Standpunkt 7. November 2013

Wie geht es weiter mit dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz?


Förderung der Erneuerbaren Energien auf dem Prüfstand.

Das hochambitionierte Energiekonzept der Bundesregierung bedeutet nicht weniger als eine langfristige, umfassende Transformation der Energieversorgung in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr. Die öffentliche Debatte des vergangenen Jahres war jedoch weitgehend von der Frage beherrscht, ob in einem der bisher wenigen eindeutigen Erfolgsfelder dieser Transformation, dem Ausbau erneuerbarer Energien (EE) im Stromsektor, die aktuellen und künftig erwarteten Kosten „zu hoch“ ausfallen könnten und insoweit das Förderregime des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) zur möglichst sofortigen „grundlegenden Neuordnung“ anstehe. Zu den in Teilen der ökonomischen Forschung vertretenen Effizienzbedenken gesellten sich in der öffentlichen Debatte teils schrille Belastungsszenarien („Deindustrialisierung“, „Energiearmut“), die im Wesentlichen die EEG-Umlage als Ursache für Strompreisanstiege ausmachten. Industrie- und Haushaltskunden-Strompreise entwickeln sich aber völlig unterschiedlich: Im Industriesegment profitieren Abnehmer von umfangreichen Begünstigungen bei der Umlage und fallenden Börsenpreisen. Demgegenüber mussten primär Haushaltskunden in den letzten zehn Jahren einen deutlichen Strompreisanstieg verkraften, der aber nur zur Hälfte auf die EEG-Umlage zurückzuführen ist. Entscheidende Ursache für diesen Anstieg und die vollständige Überwälzung der Umlage im Strompreis ist der mangelnde Wettbewerb im Haushaltssegment, für den die Stromkunden durch Anbieterwechsel selbst sorgen könnten. Auch sind Strompreise nicht nur als „Belastung“ anzusprechen; sie sind wichtige Knappheitsindikatoren, die zu überlegtem Stromverbrauch anhalten und so zum Gelingen der Energiewende Wichtiges beitragen.

Gründe für Höhe und Anstieg der EEG-Umlage

Für Höhe und Anstieg der EEG-Umlage gibt es eine Reihe von Gründen. Hierzu zählen neben den (im Übrigen rückläufigen) Förderkosten für die Erneuerbaren insbesondere die ständig ausgeweiteten Begünstigungen der Industrie, die von nicht-privilegierten Nutzern mitgetragen werden müssen, und der gesunkene Börsenstrompreis, dessen jeweiligen Abstand zu den Festvergütungssätzen die Umlage auffüllen muss. Zum Verfall des Börsenpreises trägt im Übrigen auch ein notleidender EU-Emissionshandel bei, der kaum spürbare Kohlenstoffpreise zur Herstellung von Kostenwahrheit beim Einsatz von Kohle und Gas beisteuert. An der neuerlichen Steigerung der EEG-Umlage 2014 um knapp 1 Ct/kWh auf künftig 6,24 Ct/kWh trägt deswegen der eigentliche Ausbau der Erneuerbaren nur noch zu geschätzt 15 % bei. Die EEG-Umlage ist daher kein geeigneter Indikator der „Mehrkosten“ des EE-Ausbaus, und erst recht keiner für die volkswirtschaftlichen Kosten des Umstiegs auf Erneuerbare, zu denen auch ökologische und soziale Folgelasten der Energieversorgung gehören. Die vom Sachverständigenrat für Umweltfragen angemahnte „Versachlichung der Kostendebatte“ tut daher dringend not.

Dennoch macht sich die öffentliche Debatte hartnäckig an ebendieser EEG-Umlagen-Entwicklung fest. Der Strompreis-Diskurs des vergangenen Jahres, der bisweilen deutliche Züge einer bewussten Skandalisierung trug, und die gescheiterten Versuche einer „Strompreisbremse“ haben zu einer allgemeinen Erwartungshaltung geführt, dass die neue Bundesregierung eine „grundlegende Neuordnung“ des EEG sogleich anzugehen habe. Auf dem Ideenmarkt werden dazu bereits zahllose Vorschläge gehandelt und zum Teil mit einer Neuordnung des Strommarktdesigns verwoben. Die abermalige Steigerung der EEG-Umlage 2014, die erneute sprunghafte Zunahme der Ausnahmeanträge im Rahmen der Industrieprivilegierung und das zu erwartende EU-Beihilfeverfahren gegen diese Industrieausnahmen erhöhen den politischen Druck zusätzlich.

Fehlender Konsens bei Zielen und Instrumenten

Dieser allgemeine Reformeifer kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass über Ziele und Instrumente einer solchen Neuordnung keinerlei Konsens herrscht.

