Im Fokus | Juni 2024

Fragen und Antworten zu Wasserextremereignissen in Deutschland

Flood due to heavy rainfall at Neckargemund at the Neckar river in southern Germany in early summer. Source: Jens Hertel , Adobe Stocks, #441425883

21. Juni 2024:  Zur Hochwasserlage im Juni 2024 in Süddeutschland


Antworten von Expert:innen des Helmholtz-Zentrums Potsdam, Deutsches Geoforschungszentrum (GFZ) und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) / Helmholtz-Forschungsbereich Erde und Umwelt


Der Auslöser des Hochwassers in Süddeutschland in den letzten Tagen waren die großen Regenmengen infolge der Vb-Wetterlage. Ein Vb-Zyklon zieht vom Mittelmeer nach Norden und reichert heiße Luft aus der Sahara über dem Mittelmeer mit viel Feuchtigkeit an. Vb-Zyklone sind zwar selten (nur 5 % aller mitteleuropäischen Zyklone können diesem Bahntyp zugeordnet werden), verursachen jedoch häufig großflächige Niederschlagsextreme in Mitteleuropa. Die Vb-Wetterlage war beispielsweise bereits für zwei große Elbehochwasser 2002 und 2013 im östlichen Teil Deutschlands in den letzten Jahrzehnten verantwortlich (Schröter et al., 2015, Tarasova et al., 2020).

So summierte sich in 4 Tagen verbreitet eine Niederschlagssumme von 100 bis 200 l/m², am Alpenrand lokal um 300 l/m². Zur Einordnung: In den Niederschlagsschwerpunkten entsprachen die Niederschlagsmengen einem Ereignis, wie es statistisch seltener als einmal in hundert Jahren vorkommt; teilweise fiel die doppelte Monatssumme innerhalb weniger Tage.

Zusätzlich waren der vergangene Herbst (2023) und auch das Frühjahr (2024) sehr feucht, wodurch der Boden oft gesättigt war (www.ufz.de/duerremonitor). Wenn der Boden sehr feucht ist, kann er keinen zusätzlichen Niederschlag mehr aufnehmen. Während bei normaler Durchfeuchtung des Bodens meist über 90 % der Regenmenge zunächst im Boden gespeichert wird (Tarasova et al., 2018 a, b) und nur langsam in die Bäche und Flüsse fließt, kann die Abflussmenge bei hoher Bodenfeuchte und großen Niederschlagsmengen stark ansteigen. Dadurch fließt plötzlich der Großteil des Niederschlags sofort ab und kann zu Hochwasser führen. Die Kombination von hohen Niederschlagsmengen der Vb-Wetterlagen und bereits feuchten Böden verursachte somit in den letzten Tagen in vielen Orten Süddeutschlands sehr hohe Hochwasserabflüsse. Einzelne Scheitelabflüsse lagen weit über den bisher gemessenen Ereignissen oder den HQ100-Abflüssen, d.h. dass sie statistisch seltener als einmal in 100 Jahren auftreten. Diese hohen Hochwasserabflüsse sowie mehrere Dammbrüche haben zu schweren Überflutungen geführt.


Publikationen

Schröter, K., Kunz, M., Elmer, F., Mühr, B., & Merz, B. (2015): What made the June 2013 flood in Germany an exceptional event? A hydro-meteorological evaluation. Hydrology and Earth System Sciences, 19(1), 309–327. doi: 10.5194/hess-19-309-2015

Tarasova, L., Basso, S., Zink, M., Merz, R. (2018a): Exploring controls on rainfall‐runoff events: 1. Time series‐based event separation and temporal dynamics of event runoff response in Germany, Water Resour. Res. 54 (10), 7711 - 7732 doi: 10.1029/2018WR022587

Tarasova, L., Basso, S., Poncelet, C., Merz, R. (2018b): Exploring controls on rainfall‐runoff events: 2. Regional patterns and spatial controls of event characteristics in Germany, Water Resour. Res. 54 (10), 7688 - 7710. https://doi.org/10.1029/2018WR022588

Tarasova, L., Basso, S., Wendi, D., Viglione, A., Kumar, R., Merz, R. (2020): A process‐based framework to characterize and classify runoff events – the event typology of Germany, Water Resour. Res. 56 (5), https://doi.org/10.1029/2019WR026951
 

Verschiedene Kombinationen aus Niederschlagsmengen bzw. -intensitäten, der Wasseraufnahmefähigkeit des Bodens und der Topographie des Einzugsgebiets können zu Hochwasserereignissen führen, die sich in ihrer räumlichen Ausdehnung sowie in der Höhe, Dauer und Dynamik der Überflutungen deutlich unterscheiden können (Merz, Tarasova & Basso, 2020). 

So waren aufgrund der erheblichen Niederschlagsmengen im Herbst, insbesondere im November 2023, die Böden gegen Ende des letzten Jahres kaum noch in der Lage, zusätzlichen Niederschlag aufzunehmen. Die Kombination aus Niederschlägen und Schneeschmelze um die Weihnachtszeit 2023 führte dann zu erheblichen Abflussmengen in vielen deutschen Flüssen und der daraus resultierenden Hochwasserlage. Im Unterschied zur Hochwassersituation in Süddeutschland in den vergangenen Wochen im Juni 2024 waren jedoch die Niederschlagsintensitäten zum Jahreswechsel 2023/24 geringer, so dass in zahlreichen Flüssen keine extremen Hochwasserabflüsse auftraten und der Hochwasserschutz extreme Schäden verhindern konnte (https://climxtreme.net/index.php/en/component/content/article/33-news/47-hochwasserlage-dezember-23-januar-24). 

Die Schäden waren dennoch erheblich. Allein in Niedersachsen werden die Reparaturkosten für Straßen, Eisenbahnlinien und Deiche mit 170 Mio. Euro beziffert.

Das Hochwasser in Süddeutschland ist nicht mit dem Ahr-Hochwasser 2021 vergleichbar. Zwar lagen die Niederschlagsmengen innerhalb von 48 Stunden beim Hochwasser im Ahrtal mit 100 bis 150 l/m², lokal bis zu 200 l/m² in einer ähnlichen Größenordnung wie beim Hochwasser in Süddeutschland, jedoch führten die Niederschläge aufgrund des im Vergleich deutlich kleinräumigeren Niederschlagsschwerpunktes und der Enge des Tals zu einer riesigen, schnell abfließenden Hochwasserwelle im Ahrtal. Das schnelle Einsetzen des Hochwassers, die hohen Fließgeschwindigkeiten, die großen Wassertiefen und die große Überflutungsfläche waren außergewöhnlich extrem (Apel et al., 2022). Die Überschwemmung übertraf deutlich die im Juli 2021 vorliegende amtliche Gefahrenkarte für das Extremhochwasserszenario (Vorogushyn et al., 2022). Dieses Extremhochwasser hatte im Ahrtal katastrophale Folgen mit 134 Todesopfern und verursachte einen wirtschaftlichen Schaden von rund 20 Milliarden Euro (Rhein und Kreibich, 2024). Das Hochwasser 2024 in Süddeutschland forderte sechs Todesopfer und weitere Vermisste und verursachte einen vorläufig geschätzten versicherten Schaden von rund zwei Milliarden Euro.

