- CBD-Kolumne Oktober 2021 - 

COP15/1: Politische Willenserklärung, aber auch Propagandaveranstaltung Chinas

Bericht von den laufenden CBD-Verhandlungen von Dr. Yves Zinngrebe und Dr. Axel Paulsch


In der Woche vom 11.-15. Oktober 2021 hat der erste Teil der 15. Vertragsstaatenkonferenz der CBD (COP15/1) in Kunming/China als Hybrid-Veranstaltung stattgefunden. Aufgrund der rigiden Corona-Politik Chinas konnten vor Ort nur Personen teilnehmen, die ohnehin in China leben (z.B. Botschaftspersonal oder Vertreter*innen von chinesischen Zweigstellen internationaler Organisationen). Auch Geimpfte und gleichzeitig negativ getestete Personen hätten sich einer wochenlangen Quarantäne unterziehen müssen, um in Kunming präsent sein zu dürfen. Von daher fanden nahezu alle Veranstaltungsteile online statt.

CBD
Bild: CBD


Der Hauptgrund, trotzdem an diesem ersten Treffen der COP festzuhalten, war, dass ein Haushalt und ein Budget für das CBD-Sekretariat beschlossen werden musste, um handlungsfähig zu bleiben. Alle anderen inhaltlichen Verhandlungsthemen, inklusive des Global Biodiversity Framework (GBF), stehen erst für COP15/2 an. Falls China seine derzeitige Corona-Politik beibehält, scheint eine Austragung in China unrealistisch und ist bisher auch nicht in den offiziellen Verlautbarungen bestätigt worden.

Ein Erfolg von COP15/1 ist die als „Kunming-Deklaration“ bezeichnete politische Willenserklärung von 154 Staaten, sich für ein ambitioniertes GBF einzusetzen und die Erhaltung der biologischen Vielfalt als wichtiges politisches Ziel festzuschreiben. Konkrete Zahlen oder Zielwerte sind in dieser Deklaration erwartungsgemäß nicht enthalten, da solche den noch ausstehenden Verhandlungen vorgreifen würde. Nichtsdestotrotz konnten im „High-Level Segment“ der Staats- und Regierungsoberhäupter – an dem von deutscher Seite von der scheidenden Regierung Umweltministerin Svenja Schulze sowie Entwicklungsminister Gerd Müller teilnahmen – einige konkrete Rahmenbedingungen und Ambitionen für das GBF und seine Umsetzung konkretisiert werden. Zwar dürfte es wohl für jeden, der einmal einen Blick in das IPBES Global Assessment geworfen hat, klar sein, dass Biodiversitätsverlust von direkten und indirekten Treibern herrührt. CGTN Bild: CGTN

Neu ist aber, dass man als direkte Treiber Land- und See-Nutzungswandel, Übernutzung, Klimawandel, Verschmutzung und invasiven Arten konkret benennt und auch indirekte Treiber im Rahmen der CBD direkt politisch anspricht. Hinsichtlich einer ambitionierten Umsetzung ist positiv hervorzuheben, dass internationale und nationale Gesetzgebungen explizit gestärkt werden sollen und Biodiversität besonders von Finanz- und Wirtschaftsministerien oder Pandemie-bezogenen Finanzierungsinstrumenten („Corona-Recovery-Funds“) berücksichtigt werden sollen. Auch dass der Begriff „Ecosystem based approaches“ anstatt des im Klimajargon gebräuchlichen „nature based solutions“ verwendet wurde, weist darauf hin, dass trotz der Attraktivität des öffentlichkeitswirksamen Klimadiskurses die CBD durchaus den Schutz der Biodiversität bei Klimamaßnahmen, wie Aufforstungen oder Moorvernässungen, berücksichtigt wissen will. Chinas Präsident kündigte die Einrichtung eines Kunming-Fonds an, der mit 200 Millionen Dollar bestückt werden soll. Das ist selbstverständlich positiv zu sehen, aber auch realistisch einzuordnen: Deutschland allein gibt jährlich 800 Millionen Dollar für internationale Schutzbemühungen aus.