Die politischen Entscheidungsträger nehmen vor allem die Umlage-Steigerungen und die damit verbundenen Strompreiseffekte in den Blick. In der wissenschaftlichen Debatte gelten demgegenüber die Effektivität und die Kosteneffizienz der Integration der Erneuerbaren Energien in das Stromversorgungssystem als entscheidende Herausforderung. Während das gegenwärtige System fester Einspeisevergütungen weithin als effektiv, angesichts der offensichtlich werdenden Überhitzungen im Ausbautempo bereits als übereffektiv gilt, werden bei der Kosteneffizienz erhebliche Zweifel angemeldet.

Dabei gehen aber die Auffassungen darüber, ob Erneuerbare Energien überhaupt einer gesonderten Förderung bedürfen und wie eine solche Förderung ggf. künftig auszugestalten sein sollte, weit auseinander. In der wissenschaftlichen Debatte werden hierzu völlig unterschiedliche Konzepte gehandelt – von einem Quotenmodell mit Grünstromzertifikaten, möglichst auf europäischer Ebene, über diverse Marktprämienmodelle bis hin zur Umstellung auf Kapazitätszahlungen.
Diese Vielstimmigkeit gibt Veranlassung, noch einmal zu fragen, worin genau eigentlich das Problem besteht, auf das die angeblich dringende EEG-Reform eine Antwort zu formulieren hätte. Zunächst ist festzuhalten, dass die Gründe für eine gesonderte staatliche Förderung der Erneuerbaren insgesamt nicht entfallen sind. Insoweit steht gegenwärtig die Förderung der Erneuerbaren Energien auch nicht zur Abschaffung, sondern zur Weiterentwicklung an.

Förderung der Erneuerbaren Energien weiterentwickeln, nicht beenden

Weder sind die Ausbauziele auch nur annähernd erreicht noch sind die Voraussetzungen dafür gegeben, Erneuerbare bereits zum jetzigen Zeitpunkt in einen vielfach verzerrten Energieträger-Wettbewerb zu entlassen: Erneuerbare haben nämlich in der öffentlichen Kostenwahrnehmung und beim Marktpreisvergleich mit konventionellen Energieträgern (weiterhin) drei strategische Nachteile:

  • Ihr bedeutendster Vorteil, das Fehlen der gravierenden gesellschaftlichen Folgekosten der fossil-nuklearen Energiebereitstellung – von Erderwärmung über Ölverschmutzung bis hin zu Nuklearrisiken – kann nicht angemessen über Marktpreise ausgedrückt werden und verzerrt daher den Preiswettbewerb zu ihren Lasten. Müssten diese Zusatzkosten der Stromerzeugung in der Kostenkalkulation berücksichtigt werden, so wären erneuerbare Energien größtenteils heute schon wettbewerbsfähig. Diese Folgekosten gehen im Übrigen weit über den Klimawandel hinaus und sind schon deshalb nicht allein durch den Emissionshandel zu adressieren.
  • Auch die staatliche Förderung von Energieträgern ist beileibe kein Privileg der Erneuerbaren; Atom- und Kohlestrom wurden und werden ebenfalls ganz erheblich zu Lasten der Allgemeinheit subventioniert, freilich mit dem Unterschied, dass diese bisher weitaus höheren Zuwendungen nicht transparent über den Strompreis, sondern weitaus diskreter über öffentliche Haushalte finanziert werden. So entsteht fälschlich der Eindruck, dass einzig erneuerbare Energien am Fördertropf hingen und andernfalls im fairen Wettbewerb nicht bestehen könnten.
  • Schließlich ist bei der Mehrzahl der Erneuerbaren die technologische Entwicklung noch nicht abgeschlossen; weitere, erhebliche Kostensenkungen in der Zukunft sind zu erwarten. Langfristig weist der Preistrend bei Erneuerbaren wohl nach unten, bei konventionellen Energien nach oben. Auch die „Fracking“-Option wird unter den europäischen Bedingungen daran nichts ändern können.

Deswegen bilden gegenwärtige Marktpreise gerade nicht die relevanten volkswirtschaftlichen Kosten ab, anhand derer ein verzerrungsfreier, fairer Technologiewettbewerb um die günstigste Erzeugungsform rein marktlich organisierbar wäre. Es bleibt daher dabei, dass es gute Gründe gibt, weiter auf Erneuerbare zu setzen und ihren Ausbau mit Hilfe staatlicher Korrektureingriffe – jenseits eines im Übrigen zu stärkenden CO2-Handels – voranzutreiben.