Publikationen

Apel, H., Vorogushyn, S., Merz, B. (2022): Brief communication: Impact forecasting could substantially improve the emergency management of deadly floods: case study July 2021 floods in Germany. NHESS, 22, 9, 3005-3014, https://doi.org/10.5194/nhess-22-3005-2022

Rhein, B., Kreibich, H (2024) Ursachen für die außergewöhnlich hohe Zahl der Todesfälle beim Hochwasser 2021 im Ahrtal. Forum für Hydrologie und Wasserbewirtschaftung Heft 45.24, 55-61, https://de.dwa.de/de/publikationen-7094.html

Merz, R., Tarasova, L., and Basso, S. (2020). The flood cooking book: ingredients and regional flavors of floods across Germany. ERL, 15(11), 114024. https://doi.org/10.1088/1748-9326/abb9dd

Vorogushyn, S., Apel, H., Kemter, M., & Thieken, A. H. (2022). Analyse der Hochwassergefährdung im Ahrtal unter Berücksichtigung historischer Hochwasser. Hydrologie Und Wasserbewirtschaftung, 66(5), 244–254. https://doi.org/10.5675/HyWa_2022.5_2
 

Aus dem Eintrag von fäkalen Keimen ins Hochwasser – u. a. aus Kleinkläranlagen – können sich regionale Problemfälle von einigen Wochen bis Monate ergeben. Keimbelastetes Trinkwasser als Nahrungsmittel ist in diesen Fällen abzukochen, wie im Bereich der Wasserversorgung Unteres Schussental bekanntgegeben, und / oder durch die Trinkwasserwerke zu chloren. Eine Keim- bzw. Schadstoffbelastung von überfluteten öffentlichen Spielplätzen ist nicht auszuschließen, wie in Lauffen, wo eine Nutzung behördlich untersagt wurde. Eine Nutzung sollte deshalb erst erfolgen, wenn diese Plätze durch kommunale Behörden freigegeben wurden.

Schimmelbefall überfluteter Gegenstände, der auch längerfristig anhalten kann, kann gesundheitsschädigende Wirkungen aufweisen. Ggf. ist eine Schutzmaske zu tragen; Hautkontakte sollten vermieden werden (1).

Langfristige, lokale Schäden durch Schadstoffeinträge sind durch ausgetretenes Heizöl aus Heizöltanks / Ölbrennern zu erwarten und u. a. in Nordendorf aufgetreten. Präventionsmaßnahmen sind im Internet u.a. durch das Ministerium für Umwelt im Saarland (2) und das Bayerische Landesamt für Umwelt (3) im Internet veröffentlicht.

Inwieweit weitere Schadstoffe lokal von in Unterführungen überschwemmten Fahrzeugen ausgetreten sind, ist nicht bekannt. Oftmals wird die Watfähigkeit von PKW´s, SUV´s und Kleintransportern überschätzt. Wassertiefen von mehr als 20 cm sind mit einem gewöhnlichen PKW kaum passierbar.

Unterschätzt werden auch ge- oder überflutete Kleingartenhäuser oder Keller, in denen oft u. a. Pestizide, Farben und Lösungsmittel gelagert werden. Treten Behälter in den Kontakt mit Wasser, sind lokale Schadstoffbelastungen nicht auszuschließen. Aufklärungskampagnen wie unter SWR Wissen (4) sind hilfreich.

Als eine wesentliche Präventions- und Sicherheitsmaßnahme im Zusammenhang mit hochwasserbedingten Schadstoffaus- bzw. -einträgen sind die Hygieneregeln zu nennen. So rät das Robert Koch-Institut: „sich nach Überschwemmungsgeschehen bei der Reinigung von Häusern und Wohnungen durch Gummistiefel, wasserdichte Handschuhe und wasserabweisende Kleidung vor dem Kontakt mit möglicherweise mit Krankheitserregern verunreinigtem Wasser zu schützen und sich vor der Zubereitung und dem Verzehr von Lebensmitteln sowie dem Rauchen sorgfältig die Hände mit hygienisch einwandfreiem Wasser zu waschen.“ (5) Diese Maßnahmen schützen auch vor Kontakten mit anderen Schadstoffen.

Weitere mögliche hochwasserbedingte Schadstoffeinträge aus dem Bergbau, der Landwirtschaft sowie von Altlasten aus der Industrie und dem Gewerbe sind oftmals sehr regional und so spezifisch, dass keine allgemeingültigen Aussagen getroffen werden können. Einerseits sind die Eigentümer verpflichtet, solche Schadstoffausträge zu melden. Andererseits haben staatliche Behörden Kenntnis von möglichen Belastungsquellen. Bei Verdachtsfällen sind im Nachgang des Hochwasserereignisses notwendige Untersuchungen entsprechend der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung erforderlich, aus denen sich ggf. Sanierungsmaßnahmen ableiten.


Quellen:

(1) Häufige Fragen bei Schimmelbefall. https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/umwelteinfluesse-auf-den-menschen/schimmel/haeufige-fragen-bei-schimmelbefall#haufige-fragen-bei-schimmelbefall, abgerufen 13.06.2024

(2) Hochwasser und Heizölverbraucheranlagen. https://www.saarland.de/mukmav/DE/portale/wasser/informationen/heizoelverbraucheranlagen/heizoelverbr-hochwasser, abgerufen 13.06.2024

(3) Sichere Heizöllagerung im Überschwemmungsgebiet, abgerufen 13.06.2024

(4) Hochwasser birgt gesundheitliche Risiken. https://www.swr.de/wissen/hochwasser-in-sueddeutschland-gesundheit-risiko-100.html, abgerufen 13.06.2024

(5) Infektionsrisiken in Überschwemmungsgebieten in Deutschland. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/U/Ueberschwemmung/Infektionsrisiken.html, abgerufen 13.06.2024

Die zahlreichen Hochwasserereignisse der letzten Monate, das großräumige Hochwasser im Dezember und Januar 2023/2024, das Hochwasser im Saarland im Mai 2024 und das Hochwasser in Süddeutschland sind beunruhigend und haben erneut zur Diskussion einer Versicherungspflicht geführt. Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz hat die Bundesregierung aufgefordert, eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden einzuführen. Die von der Ampel vorgeschlagene Angebotspflicht reicht den Ministerpräsidenten nicht aus. Forderungen nach einer Pflichtversicherung gegen Hochwasser wurden bisher abgelehnt. Auch am 20. Juni 2024, als der Bundeskanzler und die Länder über eine Pflichtversicherung für Elementarschäden beraten haben, konnten sich Bund und Länder nicht auf eine Hochwasser-Versicherungspflicht einigen (ZDF, 21. Juni 2024; Schäden durch Extremwetter:Bund lehnt Pflichtversicherung weiter ab / https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/pflichtversicherung-hochwasser-bund-laender-treffen-100.html).

Insbesondere das Hochwasser 2002 hatte eine politische Diskussion über eine Hochwasser-Pflichtversicherung ausgelöst, die schließlich 2004 vor allem an der mangelnden Bereitschaft scheiterte, eine staatliche Garantie für extreme Schäden zu übernehmen (Schwarze & Wagner, 2004). Die Diskussion wurde nach dem Hochwasser 2013 wieder aufgenommen, führte aber letztlich zum gleichen Ergebnis. Angesichts der durch den Klimawandel zu erwartenden Zunahme von immer extremeren Hochwasserereignissen (Merz et al. 2021) und der Schwierigkeiten bei der Bewältigung noch nie dagewesener Ereignisse (Kreibich et al. 2022) wird jedoch eine Versicherungslösung zur Abdeckung des Restrisikos immer dringlicher.

