- Gastbeitrag Februar 2023 -
Globales Biodiversitätsziel 15: Stärkung der Rolle von Biodiversität in der Berichterstattung von Unternehmen und Finanzinstituten
Ein Gastbeitrag von Johannes Förster und Tobias Wildner
Auf der CBD COP-15 haben sich die Mitgliedsstaaten in dem Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework unter anderem darauf geeinigt Maßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen, dass insbesondere große Unternehmen und Finanzinstitute, Auswirkungen auf und Abhängigkeiten von Biodiversität bis 2030 erfassen und offenlegen sollen (Target 15). Das Forschungsprojekt Bio-Mo-D brachte auf der CBD COP-15 die führenden globalen Standardsetzer für eine solche Biodiversitäts-Berichterstattung in einem Side Event zusammen.
Damit die Integration von Biodiversität in die Berichterstattung von Unternehmen und Finanzinstituten gelingt und somit Biodiversität auch in die Entscheidungen über nachhaltigere Geschäftsmodelle einfließen kann, sind mehr Zusammenarbeit und gemeinsames Handeln von öffentlichen und privaten Initiativen erforderlich. Das ist ein Fazit des Side Events zur Rolle globaler Standards für die Integration von Biodiversität in die Unternehmensberichterstattung, zu dem das Forschungsprojekt Bio-Mo-D am "Finance and Biodiversity Day" während der UN-Biodiversitätskonferenz in Montreal geladen hatte.
Weitere Schlussfolgerungen waren, dass insbesondere bei Methoden sowie der Bereitstellung relevanter Daten kooperative und transparente Ansätze entscheidend sein werden. Dabei sollte sich die Berichterstattung zu Biodiversität auf solide wissenschaftliche Ansätze und Indikatoren stützen. Wichtig sei es allerdings, dass diese Ansätze und Indikatoren auch in der Praxis tauglich seien, um Entscheidungsträger in Unternehmen und Finanzinstituten dabei zu unterstützen, Strategien für eine nachhaltigere Nutzung sowie den Erhalt der Biodiversität umzusetzen. Das Side-Event wurde vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ gemeinsam mit der Value Balancing Alliance (VBA) organisiert und brachte alle führenden Organisationen zusammen, die an der Entwicklung von Standards und entsprechenden Rahmenwerken für die Nachhaltigkeitsberichterstattung über Biodiversität beteiligt sind.
Zur Einführung in die Veranstaltung wies das UFZ auf die entscheidenden Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Biodiversität hin und zeigte sich hieraus ergebende Risiken, aber auch Chancen für Unternehmen und ihre Lieferketten auf. Die mit dem Verlust der Biodiversität verbundenen möglichen wirtschaftlichen Konsequenzen werden auch von Zentralbanken und anderen Aufsichtsbehörden zunehmend als systemisches Risiko für das globale Finanzsystem erkannt (NGFS 2021).VBA und das Mitgliedsunternehmen Holcim unterstrichen die Bedeutung einer aussagekräftigen Unternehmensberichterstattung und referierten über ihre Erfahrungen damit, Auswirkungen und Abhängigkeiten der Biodiversität in die Entscheidungsfindung direkt einzubeziehen. Holcim betonte außerdem, wie wichtig es sei, eine solche Offenlegung verpflichtend zu machen. In diesem Zusammenhang hob das Unternehmen die von der Wirtschaft angeführte Initiative "Make it Mandatory" von Business for Nature hervor, in der mehr als 400 Unternehmen und Finanzinstitute (mit einem Gesamtjahresumsatz von mehr als 2 Billionen US-Dollar) aus 53 Ländern fordern, eine aussagekräftige und relevante Biodiversitätsberichterstattung verpflichtend für Unternehmen einzuführen.
Da dieser Forderung innerhalb der EU bereits Rechnung getragen wird, präsentierte ein Vertreter der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) Grundzüge der European Sustainability Reporting Standards (ESRS), des inhaltlichen Teils der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Der Schwerpunkt der Präsentation lag auf dem Standard zu Biodiversität und Ökosystemen, der voraussichtlich im Juni 2023 von der EU Kommission angenommen wird (EFRAG 2023). Dieser wird mehr als 50.000 Unternehmen in der Europäischen Union und 15.000 Unternehmen in Deutschland dazu verpflichten, ihre Auswirkungen auf und Abhängigkeiten von Biodiversität zu erfassen und offenzulegen (Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft 2023). Dazu gehören neben großen Konzernen mittelfristig auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU).
Die IFRS Foundation (IFRS) mit dem International Sustainability Standards Board (ISSB) verwies auf ihre Ankündigung im Rahmen der CBD COP 15, Biodiversität als zentralen Teil des von ihr zu entwickelnden globalen Standards für Nachhaltigkeitsberichterstattung zu adressieren. In der Ankündigung des ISSB wurde betont, dass Natur die Grundlage für jede wirtschaftliche Tätigkeit ist. Da IFRS mit dem ISSB der wichtigste globale Standardsetzer für die Unternehmensberichterstattung ist, ist diese Ankündigung ein wichtiges Signal an Unternehmen weltweit, Biodiversität in ihre Berichterstattung aufzunehmen.