Das Förderinstrumentarium 2.0

Weniger klar hingegen erscheint die Antwort auf die Frage, wie die Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen zugunsten der Erneuerbaren (d. h. ihre weitere „Förderung“) künftig so organisiert werden kann, dass die dazu nötigen Kosten so gering wie möglich ausfallen und zudem fair verteilt werden. Dies gebietet jedenfalls die ökonomische Vernunft. Was dies konkret bedeutet, ist freilich weniger leicht zu beantworten, als einzelne ökonomische Debattenbeiträge vermuten lassen. Fest steht wohl, dass der bisherige EEG-Ansatz, sämtliche Erneuerbare Energien-Technologien gleichermaßen so auszustatten, dass sie jeweils am Markt bestehen können (ohne Rücksicht auf die Höhe ihrer Kosten, ihr weiteres Kostensenkungspotenzial, ihr Einspeiseverhalten - regelbar oder volatil, ohne zuverlässige Kontrolle des mengenmäßigen Ausbaupfades) so nicht weitergeführt werden kann. Das macht eine Revision der „Förder-Philosophie“ unerlässlich. Ob es dazu ausreichen kann, die Technologie-Förderkomponente für „teure“ Erneuerbare (Geothermie, Biomasse, Offshore-Wind) aus der bisherigen Umlagefinanzierung in öffentliche Haushalte oder „Altlasten“ in Sonderfonds zu verschieben, wo sie weniger sichtbar, dafür aber den Risiken der jeweiligen Kassenlage ausgesetzt sind, erscheint zweifelhaft. Diese Vorschläge zielen darauf ab, vor allem den Druck gegen die EEG-Umlage aufzufangen und nehmen dafür abrupt einsetzende Investitionsrisiken für EE in Kauf. 

Die von ökonomischer Seite grundsätzlich kritisierten Effizienzmängel der Förderung werden durch diese Vorschläge ebenfalls nicht behoben: Den Stromerzeugern sollte in der Vergütung signalisiert werden, wann und wo Strom knapp ist. Dies ist bisher im EEG bewusst nicht der Fall. Es stellt sich so die Frage eines geeigneten Übergangs vom gegenwärtigen Festpreissystem mit Netzvorrang zu einem reinen Marktpreisregime. Die dabei auftretenden Herausforderungen des Systemumbaus sind aber keine alleinige Aufgabe des Förderregimes: Neben der Substitution konventioneller Energien müssen insbesondere flexible Residuallast-Kraftwerkskapazitäten, der Ausbau von Netzen und Speichern sowie Fortschritte bei Energieeffizienz und -einsparung zum Gelingen der Energiewende im Stromsektor beitragen.

Quotenmodell als Scheinlösung

Einfache Lösungen der Markt- und der Systemintegration – vor allem der fluktuierenden Erneuerbaren Energien – sind dabei leider nicht zu haben. Exemplarisch wird dies am sog. Quotenmodell deutlich, das unlängst nochmals von der Monopolkommission in einem Sondergutachten beworben wurde. Danach wird nur eine Quote für Erneuerbare vorgegeben; ob Wind oder Sonne zum Zuge kommen, entscheidet ein Markt für Grünstrom-Zertifikate. Dies soll dazu führen, dass die Mengen-Quote kostenminimal mit den derzeit günstigsten Technologien erfüllt wird. Zweitens erlaube die Quote eine genaue mengenmäßige Steuerung des Ausbaus Erneuerbarer und beuge so Überhitzungen vor. 

Aktuelle Marktpreise sind aber gerade verzerrt und können langfristig wirksame Pfadentscheidungen über den künftigen Technologiemix nur sehr bedingt anleiten. Ein technologie-neutraler Ansatz birgt die Gefahr eines „Lock-ins“ derjenigen EE-Technologien, die zufällig heute am günstigsten sind, also vorrangig Windkraft an Land. Eine künftig überwiegend auf Erneuerbare Energien gestützte Versorgung erfordert aber nach allen vorliegenden Szenarien für 2050 ein breites Technologie-Portfolio. Auch sind die Beiträge der EE-Technologien zur Stromversorgung weder mit Blick auf die Versorgungssicherheit noch bei den sozialen Kosten beliebig austauschbar: Sonne und Wind besitzen voneinander unabhängige Spitzenzeiten und können gerade durch eine Mischung im Erzeugungsmix zur Netzstabilität beitragen. Und eine Erfüllung der Quote nahezu ausschließlich durch günstigen Onshore-Wind hätte erhebliche Einbußen beim Wohnumfeld-, Natur- und Artenschutz zur Folge, die in den Marktpreisen gegenwärtig nicht abgebildet sind.