Versicherungen können nach einem Hochwasser die Kosten zur Beseitigung des Schadens übernehmen. Sie tragen aber auch aktiv zur Schadensreduktion bei, indem kostengünstige Maßnahmen im Zuge von Vor-Ort-Inspektionen identifiziert werden und somit kleine und häufige Schäden gar nicht erst auftreten. Dazu zählt etwa, Kellerschächte abzudichten, durch die Wasser eindringen könnte.


Publikationen

Kreibich, H., Loon, A. F. V., Schröter, K., et al. (2022): The challenge of unprecedented floods and droughts in risk management. - Nature, 608, 80-86, https://doi.org/10.1038/s41586-022-04917-5

Merz, B., Blöschl, G., Vorogushyn, S., Dottori, F., Aerts, J. C. J. H., Bates, P., Bertola, M., Kemter, M., Kreibich, H., Lall, U., Macdonald, E. (2021): Causes, impacts and patterns of disastrous river floods. - Nature Reviews Earth & Environment, 2, 592-609, https://doi.org/10.1038/s43017-021-00195-3

Schwarze, R., Wagner, G.G. (2004). In the aftermath of Dresden: New directions in German flood insurance. Geneva Papers on Risk and Insurance—Issues and Practise, 29(2), 154–168.

Kommentar von Reimund Schwarze, Franz Sinabell (Der Standard, 10. Juni 2024) https://www.derstandard.at/story/3000000223235/land-unter-und-wer-zahlt-danach
 

Die Maßnahmen zum technischen Hochwasserschutz wie der Bau von Deichen, Dämmen und Retentionsräumen reichen mehrere Jahrzehnte zurück. Nach dem Hochwasser 2013 im Elb- und Donaugebiet, das ebenfalls wie das aktuelle Hochwasser durch ein Vb-Zyklon ausgelöst wurde, beschloss die Umweltministerkonferenz die Erarbeitung und Umsetzung des Nationalen Hochwasserschutzprogramms (NHWSP), um den Hochwasserschutz weiter zu verstärken. Das Programm umfasst insgesamt 242 Einzelmaßnahmen an Donau, Elbe, Rhein, Oder und Weser, darunter 33 Deichrückverlegungen und 61 gesteuerte Hochwasser-Retentionsräume. Das geschätzte erforderliche Investitionsvolumen beträgt 6,7 Milliarden Euro. Beispielsweise sollte im Donaugebiet ein zusätzliches Hochwasser-Rückhaltevolumen von 255 Mio. m3 geschaffen werden (LAWA, 2023). Die Wirksamkeit der geplanten Maßnahmen wurde in einer umfassenden modellbasierten Studie der Bundesanstalt für Gewässerkunde im Auftrag vom Umweltbundesamt untersucht und positiv bewertet. Allerdings wurden bisher (Stand November 2022) nur 9 Maßnahmen umgesetzt. Die meisten Maßnahmen befinden sich in der Konzeptions-, Planungs-, Genehmigungs- oder Bauphase.

Quellen

https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/untersuchungen-zur-ermittlung-der-wirkungen-von

https://www.lawa.de/documents/230531-broschuere-10-jahre-nhwsp-barr_1685951529.pdf

LAWA (2023): 10 Jahre Nationales Hochwasserschutzprogramm (NHWSP). Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA).
 

Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass Hochwasser, bei denen gleichzeitig mehrere Einzugsgebiete und Flussabschnitte betroffen sind, zunehmen (Kemter et al., 2020, Fang et al., 2024). Das Weihnachtshochwasser 2023/2024 war das ausgedehnteste Hochwasser seit über 10 Jahren und auf Rang 9 in den letzten 70 Jahren. Diese zunehmende Ausdehnung ist auf die Veränderung der Hochwasserprozesse zurückzuführen, die mit den aktuellen Klimaänderungen im Einklang gesehen werden können. Solche Ereignisse stellen den Hochwasserschutz vor große Herausforderungen. Eine grenzüberschreitende Kooperation wird zunehmend wichtiger – sowohl bei der Bewältigung von Hochwasserlagen als auch für den koordinierten Hochwasserschutz und Vorsorgemaßnahmen. Zum Beispiel wird die flächendeckende Stärkung von Einsatzkapazitäten, technischer Ausrüstung und Logistik nötig sein, um innerhalb eines kurzen Zeitraums in mehreren Kommunen und Gemeinden die Hochwasserfolgen bewältigen zu können.


Publikationen und Quellen

Fang, B., Bevacqua, E., Rakovec, O., and Zscheischler, J. (2024).: An increase in the spatial extent of European floods over the last 70 years, EGUsphere [preprint], https://doi.org/10.5194/egusphere-2023-2890

Kemter, M., Merz, B., Marwan, N., Vorogushyn, S., & Blöschl, G. (2020). Joint Trends in Flood Magnitudes and Spatial Extents Across Europe. Geophysical Research Letters, 47(7), e2020GL087464. doi:10.1029/2020gl087464

https://climxtreme.net/images/climxtreme/general/ClimXtreme_weihnachtshochwasser23.pdf
 

Eine Studie hat europaweit Veränderungen in Hochwasserabflüssen während der letzten Dekaden untersucht. Für Mitteleuropa und Nordwesteuropa ergaben sich überwiegend statistisch signifikante Zunahmen, d.h. die Hochwasserstände haben in den letzten Jahrzehnten großräumig zugenommen. Wir sehen in den Beobachtungsdaten auch, dass Extremniederschläge zunehmen. 

Eine Studie hat beispielsweise die Anzahl von Rekordniederschlägen von tausenden von Klimastationen ausgewertet. Es zeigt sich, dass in den letzten Jahren die Anzahl von Rekordniederschlägen, also Niederschlägen, die bisher an diesen Stationen noch nicht gemessen wurden, weltweit um 30 Prozent höher liegen, als man in einer Welt ohne Klimawandel erwarten würde.


Publikationen

Blöschl, G., Hall, J., Viglione, A., Perdigão, R. A. P., Parajka, J., Merz, B., . . . Živković, N. (2019). Changing climate both increases and decreases European river floods. Nature, 573(7772), 108-111. doi:10.1038/s41586-019-1495-6

Robinson, A., Lehmann, J., Barriopedro, D., Rahmstorf, S., & Coumou, D. (2021). Increasing heat and rainfall extremes now far outside the historical climate. Npj Climate and Atmospheric Science, 4(1), 3–6. https://doi.org/10.1038/s41612-021-00202-w

Der Klimawandel verändert die Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten von extremen Wetterereignissen und damit von Überschwemmungen. Diese Veränderungen sind aber regional und für verschiedene Hochwassertypen unterschiedlich (Kemter et al., 2020; Tarasova et al., 2023). Eine sehr direkte Verbindung zwischen Klimawandel und Hochwasser besteht bei lokalen Überschwemmungen, ausgelöst durch kurze und heftige Regenfälle, wie zum Beispiel durch Gewitter. Durch die Erderwärmung erhöhen sich insbesondere die lokalen Starkniederschläge, und wir sehen in Deutschland eine Tendenz zu mehr konvektionsträchtigen Wetterlagen. 

Die Auswirkungen des Klimawandels auf Flusshochwasser sind weniger eindeutig. Hier kommt es auf das Zusammenspiel von Starkniederschlag und Wassergehalt im Einzugsgebiet (z.B. im Boden und Grundwasser) an. Außerdem spielen in Gebirgsregionen die Auswirkungen des Klimawandels auf Schneefall und Schneeschmelze eine Rolle. Insgesamt werden wir aber öfter als bisher in eine Situation kommen, in der die bisherigen Schutzmaßnahmen überlastet sind.

