- Gastbeitrag Oktober 2021 -

Herausforderung „Sustainable Finance“ und die „Plattform Transformative Finanzpolitik“

Ein Gastbeitrag von Wolfgang Obenland

Egal, was die Regierungen bei der zweiten Runde der Vertragsstaatenkonferenz zur Konvention über die Biologische Vielfalt als Post-2020 Global Biodiversity Framework (GBF) verabschieden werden: Die Umsetzung der Ziele und Maßnahmen wird nur gelingen, wenn die Weltgemeinschaft, die einzelnen Länder und Regionen dazu in der Lage sind, transformativen Wandel zu organisieren.

Der Schutz der biologischen Vielfalt hängt zentral an der Frage, ob die direkten und indirekten Treiber des Biodiversitätsverlusts gebremst werden können. Nur wenn die ökonomischen, sozialen und politischen Ursachen für zunehmende Landdegradation, Klimawandel, Umweltverschmutzung, für den Raubbau an Ressourcen und die Zerstörung von Lebensräumen von der pazifischen Tiefsee bis zu den verbliebenen europäischen Urwäldern und Flusssystemen gebremst werden können, wird der GBF realisierbar sein.

Es geht wieder einmal um Geld…

Zugleich, und das ist für die konkreten Verhandlungen kurzfristig bedeutend, klafft global eine gewaltige Finanzierungslücke von geschätzten 700 Milliarden Euro. Auch deshalb laufen die Verhandlungen bisher eher stockend. Umweltverbände fordern entsprechend, den Beitrag der Bundesregierung zur internationalen Biodiversitätsfinanzierung von gegenwärtig 800 Millionen auf mindestens zwei Milliarden Euro pro Jahr zu erhöhen. Reiche Länder wie Deutschland haben mit ihrem enormen ökologischen Fußabdruck eine besondere globale Verantwortung und müssen auch andere Länder beim Schutz der Artenvielfalt unterstützen.

Pflanze mit Blüte aus Geldmünzen Unter dem Schlagwort „Sustainable Finance“ wird über eine ganze Reihe von Maßnahmen diskutiert, mit denen Mittel aus nicht-nachhaltigen Sektoren abgezogen und dafür in ökologisch und sozial sinnvolle Bereiche gelenkt werden können. Bild: geralt / Pixabay Das allein wird aber nicht ausreichen. Es bedarf einer ganzen Reihe von Bausteinen, um die Verwirklichung des GBF sicherzustellen. Dasselbe gilt für andere Problemfelder der globalen Politik: Für das Abbremsen des menschengemachten Klimawandels und der fortschreitenden Vergiftung des Planeten; aber auch für die Verwirklichung der Menschenrechte (Ende 2020 litten bis zu 811 Millionen Menschen unter chronischem Hunger, weitere 155 Millionen Menschen waren von einer akuten Ernährungskrise betroffen) und die Beendigung der Armut (in Folge der COVID-19 Pandemie ist der Anteil der in extremer Armut lebenden Menschen nach 25 Jahren wieder gestiegen).

Wichtig bleiben zum einen direkte Mittel, die bspw. in Form öffentlicher Entwicklungszusammenarbeit und/oder als Beiträge zu vertikalen Fonds wie der Globalen Umweltfazilität (Global Environment Facility, GEF) bereitgestellt werden. Mindestens genauso wichtig ist aber ein Thema, das in Deutschland ganz aktuell im Kontext der laufenden Koalitionsverhandlungen Aufmerksamkeit erfährt: Das Einsparen schädlicher Staatsausgaben, der sog. umweltschädlichen Subventionen (in Deutschland rund 67 Mrd. Euro pro Jahr). Was für staatliche Finanzflüsse gilt, gilt ebenso für private Investitionen. Unter dem Schlagwort „Sustainable Finance“ wird über eine ganze Reihe von Maßnahmen diskutiert, mit denen Mittel aus nicht-nachhaltigen Sektoren abgezogen und dafür in ökologisch und sozial sinnvolle Bereiche gelenkt werden können.

Unterstützend wirken können Instrumente, die externe (Umwelt-)Kosten internalisieren, d.h. die Preise von Gütern und Dienstleistungen realistisch gestalten, etwa durch Steuern auf CO2-Emissionen oder auf gesundheitsschädliche Stoffe von Zucker bis Pestizide.

… und noch viel mehr

Es ist klar, dass es Grenzen für die Lenkung über Preise und Märkte gibt. Aus gutem Grund wurde dem Ausdünnen der Ozonschicht nicht mit einer Steuer auf FCKWs begegnet, sondern mit deren Verbot. Niemand käme auf den Gedanken, Elefanten zu schützen, indem man eine Elfenbeinsteuer einführt.