Ein technologieneutrales Quotenmodell würde aktuell auch an der Markteinführung von noch teurem Windstrom auf See scheitern.
In Großbritannien ist man vom für Erzeuger risikoreichen, daher teuren und nur begrenzt steuerbaren Quotenmodell wieder abgerückt. Zwar lassen sich einige der genannten Defizite durch entsprechende Instrumentenausgestaltung – etwa spezielle Technologie-Quoten – lösen. Dies widerspricht aber dem Ansatz einer rein marktgesteuerten Förderung, da erneut der Staat eine Teil-Verantwortung für den Technologiemix übernehmen muss. Ein Systemwechsel, wie ihn die Monopolkommission empfiehlt, ist daher derzeit nicht angezeigt.

Kein Königsweg in Sicht

Auch die übrigen Instrumente – von Marktprämien bis hin zu Kapazitätszahlungen für installierte Leistung – zeigen in der Praxis vielfältige Stärken und Schwächen. Dies macht deutlich: Den möglichst rasch einzuschlagenden, neuen Königsweg für die Markt- und Systemintegration der Erneuerbaren oder für eine weniger ambitionierte bloße Umlagebegrenzung gibt es nicht. Effizienz-Kritik am EEG ist wohlfeil; sie wäre glaubhafter und zugleich energiepolitisch relevanter, wenn sie die jeweiligen instrumentellen Alternativen unter Praxisbedingungen fair miteinander vergleichen würde und die bei Strommarkteingriffen unentrinnbaren Zielkonflikte adressieren würde – z. B. zwischen Investitionssicherheit für Erneuerbare und deren Marktintegration.

Der selbst aufgebaute Reformdruck setzt die Politik jetzt unter erheblichen Zugzwang. Das sich so bietende Gelegenheitsfenster zur Strukturreform ruft sogleich zahllose Interessen auf den Plan, welche die Möglichkeit sehen, die Spielregeln nunmehr zu ihren Gunsten zu verändern. Dem absehbaren Lobby-Basar aus Branchen-, Regional- und Gruppeninteressen sollte die Politik im Interesse einer langfristigen Nachhaltigkeitsperspektive widerstehen. Zwar ist die Förderphilosophie des EEG 1.0 ersichtlich an ihre Grenzen gelangt und bedarf einer Neuorientierung. Diese sollte aber nicht vom verfehlten Kostenmaßstab „EEG-Umlage“ getrieben werden. Daher kann nicht sofortige Umlagebegrenzung um jeden Preis oder das Bemühen um Verschleierung der Förderkosten das Gebot der Stunde sein, sondern eine mittelfristig tragfähige Strukturreform, die auf einer Problemanalyse und einer klaren Zielpriorisierung basiert. Dabei ist weder die Förderung der Erneuerbaren grundsätzlich in Frage zu stellen, noch sollte abermals allzu abrupt in die Rahmenbedingungen des bisherigen Ausbaus Erneuerbarer Energien eingegriffen werden; unnötige Investitionsrisiken für deren weiteren Ausbau sind zu vermeiden. Klar ist auch: Ein reines Quotenmodell weiß die gegenwärtigen Herausforderungen der Energiewende nicht annährend zu meistern und scheidet aus. Bis auf weiteres muss der Staat beim Technologie-Mix auch weiterhin Allokationsverantwortung übernehmen.


Aktuelle Veröffentlichungen zum Thema:

Gawel, E.: "Grundlegende Neuordnung" des EEG - aber wie?, in: Wirtschaftsdienst, 93. Jg. (2013), Heft 11, S. 785-792.

Gawel, E. / Hansjürgens, B. (2013): Projekt „Energiewende“: Schneckentempo und Zickzackkurs statt klarer Konzepte für die Systemtransformation?, in: Wirtschaftsdienst, 93. Jg. (2013), Heft 5, S. 283-288. DOI: 10.1007/s10273-013-1525-1.

Gawel, E. / Klassert, Chr.: Besondere Ausgleichsregelung im EEG: Quo vaderis?, in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 63. Jg. (2013), Heft 10, S. 29-34.

Gawel, E. / Purkus, A.: Markt- und Systemintegration erneuerbarer Energien: Probleme der Marktprämie nach EEG 2012, in: Zeitschrift für Energiewirtschaft, 37. Jg. (2013), Heft 1, S. 43-61.
DOI: 10.1007/s12398-012-0097-x

Gawel, E. / Purkus, A. / Korte, K. / Lehmann, P.: Instrumente zur Förderung der Markt- und Systemintegration erneuerbarer Energien. Perspektiven einer Weiterentwicklung von Förderregime und Strommarktdesign, in: Viertjahreshefte zur Wirtschaftsforschung, Bd. 82 (2013), Heft 3, im Druck.