Insofern braucht es neben technischen Schutzmaßnahmen wie Deichen und Rückhaltebecken eine bessere Vorbereitung auf solche Extremereignisse. Eine sinnvolle Maßnahme ist die Verbesserung der Warnsysteme und der Reaktion der Bevölkerung bei Extremsituationen (Najafi et al., 2024). Nur wenn die Menschen informiert sind und wissen, was zu tun ist, können sie im Notfall gut reagieren (Kreibich et al., 2021).

Eine weitere Maßnahme ist es, unsere kritische Infrastruktur (z.B. Energie- und Wasserversorgung, Krankenhäuser) und unsere sensible Infrastruktur (z.B. Pflegeheime) Stresstests zu unterziehen, neuralgische Punkte zu identifizieren und dafür zu sorgen, dass in solchen Fällen die Schäden und Ausfälle weitgehend reduziert werden können.


Publikationen

Husain Najafi, Pallav Kumar Shrestha, Oldrich Rakovec, Heiko Apel, Sergiy Vorogushyn, Rohini Kumar, Stephan Thober, Bruno Merz, and Luis Samaniego: High-Resolution Impact-based Early Warning System for Riverine Flooding. Nature Communications, https://doi.org/10.1038/s41467-024-48065-y

Kreibich, H., Hudson, P., & Merz, B. (2021). Knowing What to Do Substantially Improves the Effectiveness of Flood Early Warning. Bulletin of the American Meteorological Society, 102(7), E1450-E1463. https://doi.org/10.1175/BAMS-D-20-0262.1

Kemter, M., Merz, B., Marwan, N., Vorogushyn, S., & Blöschl, G. (2020). Joint Trends in Flood Magnitudes and Spatial Extents Across Europe. Geophysical Research Letters, 47(7), e2020GL087464. https://doi.org/10.1029/2020GL087464

Tarasova, L., Lun, D., Merz, R., Blöschl, G., Basso, S., Bertola, M., Miniussi, A., Rakovec, O., Samaniego, L., Thober, S., Kumar, R. (2023): Shifts in flood generation processes exacerbate regional flood anomalies in Europe, Commun. Earth Environ. 4, doi:10.1038/s43247-023-00714-8

Aus hydrologischer Sicht sprechen wir nicht von Jahrhunderthochwasser, sondern von 100-jährlichem Hochwasser. Dieser Begriff drückt aus, dass wir durchschnittlich einmal in 100 Jahren mit einem solchen Ereignis an einem bestimmten Ort rechnen müssen. Das bedeutet aber nicht, dass ein solches Ereignis alle 100 Jahre eintritt, denn Extremhochwasser treten nicht regelmäßig auf. Es bedeutet, dass wir in einem bestimmten Jahr eine 1-Prozent-Wahrscheinlichkeit für ein solches Ereignis haben. Es können auch mehrere solche Ereignisse in wenigen Jahren auftreten. 

Ein weiterer Aspekt ist, dass der Begriff 100-jährliches Hochwasser von einer konstanten Umwelt ausgeht. Durch den Klimawandel und Eingriffe in unsere Landschaften und Flüsse verändert sich aber die Wahrscheinlichkeit, mit der ein bestimmtes Hochwasser auftritt. Was gestern ein 100-jährliches Hochwasser war, kann heute beispielsweise ein 20-jährliches Ereignis sein.

Aus diesen Gründen, aber auch aus psychologischen Gründen ist der Begriff Jahrhunderthochwasser problematisch. Er kann leicht interpretiert werden als das schlimmste Hochwasser, was in einem Jahrhundert passieren kann. Und wenn ein solches Jahrhunderthochwasser eingetreten ist, klingt es, als ob das nächste vergleichbar schwere Ereignis erst weit in der Zukunft passieren kann. Beides ist aber nicht der Fall. Auch wenn es für Bürger:innen nicht so gut eingängig ist wie der Begriff Jahrhunderthochwasser, wäre es wohl besser, mit Wahrscheinlichkeiten zu arbeiten. Und zu vermitteln, dass sich diese Wahrscheinlichkeiten vor allem durch den Klimawandel verändern können.

Wie gut Hochwasser regional vorhergesagt werden können, hängt unter anderem davon ab, wie gut die Niederschlagsvorhersagen sind. Beim aktuellen Ereignis traten großräumige Starkniederschläge kombiniert mit gewittrigen Einlagerungen auf. Während Großwetterlagen mit einigen Tagen Vorlauf relativ sicher vorhergesagt werden können, erschweren Gewitter die genaue Vorhersage erheblich. Kombinationen aus Landregen und Gewitter bereiten daher beim Warnmanagement große Probleme (1). Als beispielsweise in Sachsen Ende Mai erste Hochwasser-Vorwarnungen herausgegeben wurden, bestanden laut DWD noch Unsicherheiten bezüglich der räumlichen Ausdehnung und Menge des Niederschlags (2).

Quellen

(1) Jahrhunderthochwasser in Süddeutschland - eine Nachlese. https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2024/6/4.html, abgerufen 14.06.2024

(2) Hochwasser – Vorwarnung für weite Teile Sachsens. https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/1076076, abgerufen 14.06.2024


11. März 2024: Ist die Dürre vorbei?

Die Dürre ist eine statistische Einordnung der aktuellen Situation. Was man dazu wissen muss: Die Bodenfeuchte hat einen Jahresgang. Es ist vollkommen normal, dass vor allem der Boden auf dem obersten halben Meter im Winter sehr nass wird – teilweise so nass, dass er kein zusätzliches Wasser mehr aufnehmen kann. In den Sommer hinein trocknet der Boden dann jedes Jahr von oben nach unten aus.

Die Dürre-Informationen rechnen den Jahresgang heraus. Beispiel Juli 2023: Man ordnet die aktuelle Situation (Juli 2023) in die vergangenen Juli-Situationen zurück bis ins Jahr 1951 ein. Erst wenn es so trocken ist, wie man es statistisch alle fünf Jahre erwarten würde, ist es eine Dürre. Die verschiedenen Dürreklassen sind dann zehn-, zwanzig-, und fünfzigjährliche Ereignisse.

Eine ausführliche wissenschaftliche Erläuterung zur Dürre als Abweichung vom langjährigen Erwartungswert ist auf der Website des UFZ-Dürremonitor im Akkordeon „Was bedeutet Dürre“ unter den drei Karten (Gesamtboden, Oberboden und pflanzenverfügbares Wasser) zu finden.

Der UFZ-Dürremonitor liefert täglich flächendeckende Informationen zum Bodenfeuchtezustand des Gesamtbodens (1,80 Meter Tiefe), des Oberbodens (25 Zentimeter Tiefe) und des pflanzenverfügbaren Wassers in Deutschland. Grundlage sind Simulationen mit dem am UFZ entwickelten mesoskaligen hydrologischen Modell mHM. Im mHM-Modellsystem werden deutschlandweit Bodenart, Bodentiefe, Bodenporosität, Höhenmodell, Hangneigungen, Landnutzungen (Acker, Weide, Wald, …), Flüsse und die Bewegung des Niederschlagswassers (Abfluss, Versickerung) abgebildet. Das Modell wird jede Nacht mit dem Wetter als Eingangsdaten gefüttert. Das sind Daten von 2.500 Messstationen des Deutschen Wetterdienstes. Diese werden qualitätskontrolliert und auf die Fläche interpoliert. Das hydrologische Modell liefert dann eine Karte der Bodenfeuchte in unterschiedlichen Tiefen. Die Karte wird genutzt, um einzuschätzen, wie trocken es ist, ob eine Dürre im Boden vorhanden ist oder nicht und wenn ja, in welcher Stärke (5 Trockenklassen von (1) ungewöhnlich trocken über (2) moderate Dürre, (3) schwere Dürre, (4) extreme Dürre bis (5) außergewöhnliche Dürre). Dann erfolgen die Visualisierung und die Bereitstellung im Internet auf der Webseite des UFZ-Dürremonitor.
 