Vieles deutet aber auch darauf hin, dass der CBD-Prozess politischer als jemals zuvor wird, was auch durchaus zusammen mit der allgemeinen Stimmung der internationalen Politik zu sehen ist.

Einige Punkte gaben aber auch Anlass zu Kritik:

  • Fehlende Transparenz: Im High-Level Segment war unklar, wie es zur Auswahl der Regierungschefs kam, die zu Reden eingeladen wurden. Nachvollziehbar waren China als Gastgeber, Ägypten als Präsidentschaft von COP14 und die Türkei als kommende Präsidentschaft von COP16. Dazu kamen dann Frankreich, Costa Rica und Kirgistan, offenbar als Repräsentanten der Weltregionen, und Russland. Diese Auswahl erfolgte einseitig von China.
  • Kritiklose Selbstdarstellung Chinas: Dass ein Gastgeberland in Konferenzpausen Filme über seine eigene biologische Vielfalt einspielt und in Statements gelegentlich auf nationale Erfolge verweist, ist üblich. China hat aber permanent auf „Erfolge“ verwiesen, ohne sie kritisch zu hinterfragen. So wurde dutzende Male darauf verwiesen, dass eine Elefantenherde durch die Provinz um Kunming wanderte und der Bestand seit den 80er Jahren von etwa 100 Tieren auf etwa 120 gewachsen sei, ohne einmal zu erwähnen, wie hoch der ursprüngliche Bestand einmal war oder warum sich diese konkrete Herde überhaupt auf die Wanderung durch Felder und Dörfer begeben musste, in denen sie natürlich massive Schäden angerichtet hat. In keiner Einlassung wurde die tatsächliche Situation der biologischen Vielfalt oder der Status der Umweltzerstörung in China auch nur angedeutet.
  • Geringe Beteiligungsmöglichkeiten für Staaten und NGOs: Side-Events von Staaten außer China selbst oder von NGOs waren nicht zugelassen. Das an sich gut besuchte Ecological Civilization Forum drehte sich nur um die vom chinesischen Staatspräsidenten ausgerufene Idee der ökologischen Zivilisation und verlieh Preise an über 140 chinesische Demonstrationszonen, in denen mit Hilfe der kommunistischen Partei Chinas diese Idee umgesetzt wird. Der Großteil der Zuhörerschaft waren Chines*innen. Dadurch geriet diese Veranstaltung zu einer Art Propagandashow Chinas als angeblicher Vorreiter im internationalen Artenschutz und an die eigene Bevölkerung gerichtet.
  • Chinas Rolle als Präsidentschaft, die vermitteln soll: Auch wenn es bislang keine substantiellen Verhandlungen gab, steht hinter Chinas Fähigkeit / Wille, als vermittelnder Gastgeber aufzutreten, ein gewisses Fragezeichen. In inhaltlichen Einlassungen betont China immer, dass ein GBF vor allem umsetzbar sein müsse (also nicht zu ambitioniert) und nimmt damit eine Positionierung ein. Durch die permanente Lobpreisung der chinesischen Idee der ökologischen Zivilisation entstand der Eindruck, dass China seine Sicht der Dinge in den Mittelpunkt stellt, ohne sie aber selbstkritisch konkret zu machen, was für eine Vermittlerrolle nicht optimal ist. Die nicht transparente Einladung zum High-Level Segment weist auch nicht auf Offenheit gegenüber allen Seiten hin. In Sachen Finanzierung bezeichnet sich China nach wie vor als Entwicklungsland und fordert verstärktes finanzielles Engagement Anderer ein, verweist in anderen Politikbereichen aber auf seinen Weltmachtstatus, was die Glaubwürdigkeit etwas in Frage stellt.

In Bezug auf COP15/2 sind also weiterhin viele Fragen offen, was Zeitpunkt, Ort und Erfolgsaussichten angeht.