Wer sich für globale Nachhaltigkeit einsetzt, sollte sich also mit strukturellen Fragen befassen. Nur wenn die öffentlichen Haushalte auch der Länder des globalen Südens ausreichend ausgestattet sind, können sie ihre Beiträge leisten. Dazu muss bspw. der globale Steuerwettbewerb beendet und der „Steueroptimierung“ großer transnationaler Konzerne ein Riegel vorgeschoben werden. Wer etwas gegen Plastikverschmutzung unternehme möchte, muss sich mit Handelspolitik beschäftigen, genauso wie diejenigen, die sich um die Verwirklichung des Rechts auf Ernährung bemühen. Wer Wasserökosysteme schützen möchte, muss sich mit Termingeschäften an Finanzmärkten auseinandersetzen, die Nutzungsrechte anhand rein ökonomischer Größen verschieben.

Eine Herausforderung für zivilgesellschaftliche Organisationen

Das gilt natürlich auch und gerade für zivilgesellschaftliche Organisationen. Viele, v.a. größere und einige spezialisierte Akteure tun genau das, teilweise seit Jahren und Jahrzehnten, gerade wenn es um den Klimaschutz geht. Lücken gibt es aber noch in der sektorübergreifenden Zusammenarbeit, auch zwischen Organisationen der Umwelt- und Entwicklungspolitik. Und es fehlt noch an hinreichenden Austauschformaten dafür, dass sich Spezialistinnen und Spezialisten mit Wissen und Unterstützung zu Themen und Problemen versorgen können, für die eigene Kapazitäten nicht vorhanden und kurz- und mittelfristig aufbaubar sind.

Um für dieses Problem zumindest Lösungsansätze zu entwickeln, hat das Forum Umwelt & Entwicklung im September 2021 ein neues Projekt unter dem Label „Plattform Transformative Finanzpolitik“ gestartet. Diese Plattform soll es den beteiligten Aktiven und Organisationen ermöglichen, jenseits der eigenen Schwerpunkte und Anliegen zu den oben skizzierten Themen zusammenzuarbeiten. Außerdem sollen strukturelle und systemische Fragen insgesamt politisch aufgewertet werden, und es sollen neue Zugänge zu denjenigen politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern geschaffen werden, die bisher noch nicht in ausreichendem Maße in den Genuss zivilgesellschaftlicher Ansprache gekommen sind, bspw. Finanz- und Wirtschaftspolitikerinnen.

Zuletzt soll das Projekt auch dazu beitragen, die Stimme deutscher Zivilgesellschaft in den internationalen und globalen politischen Prozessen zu verstärken, die sich mit den zentralen Fragen der kommenden Jahrzehnte befassen: Vom Financing for Sustainable Development-Prozess bei den Vereinten Nationen bis zu Internationalem Währungsfonds und Weltbank, von der Welthandelsorganisation bis zu (auf den ersten Blick abschreckenden) Zusammenhängen wie dem OECD/G20 Inclusive Framework on Base Erosion and Profit Shifting (wo es um die Bekämpfung der globalen Steuervermeidung und -hinterziehung geht).

Das Projekt steht noch ganz am Anfang. Ob und wie es Beiträge zu aktuellen Debatten und Weichenstellungen leisten kann, hängt auch davon ab, ob es genug Interesse in der Zivilgesellschaft finden wird. Grundsätzlich sind alle Interessierten eingeladen, sich auf die eine oder andere Art zu beteiligen. Wer mehr wissen möchte, darf sich dazu gerne an das Forum Umwelt und Entwicklung wenden ( Email ). In Kürze werden Informationen außerdem unter https://ptf.forumue.de verfügbar sein.

Wolfgang Obenland
Wolfgang Obenland

Wolfgang Obenland leitet den Arbeitsbereich Internationale Finanzpolitik im Forum Umwelt & Entwicklung.


Symbolbild: Euromünze über Skyline
Bild: Geralt / Pixabay

Lesetipp:

Der Verlust der biologischen Vielfalt hängt maßgeblich mit dem Wachstumsziel der Weltwirtschaft und dem Streben nach Profitmaximierung zusammen. Hinter den Wirtschaftsunternehmen, die den Konsum weltweit bedienen, stehen Finanzunternehmen, die das nötige Geld für die Ausbeutung der Natur zur Verfügung stellen, und gehörig davon profitieren. Dabei bleibt dieser enorm mächtige Sektor meist undurchsichtig und im Hintergrund. Welche Rolle hat der Finanzsektor aber in der Biodiversitätskrise und wie könnte er bei ihrer Bewältigung einbezogen werden?

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Themenschwerpunkt: „Zentralbanken und Aufsichtsbehörden könnten einiges bewirken“

Siehe auch:

NeFo-Fachgespräch: Biodiversität - eine sichere Bank?
Welchen Anteil hat der Finanzsektor an der Biodiversitätskrise? Wie könnte er zu ihrer Bekämpfung beitragen?

Gastbeitrag: "Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen aus der Rückversicherungsperspektive"