Post-2020 CBD Global Biodiversity Framework (GBF)
Ergebnis der CBD COP-15: 23 neue globale Biodiversitätsziele bis 2030
Am 19. Dezember 2022 ging die 15. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD COP-15) in Montreal zu Ende. Nach langjährigen Vorbereitungen und Verhandlungen wurde ein globales Abkommen beschlossen, das die Natur mit ihren Arten und Ökosystemen schützen soll. Die 196 Staaten der UN-Biodiversitätskonvention haben sich in der Kunming-Montreal Declaration auf das sogenannte Global Biodiversity Framework (GBF) geeinigt. Dieses beinhaltet 23 praktisch weltweit gültige Ziele für den Biodiversitätsschutz, die bis zum Jahr 2030 erreicht werden sollen.
Die neuen Ziele lösen die bisherigen Aichi-Biodiversitätsziele ab. Diese wurden auf der 10. Weltbiodiversitätskonferenz in Nagoya im Jahr 2010 festgelegt und sollten bis zum Jahr 2020 umgesetzt werden. Die meisten von ihnen wurden allerdings weit verfehlt, kein einziges vollständig erreicht (CBD Secretariat GBO 5). Weiterhin verschlechtert sich der Zustand der Natur und die Biodiversität nimmt global betrachtet dramatisch ab. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten 1 Millionen Arten verschwunden sein (IPBES Global Assessment 2019). Daher ist es entscheidend, ob die Ziele des neuen GBF umgesetzt werden.
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Beschlüsse der CBD COP-15 sowie Informations- und Hintergrundsdokumente
"Post-2020"-Seite der CBD mit Informationen zu den Aushandlungsprozessen im Vorfeld der CBD COP-15
Umfassender Bericht und Analyse über die CBD COP-15 und deren Ergebnisse auf Englisch von IISD
Ausgewählte Ziele des GBF
Ziel 3: 30% Schutzgebiete an Land und Meer bis 2030 (“30x30”-Ziel)
Besondere Aufmerksamkeit in den Verhandlungen galt dem „30x30“- Ziel. Dieses besagt, dass 30% aller Meeres- und Landesflächen bis zum Jahr 2030 unter Schutz gestellt werden sollen. Zum Vergleich: Aktuell stehen global 8% der Meeresflächen und 17% der Landesflächen unter Schutz.
Bei der Umsetzung dieses Zieles sind Fragen nach der Intensität der anthropogenen Nutzung in den Schutzgebieten und den Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung von höchster Relevanz. Wo sollen die Schutzgebiete ausgewiesen werden und in welchem Ausmaß wird dort eine menschliche Nutzung zugelassen bzw. ausgeschlossen? Wer entscheidet darüber und wie wird garantiert, dass die Menschenrechte der lokalen Bevölkerung nicht verletzt und ihre Nutzungsrechte in angemessenem Umfang gewahrt bleiben? Zudem sind eine adäquate und langfristige Finanzierung sowie ein effektives Management der Flächen von wesentlicher Bedeutung, damit keine “Paperparks” (Schutzgebiete, die nur auf dem Papier existieren) entstehen.
Laut Schätzungen befinden sich 80% der verbliebenen Biodiversität auf Territorien von indigenen oder lokalen Gemeinschaften. Vertreter.innen von indigenen Gemeinschaften hatten daher vor und während der CBD COP-15 angemahnt, dass Schutzgebietsausweisungen nicht dazu führen dürften, dass sie von ihren Territorien ausgeschlossen werden. Andererseits erhoffen sich einige Indigene Gemeinschaften durch die Etablierung neuer Schutzgebiete einen stärkeren Schutz ihrer Heimat vor Raubbau.
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NeFo-Themenspezial: 30 by 30 - Was bringen mehr Schutzgebiete der Biodiversität in den Meeren?
Gastbeitrag: Meeresschutzgebiete: Nur gemeinsam starkZiel 7: Reduzierung von Pestiziden und Düngemitteln um 50%
Als weiteres Ziel wurde sich auf die Reduzierung der schädlichen Wirkung sowohl von Düngemitteln als auch von Pestiziden (Insektizide, Fungizide und Herbizide) geeinigt. Bis zum Jahr 2030 sollen die Nährstoffeinträge in die Umwelt sowie die Risiken durch Pestizide und hochgefährliche Chemikalien um 50% gesenkt werden. Auch die Plastikverschmutzung soll verringert und letztlich ganz vermieden werden. Unklar ist allerdings noch, wie die Einträge und Risiken korrekt und einheitlich gemessen werden können.
