnaher Waldnutzung. LWF aktuell Nr. 76, Seite 4 - 6. BMELV (2007): Agrobiodiversität erhalten, Potenziale der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft erschließen und nachhaltig nutzen. Eine Strategie des BMELV für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt für die Ernährung, Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft. BMELV, Bonn.

Fischer, A.; Mayer, P.; Schopf, R.; Liepold, K.; Gruppe, A.; Hahn, C.; Agerer, R. (2003): Biodiversitätsforschung in ungenutzten und genutzten Wäldern. LWF aktuell Nr. 41, Seite 4 - 5.

Häusler, A., Scherer-Lorenzen, M., (2002):Nachhaltige Forstwirtschaft in Deutschland im Spiegel des ganzheitlichen Ansatzes der Biodiversitätskonvention. BfN-Skripten 62.

Reeg, T., Bemmann, A., Konold, W., Murach, D., Spiecker, H. (2009): Anbau und Nutzung von Bäumen auf landwirtschaftlichen Flächen. Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim.

Schröter H.-J. (2002): Biodiversität und Waldschutz - ein Widerspruch? Schriftenreihe Freiburger Forstliche Forschung, Bd. 18, S. 137 - 145.

Köhler, P., Huth, A. (2010) Towards ground-truthing of spaceborne estimates of above-ground life biomass and leaf area index in tropical rain forests Biogeosciences 7 (8), 2531 - 2543

Huth, A., Ditzer, T. (2001) Long-term impacts of logging in a tropical rain forest - a simulation study. Forest Ecology and Management 142: 35 - 51.