Das Jahr 2023 und der Winter 2023/2024 waren praktisch in ganz Deutschland überdurchschnittlich regenreich, allerdings mit einem West-Ost-Gefälle. Je weiter östlich, desto geringer fiel dieser Überschuss aus. In einigen Regionen habe die Böden dort zudem hohe Ton- und Lehmanteile mit geringen Versickerungsgeschwindigkeiten. Folglich sind regionale Unterschiede in der Dürregenese zu erwarten und zu berücksichtigen.

Aktuell (Mitte März 2024) gibt es nach der allgemein gültigen Dürre-Definition laut UFZ-Dürremonitor einzelne regionale Trockenheiten bis 60 cm Bodentiefe, aber keine Dürre mehr. Dürrebedingungen werden nur noch für den Gesamtboden bis maximal zwei Meter Tiefe in wenigen Landesteilen detektiert (siehe Referenzen).

Der Boden ist dabei ein Kompartiment im Wasserkreislauf; Dürren können hydrologisch außerdem das Grundwasser, die Wasserstände in Flüssen, Seen und Talsperren betreffen.

Neben dem Bodenwasser haben sich auch die Grundwasserstände nach fünf unterdurchschnittlichen Jahren in den oberflächennahen Grundwasserleitern erholt und erreichen teilweise sogar neue Höchststände. Im Kontrast dazu sind die Pegel in den tieferen Grundwasserkörpern vieler Regionen Deutschlands noch deutlich unter den langjährigen Mittelwerten. Zugleich gibt es Messstellen, die nur sehr geringe Reaktionen sowohl auf den regenreichen Winter 2023/2024 als auch auf die vorangegangenen trockenen Jahre zeigen. Das verdeutlicht, dass die Grundwasserneubildung nicht in allen Grundwasserkörpern und Grundwasserstockwerken gleich verläuft und nicht allein aus dem lokalen Niederschlag und dem Feuchtezustand des Bodens abgeleitet werden kann.

Auch die Wasserstände einiger ausschließlich vom Grundwasser gespeister Seen haben sich aufgrund der langen Fließzeiten des Wassers im Untergrund noch nicht wieder erholt. Ein Beispiel dafür ist der Seddiner See in Brandenburg, dessen Wasserstand in den letzten Monaten zwar wieder um 40 cm gestiegen ist, aber im März 2024 immer noch 110 Zentimeter unter dem Wert vor 2017 liegt (siehe Referenzen).

Die hohen Niederschläge Ende Dezember/Anfang Januar trafen vielerorts auf bereits mit Wasser gesättigte Böden, was zu teils großflächigen und lange anhaltenden Überschwemmungen führte, mit regionalen Schwerpunkten in Norddeutschland, insbesondere Niedersachsen sowie Sachsen-Anhalt, Thüringen und Nordrhein-Westfalen. Dabei handelte es sich aber um ein in unseren Breiten nicht untypisches Winterhochwasser. Diese entstehen, wenn durch langanhaltende Niederschläge bei wenig Verdunstung zunächst der Oberboden mit Wasser gesättigt wird und dadurch ein ungewöhnlich großer Anteil des Niederschlags direkt abfließt und das Hochwasser bildet.


Referenzen:

UFZ-Dürremonitor (https://www.ufz.de/index.php?de=37937)

Ralf Merz et al 2020. The flood cooking book: ingredients and regional flavors of floods across Germany. Environ. Res. Lett. 15 114024
https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/abb9dd

Pegelstände für Oberflächengewässer und Grundwasser sind bspw. über die Umweltämter der Bundesländer abrufbar, zum Beispiel:

https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/wasser/guq-messungen#karte
https://www.grundwasserstandonline.nlwkn.niedersachsen.de/Start
https://www.wasser.sachsen.de/grundwasserstaende.html
https://lfu.brandenburg.de/lfu/de/aufgaben/wasser/fliessgewaesser-und-seen/quantitative-gewaesserkunde/hydrologische-wochenberichte/
https://www.gkd.bayern.de/
https://antares.thueringen.de/cadenza/
 

Es gibt Langzeitfolgen der Dürre, die noch sehr viel länger als im Boden über Monate und Jahre wirksam und spürbar sein werden.

Nach flächenhaften Schäden von Fichten in den „Industriewäldern“ der Mittelgebirge durch Dürre und in Folge durch Borkenkäfer und Pilzbefall seit 2018 werden jetzt weitere Waldschäden immer sichtbarer. Dabei sind die Mortalitätsraten von durchschnittlich ca. 0.25 % bis 2018 bei Nadelbäumen auf über 2 %, und bei Laubbäumen auf 0,75 % angestiegen. Die Kronenverlichtung von Laubbaumarten erreichte im Jahr 2020 den schlechtesten Wert seit Beginn der systematischen Erhebungen Anfang der 1980er Jahre und betrifft alte Bäume. Auch wenn dafür ein Ursachenkomplex unterschiedlicher Faktoren verantwortlich gemacht wird, spielen die Wasserversorgung der Bäume und Dürreperioden im Waldboden dabei eine wichtige Rolle.

Es sind in Deutschland zwischen 2018 und 2019 über 500.000 ha Wald abgestorben, überwiegend Nadelwälder in den Mittelgebirgen, aber auch Laubmischwälder sind stark geschädigt. Im Harz sind laut UFZ-Waldzustandsmonitor beispielsweise ca. 80 % des Nadelwaldes stark geschädigt oder abgestorben. Insbesondere die Mitte Deutschlands (Sächsische Schweiz, Harz, Thüringer Wald, Sauerland) ist betroffen. In ihren Einzugsgebieten verändert sich dadurch der Wasserhaushalt und damit das Verhältnis von Verdunstung, Speicherung und Abfluss. Zusätzlich wird die Wasserqualität verändert, weil erhöhte Mengen an Mineralien und Nährstoffen ausgewaschen werden. Es ist zu beobachten, dass dies allmählich beginnt, und es ist zu erwarten, dass dies viele Jahren andauern wird – bis sich eine neue Waldvegetation etabliert hat. Fließgewässer mit Einzugsgebieten in abgestorbenen Waldbeständen können in dieser Phase Nitratkonzentrationen erreichen wie die in Agrarlandschaften mit künstlicher Düngung. Auch die Anfälligkeit gegenüber Bodenerosion mit entsprechenden Stoffeinträgen steigt. Dies hat entsprechende Auswirkungen auf die Wasserqualität der Flüsse, insbesondere aber auf Talsperren in solchen Einzugsgebieten, in denen die Gefahr schädlicher Algenblüten steigt.