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Null-Schadstoff-Aktionsplan der Europäischen Kommission (Zero Pollution Action Plan)
Ziel 13: Zugang und faire Verteilung genetischer Ressourcen
Ein großer Streitpunkt vor der CBD COP-15 war die Nutzung genetischer Ressourcen. Im Wesentlichen geht es bei dieser Auseinandersetzung um die Frage, ob genetische Informationen von Lebewesen weiterhin frei verfügbar sein sollen, z.B. als sogenannte digitale Sequenzinformationen (DSI) über frei nutzbare Datenbanken. Länder des globalen Südens fordern eine Beschränkung, da Firmen aus dem globalen Norden mit Wissen über DNA-Sequenzen teilweise große Profite erzielen, ohne sie mit den Herkunftsländern der Informationen zu teilen. Besonders Forschende befürchten allerdings, dass eine Einschränkung des Zugangs zu genetischer Information den wissenschaftlichen Fortschritt schwerwiegend behindern würde, unter anderem in der Biodiversitätsforschung, Pharmazie und Medizin.
Auf der COP15-Konferenz wurde nun entschieden, einen multilateralen Mechanismus für das Teilen der Vorteile aus der Nutzung von DSI zu etablieren. So sollen die Vorteile, die sich aus der Nutzung von genetischen Ressourcen ergeben, ausgewogen und gerecht aufgeteilt werden. Ein Vorteilsausgleichsmechanismus soll nun weiter diskutiert und bis zur nächsten Vertragsstaatenkonferenz (CBD COP-16) konkret entworfen werden.
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Statements über den Zugang zu genetischen Ressourcen - science media center germany
Ziel 18: Abbau umweltschädlicher Subventionen (500 Mrd. US-Dollar pro Jahr)
Bis 2025 sollen laut dem vereinbarten GBF Anreize und Subventionen mit negativen Auswirkungen auf die Biodiversität identifiziert und bis 2030 beendet werden. Die Reduktion der umweltschädlichen Subventionen soll bis 2030 mindestens 500 Mrd. US-Dollar pro Jahr betragen. Zudem sollen positive Anreize für die Biodiversität erhöht werden.
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NeFo-Themenspezial: Ist der Schutz der Biodiversität zu teuer?
Gastbeitrag: Biodiversitätsschädigende Finanzströme bei der Weltnaturkonferenz 2022
Gastbeitrag: Herausforderung „Sustainable Finance“ und die „Plattform Transformative Finanzpolitik“
Ziel 19: Finanzielle Mittel für den Biodiversitätsschutz erhöhen
Um die Vereinbarungen der COP15 umzusetzen, sind zusätzliche Finanzmittel erforderlich. Bis zum Jahr 2030 sollen weltweit jährlich 200 Milliarden US-Dollar für den Biodiversitätsschutz bereitgestellt werden.
Im Vorfeld zur COP15 haben die Länder des globalen Südens gefordert, dass der globale Norden deutlich mehr Geld mobilisiert, und zwar 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Geeinigt wurde sich nun auf eine sehr viel niedrigere Summe: 20 Milliarden US-Dollar pro Jahr bis 2025 und 30 Milliarden US-Dollar jährlich bis 2030. Dennoch bedeutet dies eine wesentliche Erhöhung im Vergleich zum Status quo: aktuell werden etwa 8 Milliarden US-Dollar pro Jahr bereitgestellt. Dieses Geld fließt vom globalen Norden in den globalen Süden, denn letzterer beherbergt die meiste Biodiversität. Die Verantwortung zum Erhalt dieser Artenvielfalt trägt aber nicht nur der globale Süden, sondern auch die Länder des finanziell besser gestellten globalen Nordens.
Um eine schnellere Verfügbarkeit des Geldes zu ermöglichen, wurde der „Global Biodiversity Framework Fund“ gegründet.
So geht es weiter
2024 findet die nächste Vertragsstaatenkonferenz (CBD COP-16) in der Türkei statt. Bis dahin sollen einige Maßnahmen bereits angelaufen sein, andere Maßnahmen müssen vorher noch konkretisiert werden. Beispielsweise bedarf der Mechanismus zum Ausgleich der Vorteile aus der Nutzung digitaler Sequenzinformationen (DSI) vor der COP-16 noch weiterer internationaler Abstimmung.
Die Bundesregierung hat bekannt gegeben, dass Deutschland zusammen mit Kolumbien eine gemeinsame Umsetzungsinitiative zum GBF startet. Was genau sich dadurch ändern wird, ist allerdings noch unklar.
Auf nationaler Ebene ist die Fortschreibung und Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie entscheidend. Zum Entwurf dieser Strategie wird es im Jahr 2023 ein öffentliches Beteiligungsverfahren geben.
Zudem empfehlen Wissenschaftler*innen aus Deutschland in einem Brief an die Bundesregierung die Einrichtung eines hochrangigen nationalen Biodiversitätsrats, um die Umsetzung der Ziele des GBFs auf nationaler Ebene zu erleichtern.
