Kurzinformation vom 04. März 2020

Entwurf eines europäischen Klimagesetzes: "Starkes Signal aus Brüssel"

Umweltökonom Erik Gawel vom UFZ kommentiert den Entwurf

Heute hat die neue EU-Kommission den Entwurf eines europäischen Klimagesetzes vorgestellt. Es soll das bereits im "European Green Deal", der ambitionierten Umwelt-Strategie der Kommission, niedergelegte Ziel verbindlich machen, die EU bis 2050 klimaneutral aufzustellen. Ab diesem Zeitpunkt müssen alle noch verbleibenden Treibhausgasemissionen durch sog. negative Emissionen, d. h. Entnahmen aus der Atmosphäre, mindestens ausgeglichen werden. Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten sich im Dezember 2019 auf Klimaneutralität bis 2050 verständigt - mit Ausnahme Polens, das sich "Bedenkzeit" ausbat und zusätzliche Finanzmittel vor einer Zustimmung erwartet.

Zwar bleiben die konkreten Maßnahmen noch offen, doch will die Kommission das 2030-Ziel (bisher 40 Prozent Minderung) auf 50-55 Prozent erhöhen. Zudem will die Kommission ab 2023 alle 5 Jahre den Klimaschutz-Fortschritt selbst bewerten und ab 2030 sogar beim Klimagesetz nachsteuern, wenn die weitere Zielerfüllung aus ihrer Sicht in Gefahr sei. Kommission, Parlament und eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten sollen dazu das letzte Wort haben. Bremser sollen so übergangen werden. Hier drohen ernste Konflikte mit den Mitgliedstaaten, denn die Kommission zöge so deutlich mehr Befugnisse an sich als das bisherige Monitoren, Mahnen und Ermuntern. Immerhin ist das Neutralitätsziel "nur" ein EU-Ziel, bei dem Vorreiter und Nachzügler ihre Beiträge zum Klimaschutz ausgleichen können, was nicht nur politisch sinnvoll ist.

Die erst wenige Monate im Amt befindliche EU-Kommission legt hier beim Klimaschutz deutlich vor. Es könnte die längst verlorene europäische Vorreiterrolle beim Klimaschutz reaktivieren. Zwar erhielt die Kommission parallel bereits Rückendeckung aus 12 Mitgliedstaaten, nicht aber aus Deutschland, das sich angeblich als Mittler während der anstehenden Ratspräsidentschaft nicht vorschnell positionieren will. Kritiker vermissen konkrete Vorgaben für die nationalen Klimaschutzpläne und verbindliche Zwischenziele auf dem Weg zu den Etappen 2030 und 2050.

Ja, es fällt politisch deutlich leichter, Ziele für eine spätere Zukunft "verbindlich" zu formulieren, für deren Einhaltung keiner der heutigen Entscheidungsträger noch die Verantwortung wird übernehmen müssen. Und es wäre auch glaubwürdiger, einen stetigen Minderungspfad zu beschreiben, konkrete Maßnahmen zu vereinbaren und vielleicht sogar Sanktionen vorzusehen - die es etwa bei der Nichteinhaltung europäischen Rechts an anderer Stelle bereits gibt. Diese Kritik sollte aber nicht verkennen, dass die Kommission mit dem Entwurf eines Klimagesetzes bis an, ja über die Grenzen dessen gegangen ist, was ihr rechtlich zusteht bzw. politisch möglich sein dürfte. Es wäre viel gewonnen, wenn im anschließenden Gesetzgebungsverfahren, bei dem die nationalen Regierungen im Europäischen Rat das entscheidende Wort mitzureden haben, keine substanzielle Verwässerung eintritt. Vor allem sollte sich Deutschland klarer positionieren - Klimaneutralität bis 2050 steht seit Kurzem auch im deutschen Klimaschutzgesetz, wenn auch nur als "Ziel", das man "langfristig verfolgen" wolle (ohne sich auf die Erreichung zu verpflichten). Die von der Kommission vorgesehene Verbindlichkeit fehlt. Hier muss Deutschland schleunigst nachlegen. Das mit viel Selbstlob ausgestattete deutsche Klimaschutzpaket von 2019 wurde soeben überboten. Vorreiter-Klimaschutz muss anders aussehen.


Weitere Informationen

Prof. Dr. Erik Gawel
Leiter des UFZ-Departments Ökonomie
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