Gewässereinzugsgebiete und Fließgewässer verlieren in Dürreperioden in erheblichem Umfang ihre Rückhaltekapazität für Nährstoffe wie Stickstoff. Insbesondere in landwirtschaftlichen Nutzflächen werden während Dürrezeiten in den trockenen Böden natürliche Abbaupotenziale verringert und dadurch Nährstoffvorräte aufgebaut, die in den anschließenden Niederschlagsperioden wieder ausgewaschen werden können. Sie gelangen dann auf langen Fließwegen über die Flüsse in Seen, Talsperren, die Küsten und die Meere. Auf diesem Weg können sie zusammen mit den ohnehin immer noch zu hohen Nährstoffeinträgen aus anderen Quellen zu den regelmäßig auftretenden Algenblüten (Eutrophierung) in vielen Gewässern beitragen, auch wenn die Dürre länger zurück liegt.

Durch die ungewöhnliche Dürre sind zudem vermehrt Kleingewässer schon im Frühjahr ausgetrocknet, die in den Jahren zuvor permanent oder bis in den Sommer hinein Wasser führten. Dieser Trockenstress schädigt nicht nur die permanent im Wasser lebenden Tiere wie Fische, sondern hat auch zu einem Rückgang von Amphibienpopulationen geführt, die in ihrer Entwicklung auf ausreichend temporär wasserführende Kleingewässer angewiesen sind. Ob und wie schnell sich die Bestände erholen, müssen zukünftige Untersuchungen zeigen.

Und nicht zuletzt sind die ökonomischen Folgen zu nennen. So wurden die extremwetterbedingten Schäden durch Hitze, Dürre und Hochwasser in einer aktuellen Studie für Deutschland in den Jahren 2018-2021 auf über 80 Mrd. € (20 Mrd. €/Jahr) geschätzt (siehe Referenzen). Diese Kosten werden private und öffentliche Haushalte sowie viele Wirtschaftsbetriebe noch lange belasten.

Neben diesen Auswirkungen auf Wasserkreislauf, Landschaft und Naturräume hat die Dürre unsere Sichtweise auf den Klimawandel verändert. Die Probleme durch Extremereignisse sind greifbarer geworden und die Sensibilisierung unserer Gesellschaft darüber, dass Anpassungsmaßnahmen, Reaktionspläne und Sicherungsmaßnahmen notwendig sind, wächst.


Referenzen:

UFZ-Waldzustandsmonitor: https://web.app.ufz.de/waldzustandsmonitor/

Waldzustandserhebung 2022:
https://www.bmel.de/DE/themen/wald/wald-in-deutschland/waldzustandserhebung.html

Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) (2022). Extremwetterschäden in Deutschland seit 2018. Berlin, 8 Seiten.
Klimawandelfolgen Deutschland - Kurzusammenfassung Extremwetterschäden

Kong, X., Ghaffar, S., Determann, M., Friese, K., Jomaa, S., Mi, C., Shatwell, T., Rinke, K., Rode, M. (2022). Reservoir water quality deterioration due to deforestation emphasizes the indirect effects of global change. Water Res. 221, art. 118721

Yang, X., Zhang, X., Graeber, D., Hensley, R., Jarvie, H., Lorke, A., Borchardt, D., Li, Q., Rode, M. (2023). Large-stream nitrate retention patterns shift during droughts: seasonal to sub-daily insights from high-frequency data-model fusion. Water Res. 243 , art. 120347

Winter, C., Nguyen, V.T., Musolff, A., Lutz, S.R., Rode, M., Kumar, R., Fleckenstein, J.H. (2023): Droughts can reduce the nitrogen retention capacity of catchments. Hydrol. Earth Syst. Sci. 27 (1), 303 – 318

Chiacchio, M., Mazoschek, L., Vershinin, V., Berzin, D., Partel, P., Henle, K., Grimm-Seyfarth, A. (2022): Distant but similar: Simultaneous drop in the abundance of three independent amphibian communities. Conserv. Sci. Pract. 4 (11), e12835

Wirth, C., Engelmann, R.A., Haack, N., Hartmann, H., Richter, R., Schnabel, F., Scholz, M., Seele-Dilbat, C. (2021): Naturschutz und Klimawandel im Leipziger Auwald : ein Biodiversitätshotspot an der Belastungsgrenze. Biodiversity conservation and climate change in the floodplain forest of Leipzig. Biologie in unserer Zeit 51 (1), 55 - 65.
https://www.biuz.de/index.php/biuz/article/view/4107

Schnabel, F., Purrucker, S., Schmitt, L., Engelmann, R.A., Kahl, A., Richter, R., Seele-Dilbat, C., Skiadaresis, G., Wirth, C. (2022): Cumulative growth and stress responses to the 2018–2019 drought in a European floodplain forest. Glob. Change Biol. 28 (5), 1870 - 1883.
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/gcb.16028
 

Durch die gefüllten Wasserspeicher ist die Dürregefahr für den Boden in diesem Jahr geringer als in den Vorjahren einzuschätzen. Durch den Persistenzeffekt gilt dies für den Gesamtboden, nicht aber für den Oberboden oder das pflanzenverfügbare Wasser.

Auch die Grundwasserstände zeigen nach dem regenreichen Winter 2023/2024 an vielen Messstellen, vor allem in oberflächennahen Grundwasserkörpern, deutliche Zeichen des Ansteigens der Wasserstände teils bis in den Bereich der langjährigen, mittleren Höchststände. Tiefere Grundwasserleiter reagieren jedoch oft weniger stark und zeitlich deutlich verzögert auf höhere Niederschläge und den damit verbundenen Anstieg der Infiltration von Wasser in den Boden. Eine belastbare Aussage über die mittel- und langfristige Entwicklung der Wasserstände in diesen Grundwasserleitern ist daher im Moment nur eingeschränkt möglich und hängt vom weiteren Verlauf der Niederschläge und Temperaturen ab.

Hohe Füllstände können für die Talsperren, insbesondere die Trinkwassertalsperren, verzeichnet werden. Bei vielen Anlagen haben sich Wasserstände am sogenannten Stauziel eingestellt, die in den Dürrejahren nicht mehr erreicht werden konnten. Das ist ein sehr guter Ausgangspunkt, falls die Verhältnisse im Sommer wieder trocken und heiß werden.

Konkretere Aussagen oder gar Vorhersagen zur Entwicklung der Wassersituation sind für die nächsten Wochen oder Monate wissenschaftlich fundiert nur bedingt und mit entsprechenden Unsicherheiten möglich (siehe Referenzen). Valide Anhaltspunkte gibt das Sub-seasonal Hydroclimatic Forecasting System des UFZ.

Es ist auch in der aktuellen Situation nach einer niederschlagsreichen Periode geboten, die einschlägig verfügbaren Informationen für einen vorsorgeorientierten Umgang mit Wasser und den Umgang mit Extremereignissen zu nutzen. Dabei geben auch die Erfahrungswerte der zurückliegenden Jahre wichtige Anhaltspunkte. So war auch der Winter 2017/2018 überdurchschnittlich warm, und im Februar 2018 waren die Böden außergewöhnlich nass. Ab März 2018 begann dann aber die mehrjährige Dürre, die es in dieser Intensität seit mehr als 160 Jahren so nicht gegeben hat – mit entsprechenden Folgen für den Wasserhaushalt.


Referenzen:

Attinger, S., Marx, A., Boeing, F., Borchardt D. und Teutsch, G. (2024). Über Auswirkungen verschiedener Klimamodellensembles auf Klimafolgenabschätzungen des Wasserhaushalts in Deutschland. Energie-Wasser-Praxis 2, 52 – 56.