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Konsultationsprozess zur Weiterentwicklung der Nationalen Biodiversitätsstrategie (NBS)
Hintergrund
Die Konvention über die biologische Vielfalt (CBD)
Das Sekretariat der CBD befindet sich in Montreal. Gegenwärtig hat die CBD 196 Mitgliedstaaten.
Der lange Weg vom Strategischen Plan und den Aichi-Zielen zum Global Biodiversity Framework (GBF)
Die CBD hatte im Jahr 2010 ein strategisches Rahmenwerk verabschiedet, das wichtige Ursachen des Biodiversitätsverlusts adressiert und Wege aufzeigt, diese Ursachen zu bekämpfen (Strategic Plan for Biodiversity 2011-2020). Die enthaltenen Aichi-Biodiversitätsziele waren bis zur Verabschiedung des GBF die wichtigsten globalen Vorgaben für die Erhaltung der Biodiversität. Zum Strategischen Plan 2011-2020 und seiner nationalen Umsetzung hatten sich damals 194 Vertragsstaaten bekannt. Die meisten der 20 Aichi-Ziele wurden allerdings bis zum Fristende weit verfehlt. Dies zeigten sowohl der 2019 veröffentlichte Globale Bericht des Weltbiodiversitätsrats IPBES als auch der globale Biodiversitätsausblick (GBO-5) der CBD. Vor diesem Hintergrund wurde spätestens ab 2018 intensiv über neue globale Naturschutzziele (Global Biodiversity Framework – GBF) für die Zeit nach 2020 diskutiert.
Die neuen globalen Naturschutzziele wurden durch die 15. Vertragsstaatenkonferenz der CBD verabschiedet (siehe oben). Der erste Teil dieser Konferenz (COP15/1) fand vom 11.-15. Oktober 2021 in Kunming/China als Hybrid-Veranstaltung statt. Das Thema der Konferenz lautete “Ecological Civilization: Building a Shared Future for All Life on Earth”. Laut des Earth Negotiations Bulletin nahmen mehr als 1500 Personen vor Ort und über 3000 Personen virtuell teil. Die Delegierten verabschiedeten die „Kunming-Deklaration“. In dieser politischen Willenserklärung betonten sie die Notwendigkeit für transformativen Wandel in allen Wirtschaftsbereichen und allen Teilen der Gesellschaft. Sie kündigten darin außerdem an, gemeinsam ein wirksames post-2020-Biodiversitätsrahmenwerk (Global Biodiversity Framework, GBF) zu beschließen und umzusetzen (siehe CBD-Kolumne vom Oktober).
Der zweite Teil der 15. Vertragsstaatenkonferenz der CBD (COP15/2) fand als Präsenzmeeting vom 5.-17. Dezember 2022 in Montréal, Kanada, statt. Auf der COP15/2 wurde das GBF final beschlossen.
Ausführliche Informationen dazu auf der offiziellen Seite der CBD: https://www.cbd.int/. Updates findet man auch in den CBD-Bekanntmachungen.
NeFo's CBD-Kolumnen
NeFo berichtete zwischen Juni 2021 und Dezember 2022 in den "CBD-Kolumnen" regelmäßig über den aktuellen Stand der Verhandlungen zum Post-2020 Global Biodiversity Framework (GBF):
„Noch keine großen Fortschritte in Montreal“ (Dezember 2022)
„Deutschland gibt in Zukunft 1,5 Milliarden € pro Jahr für Umweltschutz...“ (Oktober 2022)
„Der nächste kleine Schritt in Richtung GBF – OEWG 4 in Nairobi“ (Juli 2022)
„Der Weltbiodiversitätsrat und die Frage nach dem „wie“ der Transformation“ (Juni 2022)
„Das Ringen um globale Ziele geht in die nächste Runde – und der weitere Fahrplan kristallisiert sich heraus“ (April 2022)
„Trotz Austausch und Annäherung in Genf: wenig konkreter Fortschritt in Beschlussvorlagen für CBD COP-15“ (April 2022)
„Vorverhandlungen in Genf: Endlich geht’s weiter!“ (März 2022)
„Was macht die Verhandlungen zum GBF post 2020 so schwierig?“ (Januar 2022)
„Der Koalitionsvertrag und das GBF: Klimaschutz mit oder ohne Biodiversität?“ (November 2021)
„COP15/1: Politische Willenserklärung, aber auch Propagandaveranstaltung Chinas“ (Oktober 2021)
„Frustrierender Verlauf der post-2020 Biodiversitäts-Verhandlungen (OEWG-3)“ (September 2021)
„Der erste Vorschlag ist auf dem Tisch: Knackpunkte für ein ehrgeiziges GBF“ (Juli 2021)
„Der holprige Weg zum Global Biodiversity Framework“ (Juni 2021)