Ein weiterer global anerkannter Standard ist die private Global Reporting Initiative (GRI), die auf ihre mehr als 15-jährige Erfahrung im Bereich der Berichterstattung zu Biodiversität aufbaut. In ihrer Präsentation stellte die GRI den Entwurf ihres aktualisierten Biodiversitätsstandards vor, der bis Ende Februar 2023 kommentiert werden kann (GRI 2023).
Die Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) skizzierte das Ziel der Initiative, ein Rahmenwerk für das Management und die Berichterstattung insbesondere über die finanziellen Risiken im Zusammenhang mit Biodiversität zu entwickeln (TNFD 2023). Die Initiative wird von Finanzinstituten angeführt, die die Notwendigkeit erkannt haben, Biodiversitätsrisiken besser zu verstehen und zu bewerten. Letztendlich soll der TNFD-Rahmen auch dazu beitragen, Finanzströme, die der Biodiversität schaden, zu reduzieren und Investitionen zu fördern, die sich positiv auf Biodiversität auswirken. In der Präsentation auf dem Side Event wurden die nächsten Schritte zur Fertigstellung der Leitlinien für die Bewertung und das Management von Biodiversitätsrisiken dargelegt, und es wurde erläutert, inwiefern diese Leitlinien für den Finanzsektor, Unternehmen und Standardsetzer relevant sind.
Die Statistikabteilung der Vereinten Nationen berichtete zudem über die umfangreichen Arbeiten, die bereits im Zusammenhang mit der nationalen Ökosystembilanzierung (UN SEEA EA) laufen, und darüber, wie diese die Unternehmensberichterstattung unterstützen und potenziell erleichtern können. Hierfür wurde insbesondere ein stärkerer Austausch zu Methoden, Daten-Verfügbarkeiten und Indikatoren für hilfreich erachtet. Dies, aber auch was die neuen Standards zu Biodiversität und Ökosystemleistungen genau beinhalten, wird durch das Bio-Mo-D Projekt weiter analysiert und kommuniziert.Organisatoren des Side Event:
Tobias Wildner vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung – UFZ und der Value Balancing Alliance VBA sowie Dr. Johannes Förster vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ
Vertreter*innen der Initativen und Organisationen:
Christian Heller, CEO, Value Balancing Alliance (VBA)
Magali Anderson, Chief Sustainability and Innovation Officer at Holcim
Emily McKenzie, Technical Director, Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD)
Philippe Diaz, Lead on ESRS E4 Standard, European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG)
Ravi Abeywardana, Technical Director, International Sustainability Standards Board (ISSB)
Elodie Chêne, Lead BD Standard, Global Reporting Initiative (GRI)
Alessandra Alfieri, Chief Environmental-Economic Accounts Section, United Nations Statistics Division
Dr. Johannes Förster
Dr. Johannes Förster leitet im Projekt Bio-Mo-D den Beitrag des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ mit Schwerpunkt auf Biodiversität und Nachhaltigkeitsberichterstattung in enger Kooperation mit dem Projektpartner Value Balancing Alliance (VBA). Er verfügt über mehr als 10 Jahre Erfahrung in der Arbeit an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik mit Schwerpunkt auf Ökosystemleistungen sowie deren Erfassung und Bewertung als Grundlage für Entscheidungen u.a. zu Klimaanpassung, Vermeidung von Emissionen und Net-Zero Strategien in Zusammenarbeit mit UNEP TEEB, UNEP WCMC, IUCN, GIZ, EEA, TNC, UBA, WWF, NABU sowie weiteren Partnern.
Tobias M. Wildner
Studium der Betriebs- und Finanzwirtschaft, der Ökologie sowie des internationalen Umwelt- und Finanzrechts. Unternehmer und Investmentbanker mit über 12 Jahren Erfahrung im Bereich Corporate, Sustainable & Structured Finance. Daneben, wissenschaftlicher Berater am UFZ innerhalb des Projekt Bio-Mo-D, Global Head of Sustainable Finance & Standard Setting der Value Balancing Alliance sowie freier Berater für diverse Standardsetzer und NGOs (u.a. EFRAG, ISSB, NABU, WWF).Lesetipp:
Der Verlust der biologischen Vielfalt hängt maßgeblich mit dem Wachstumsziel der Weltwirtschaft und dem Streben nach Profitmaximierung zusammen. Hinter den Wirtschaftsunternehmen, die den Konsum weltweit bedienen, stehen Finanzunternehmen, die das nötige Geld für die Ausbeutung der Natur zur Verfügung stellen, und gehörig davon profitieren. Dabei bleibt dieser enorm mächtige Sektor meist undurchsichtig und im Hintergrund. Welche Rolle hat der Finanzsektor aber in der Biodiversitätskrise und wie könnte er bei ihrer Bewältigung einbezogen werden?
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Themenschwerpunkt: „Zentralbanken und Aufsichtsbehörden könnten einiges bewirken“
Siehe auch:
Gastbeitrag: "Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen aus der Rückversicherungsperspektive"
Gastbeitrag: Herausforderung „Sustainable Finance“ und die „Plattform Transformative Finanzpolitik“