Friedrich Boeing et al (2024). Increasing influence of evapotranspiration on prolonged water storage recovery in Germany. Environ. Res. Lett. 19 024047
https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/ad24ce

Sub-seasonal Hydroclimatic Forecasting System:
https://www.ufz.de/index.php?en=47304

UFZ-Expertin und UFZ-Experten

Prof. Dietrich Borchardt, Hydrobiologe, UFZ Magdeburg,
Expertise: Wasserressourcen: Qualität, Quantität und Management, politische Prozesse

Dr. Andreas Marx, Klimawissenschaftler, UFZ Leipzig
Expertise: Klimafolgen, Wasserhaushalt und Extremereignisse, UFZ-Dürremonitor

Prof. Ralf Merz, Hydrologe, UFZ Halle
Expertise: Hydrologische Extremereignisse (Hochwasser, Dürre), Wasserverfügbarkeit

Dr. Christian Siebert, Hydrologe, UFZ Halle
Expertise: Grundwasser, Wasserverfügbarkeit

Prof. Sabine Attinger, Theoretische Physikerin, UFZ Leipzig
Expertise: Umweltsystemmodell

Prof. Luis Samaniego, Hydrologe, UFZ Leipzig
Expertise: hydrologische Modelle

Dr. Karsten Rinke, Gewässerbiologe, UFZ Magdeburg
Expertise: Seen, Wasserressourcen, politische Prozesse

Prof. Dr. Jan Fleckenstein, Hydrogeologe, UFZ Leipzig
Expertise: Grundwasser, Wasserqualität

Prof. Dr. Markus Weitere, Gewässerökologe, UFZ Magdeburg
Expertise: Gewässerökologie

Prof. Michael Rode, Modellierer, UFZ Magdeburg
Expertise: Gewässermodellierung

Dr. Daniel Doktor, Fernerkundler, UFZ Leipzig
Expertise: Waldmodellierung

Dr. Friedrich Bohn, Modellierer, UFZ Leipzig
Expertise: Waldmodellierung

Dr. Mathias Scholz, Auenökologe, UFZ Leipzig
Expertise: Auenökologie, Renaturierung, Bioindikation und Monitoring in Flussauen
 


5. Januar 2024: Hochwasser – Von einem Extrem ins andere!

Der UFZ-Dürremonitor zeigt aktuell, dass es im Oberboden, also in den obersten 25 Zentimetern, derzeit keine Dürre in Deutschland gibt. In Niedersachsen sind beispielsweise die Böden bis in eine Tiefe von 60 Zentimeter nass und vielerorts so hoch mit Wasser gesättigt, dass Niederschläge in den nächsten Tagen zu großen Teilen oberflächlich, das heißt schnell und direkt in die angrenzenden Gräben und Flüsse abfließen werden.

Bundesweit gibt es derzeit nur noch vereinzelte Bereiche mit Trockenheit im Gesamtboden (bis 1,80 Meter Tiefe), dazu zählen insbesondere kleine Areale im Osten Deutschlands, die aufgrund von starken, bodenartbedingten Wasserstaueffekten erklärt werden können. Vorbei ist die Dürre im Gesamtboden zum Beispiel in Niedersachsen. Dort sind die Böden auch bis in zwei Meter Tiefe nass. Nachdem es fünf Jahre lang wesentlich zu trocken war, sind die Böden jetzt sehr nass und teilweise mit Wasser überstaut. Das Ergebnis ist aber keine Normalisierung, sondern eine Entwicklung von einem Extrem ins andere: Von viel zu trocken in viel zu nass.
Die gesamte Bodenwasser- und Grundwassersituation kann im Moment allerdings nicht als gut bezeichnet werden, da zu nass genau wie zu trocken zu erheblichen Folgeschäden bei vielen Nutzungen führt. So wurden die extremwetterbedingten Schäden durch Hitze, Dürre und Hochwasser in einer aktuellen Studie für Deutschland von 2000 bis 2021 auf mindestens 6,6 Mrd. € jährlich geschätzt, mit einer direkten Schadenshöhe von über 114 Mrd. € und mehr als 30 Mrd. € indirekter Schäden.

Durch die gefüllten Wasserspeicher ist die Dürregefahr in diesem Jahr als geringer als in den Vorjahren einzuschätzen. Eine konkretere Vorhersage ist aber nicht möglich. Im Februar 2018 waren die Böden ebenfalls außergewöhnlich nass, ab März folgte dann eine beispiellose Dürre mit Milliardenschäden in unterschiedlichen Sektoren.

Die sogenannte nutzbare Feldkapazität, also die Kapazität des Bodens zur Aufnahme von Wasser (detailliertere Erläuterungen zum Begriff "Feldkapazität" finden Sie auf den Webseiten des UFZ-Dürremonitor unter der Überschrift "Was ist das pflanzenverfügbare Bodenwasser?"), liegt aktuell bei mehr als 100 Prozent. Die Böden sind also an der Oberfläche übervoll, das Wasser kann nicht mehr schnell genug nach unten versickern. In der Folge läuft das Niederschlagswasser nicht in den Bodenspeicher, sondern oberflächennah und damit schnell ab, das heißt direkt in Gräben und Flüsse - und verschlimmert die Hochwasserlage.

Ein weiteres Problem ist die Bodenerosion. Das Wasser in den Flüssen ist braun gefärbt, weil dort Schwebstoffe mitgetragen werden. Sie werden vor allem von fruchtbaren landwirtschaftlichen Flächen in den Einzugsgebieten der Flüsse abgetragen.

Auch für die Wälder haben die nassen Böden Folgen: Weil die Wurzeln der Bäume in einem nassen Boden nicht so gut Halt finden wie in trockenem Boden, drohen diese schon bei leichteren Stürmen schneller umzufallen. 

 Die Grundwasserstände haben sich erholt. Fast alle Grundwasserstände sind deutlich höher als normal, zum Teil wurden neue Grundwasserhöchststände gemessen. In Niedersachsen stehen zum Beispiel fast alle Grundwasserstände mindestens über dem Wert, der in 75 Prozent der Fälle erreicht wird.

Die Talsperren erfüllen multiple Funktionen, bei der Rappbodetalsperre im Harz kommen beispielsweise Hochwasserschutz und Trinkwasserversorgung zusammen. Beide Nutzungen sind gegenläufig und im Talsperrenmanagement nicht einfach unter einen Hut zu bringen - der Hochwasserschutz will leere Becken, die Trinkwasserversorgung volle Becken. In den Dürrejahren war am Ende des Sommers das Wasser knapp. Seitdem sind die Talsperrenbetreiber dafür sensibilisiert, in der feuchten Jahreszeit die Talsperren zu füllen, um deren Speicherfunktion zu nutzen. Für den Hochwasserschutz wird dafür ein sogenannter Hochwasserschutzraum ausgewiesen, der im Falle von Starkniederschlägen zur Hochwasserminderung im Unterlauf genutzt wird. Genau das ist im Harz erfolgt. Dementsprechend und richtigerweise steigt dann der Pegel der Talsperre.

Die Hochwasserprobleme gibt es im Flachland derzeit nicht nur in den großen Fließgewässern, wo alles zusammenfließt, sondern auch in vielen kleineren und mittelgroßen Flüssen. Die Einzugsgebiete, die durch die Talsperren kontrollierbar sind, sind klein im Vergleich zu den Gesamt-Einzugsgebieten, z. B. von Haase, Oker, Leine oder gar Weser, wo es derzeit die großen Überschwemmungen gibt. Die Talsperren haben deshalb hier nur geringen Einfluss, selbst wenn sie ganz leer wären wie zu Beginn des Regens. Sie schützen vor allem die direkt unterliegenden Fließgewässer vor Überschwemmungen.

Wenn die bevorstehenden Niederschläge als Schnee fallen, könnte dies die Hochwassersituation verbessern. Der Schnee speichert die Niederschläge in der Schneedecke und führt nicht sofort zu einem Anstieg unserer Flüsse. Gefrorene Böden können auch zur Stabilität der Deiche beitragen, aber sehr kalte Temperaturen erschweren die Hochwasserschutzarbeiten vor Ort. Entscheidend wird jedoch sein, wie lange die Kälteperiode anhält und ob nach ihrem Ende Tauwetter mit weiterem Regen einsetzt. Solche Regen-auf-Schnee-Ereignisse können, besonders wenn die Flüsse bereits viel Wasser führen, sehr schnell zu einer sehr kritischen Hochwassersituation führen.

 Durch die erheblichen Niederschlagsmengen im Herbst, insbesondere im November 2023, waren die Böden gegen Ende des Jahres kaum noch in der Lage, zusätzlichen Niederschlag aufzunehmen. Die Kombination von Niederschlägen und der Schneeschmelze um die Weihnachtszeit führte dann zu erheblichen Abflussmengen in vielen deutschen Flüssen und resultierte in der aktuellen Hochwasserlage.

Obwohl in zahlreichen Flüssen die historischen Höchststände noch nicht erreicht wurden und Hochwasserschutzdämme bisher kaum überflutet wurden, stellen die anhaltend hohen Wasserstände in vielen Flüssen eine erhebliche Gefahr dar. Einerseits besteht die Gefahr, dass Hochwasserschutzdämme durchnässt und erodiert werden, wodurch ein Bruch droht. Daher sind eine kontinuierliche Überwachung und Stabilisierung oder die Schaffung von Entlastungs- bzw. neuen Retentionsräumen unerlässlich. Andererseits können stark steigende Grundwasserstände zu feuchten Kellern und Stabilitätsproblemen feuchter und nasser Wände und Holzkonstruktionen führen.

Historisch betrachtet haben solche Bedingungen bereits häufig zu Hochwasserereignissen geführt - gerade auch in den aktuell betroffenen Regionen in der Mitte Deutschlands in den letzten 50 Jahren. Im Gegensatz dazu wurde das Ahrhochwasser 2021 durch sehr intensive Starkregenereignisse innerhalb weniger Tage ausgelöst und zeichnete sich durch einen rapiden Anstieg des Wasserstandes und extrem hohe Abflüsse in der Ahr aus.
Besonders bemerkenswert an der aktuellen Hochwassersituation ist die enorme räumliche Ausdehnung mit Hochwasserwarnungen in nahezu allen Bundesländern. Eine vergleichbar großflächige Hochwassersituation ereignete sich beispielsweise im Februar 1970, mit Hochwasserereignissen von Bayern bis zur Nordseeküste.

Hochwasserschutz sollte stets eine Kombination verschiedener Maßnahmen darstellen. Zunächst müssen betroffene Bürger umfassend informiert sein und wissen, wie sie sich im Ernstfall schützen können. Hierzu gehören zuverlässige Hochwasservorhersagen und effektive Hochwasserwarnungen, die die betroffene Bevölkerung auch erreichen, und gut ausgebildete Entscheidungsträger, die die richtigen Maßnahmen treffen. Dass dies auch in Deutschland nicht immer funktioniert, wurde beim Ahrhochwasser deutlich.

Des Weiteren bedarf es einer Neubewertung technischer Hochwasserschutzmaßnahmen. Aufgrund des Klimawandels ist mit einer Zunahme von Hochwasserereignissen und dem Auftreten von Hochwässern in Flussgebieten zu rechnen, die in den vergangenen Jahrzehnten von größeren Hochwässern verschont blieben. Auch werden Hochwässer auftreten, die sich in Dauer, Geschwindigkeit und Höhe des Wasseranstiegs deutlich von ihren historischen Vorgängern unterscheiden. Erfahrungen aus der Vergangenheit werden nicht immer reichen, um auf die zukünftig veränderte Hochwasserbedingungen gut vorbereitet zu sein. Angesichts der Tatsache, dass mehr als zwei Drittel der natürlichen Retentionsräume verlorenen gegangen sind, sind insbesondere identifizierte Potenziale für einen naturnahen Hochwasserschutz zu nutzen (siehe auch: https://www.bfn.de/publikationen/bfn-schriften/bfn-schriften-489-potenziale-zur-naturnahen-auenentwicklung). So zeigte sich in Studien des Umweltbundesamts (UBA) und der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) zum Nationalen Hochwasserschutzprogramm, dass solche Maßnahmen einen maßgeblichen Beitrag zur Absenkung des Scheitels von Hochwassern an den großen Flüssen leisten. Er liegt für viele der modellierten Hochwasserereignisse in den Einzugsgebieten von Elbe, Donau und Rhein zwischen 10 und 50 cm (siehe auch: https://www.umweltbundesamt.de/node/87251/ oder https://www.bafg.de/DE/Service/presse/2021-05-26_NHWSP.html).

In letzter Konsequenz muss auch geprüft werden, ob alle Siedlungen ausreichenden Hochwasserschutz bieten, ob in gefährdeten Gebieten noch weiter gebaut werden darf oder langfristig sogar eine Rücknahme von Bebauungen bei extremem Hochwasserrisiko in Betracht zu ziehen ist.

Ein weiterer Schwerpunkt sollte darauf liegen, den Hochwasserschutz im Kontext des Landschaftswasserhaushaltes neu zu überdenken. Die Begradigung und Kanalisierung von Flüssen und Bächen, der Verlust von zwei Dritteln unserer ursprünglichen Flussauen und Überflutungsflächen an deutschen Flüssen sowie die Trockenlegung von Feldern und Mooren durch Drainagen führen dazu, dass Niederschläge schnell durch unsere Gewässer abfließen. Um nicht nur Hochwasser effektiver zu bekämpfen, sondern auch besser auf Perioden von Wassermangel vorbereitet zu sein, müssen wir Wasser länger in der Landschaft halten. Hierfür sind mehr multifunktionale Retentionsflächen, ausgedehntere Flussauenräume, intakte Auwälder und Moore, angepasste landwirtschaftliche Praktiken und innovative Konzepte zum Umgang mit Wasser in unseren Städten erforderlich.

Einen hundertprozentigen Hochwasserschutz wird es nicht geben. Das ist finanziell und technisch nicht machbar und von der Landschaft nicht umrüstbar.

UFZ-Expertin und UFZ-Experten

Prof. Dietrich Borchardt, Hydrobiologe, UFZ Magdeburg,
Expertise: Wasserressourcen: Qualität, Quantität und Management, politische Prozesse

Dr. Andreas Marx, Klimawissenschaftler, UFZ Leipzig
Expertise: Klimafolgen, Wasserhaushalt und Extremereignisse, UFZ-Dürremonitor

Prof. Ralf Merz, Hydrologe, UFZ Halle
Expertise: Hydrologische Extremereignisse (Hochwasser, Dürre), Wasserverfügbarkeit

Prof. Sabine Attinger, Theoretische Physikerin, UFZ Leipzig
Expertise: Umweltsystemmodell

Dr. Karsten Rinke, Gewässerbiologe, UFZ Magdeburg
Expertise: Seen, Wasserressourcen, politische Prozesse

Dr. Mathias Scholz, Auenökologe, UFZ Leipzig
Expertise: Auenökologie, Renaturierung, Bioindikation und Monitoring in Flussauen