Genfer See
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Bild: Devam Jhabak on Unsplash

Berichte von den Vorverhandlungen zur CBD COP-15

Ein Blog zu SBSTTA-24, SBI-3 and WG2020-3

Vom 13. bis 29. März 2022 finden in Genf Vorverhandlungen für die Vertragsstaatenkonferenz COP15 der CBD statt. Dr. Axel Paulsch vom Institut für Biodiversität (ibn) und Dr. Yves Zinngrebe vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ verfolgen die Sitzungen vor Ort.



Die Lage wird hitzig kurz vor Ende: ein weiteres Meeting nötig?

                                                                                                                                                   

von Yves Zinngrebe, 28.03.2022, Genf                           


CBD picture 1 Bild: Yves Zinngrebe Die Intensität und die Dauer des Meetings hinterlassen ernste Spuren. Die „Contact groups“ – Arbeitsgruppen, die eine Einigung in bestimmten Themenbereichen erarbeiten sollen – arbeiten bis spät in die Nacht, und haben die Umstellung auf Sommerzeit morgens um 2:00 noch im Verhandlungssaal erlebt. Und immer wieder fallen den Verhandlern einige ungelöste Herausforderungen auf die Füße: Wie sieht denn nun ein ambitioniertes Zielsystem aus und was sind die Kernelemente? Soll die CBD hier wirklich alle Aspekte der Land- und Ressourcennutzung anschauen, oder soll es hier den Ländern möglich sein, selbst zu priorisieren? Sollen die nächsten Konferenzen der Vertragsstaaten (COPs) dazu genutzt werden, sich gegenseitig in den Fortschritten zu bewerten? Und eng damit immer verbunden die Frage nach Finanzierung: Wofür sollen die „Entwickelten Länder“ den „Entwicklungsländern“ Unterstützung zukommen lassen? Und sollen Entwicklungsländer umgekehrt durch eine Kofinanzierung dokumentieren, dass sie selbst auch wirklich bereit sind, den Biodiversitätsschutz über Entwicklungsprojekte hinaus in ihrer Politik und Landnutzung zu verankern?

Am vergangenen Freitag kam plötzlich Dynamik in die normal sehr disziplinierte Sitz- und Redeordnung. Der Schweizer Delegierte stand energisch auf und ging bestimmten Schrittes zum vorderen Teil des Sitzungssaales, von wo das Meeting von einem vom CBD-Sekretariat unterstützten Vorsitzenden geleitet wird, und wies diesen darauf hin, dass er in der Redeliste übergangen wurde. Sobald er dann zu Wort kam, mahnte er deutlich seine Enttäuschung hinsichtlich des ausbleibenden Fortschritts an. Er verwies auf die zentrale Herausforderung, die globalen Ziele und die Elemente zu „Digital Sequence Information – DSI“ (siehe voriger Blog) zu verhandeln. Man halte sich stattdessen mit Dokumenten aus SBSTTA und SBI auf, bei denen keine Lösung in Sicht sei. Der Vorsitzende versuchte nochmals, eine schnelle Abwicklung der Papiere anzuschieben. Daraufhin mahnte Brasilien, dass ausreichend Zeit eingeräumt werden müsse, um jedem Land eine ausführliche Stellungnahme zu ermöglichen. Daraufhin wurde das Treffen ausgesetzt und es kam zur „Rudelbildung“, wie man im Fußball sagen würde (siehe Fotos). Während das beim Fußball allerdings oft zu verbalen oder physischen Anfeindungen führt, gab es hier einen intensiven Austausch zur Lösungsfindung. Was die Vertreter tatsächlich so missmutig macht, ist an einem Beispiel illustrierbar:

In mehreren langen SBI-Contact-groups wurde der Tagesordnungspunkt „Planung und Evaluierung“ besprochen. Es geht darum, in welchem Zeitraum die Vertragsstaaten ihre nationalen Strategien und Aktionspläne (NBSAPs) aktualisieren sollen, um die globalen Ziele umzusetzen. Desweiteren sollen dann Prozesse für die Evaluierung und eventuelle Nachjustierung der NBSAPs und der damit verbundenen Implementierungsprozesse vorgenommen werden. Man hat das Gefühl, dass ein allgemeines Bewusstsein unter den Verhandlern da ist, dass man nicht wieder zehn Jahre verstreichen lassen will, um am Ende ein Scheitern der strategischen Ziele festzustellen. Stattdessen soll eben ein frühzeitiges „Stocktake“ erheben, welche Ziele von den Ländern jeweils aufgesetzt wurden, um dann entsprechend rechtzeitig nachsteuern zu können.

Während die generelle Bereitschaft zu so einem Prozess wahrscheinlich da ist, sind die Vorstellungen, wie das aussehen soll, jedoch sehr unterschiedlich. Kritische Punkte sind, welche strategischen Ziele, oder (wie bei Klima) Selbstverpflichtungen, hier vorgelegt werden sollen, in welchem Zeitraum das geschehen soll, auf Basis welcher Informationen das zu passieren hat und wie das bewertet werden soll. Soll z.B. nur auf nationaler oder einheitlich auf internationaler Ebene bewertet werden? In wie weit sollen daraufhin Empfehlungen für Nachsteuerungen abgeleitet werden und von wem? Ein empfindliches Thema ist hier, in wie weit einzelne Staaten dann von anderen oder Evaluierungsprozessen beurteilt werden, weil das mit dem Selbstverständnis von Souveränität kollidiert. Gleichzeitig steht die Frage der Finanzierung immer im Raum, wer die Planungs- und Evaluierungsprozesse bezahlt und in wie weit hier auch Entwicklungsländer zahlen müssen.

Obwohl dies zugegebenermaßen alles wichtige Fragen sind, sind sie doch nicht neu. Stellungnahmen zu den verhandelten Dokumenten wurden bereits während der Online-Treffen im Sommer 2021 erhoben. Die Mitgliedsstaaten hatten viel Zeit, sich Gedanken zu machen und die Organisatoren hatten viel Zeit, Texte für die Treffen vorzubereiten. Und dann sitzt man nach über 10 Tagen Verhandlung in der Contact-group und sieht, wie die Länder grundlegende Fragen stellen, essenzielle Paragraphen hin und herschieben, und man fragt sich, ob man das nicht zielführender hätte gestalten können. Vielleicht wäre eine Vorverhandlung weniger übersichtlicher Punkte in einer Vertrauens-schaffenden Atmosphäre ein wichtiger Schritt gewesen, um die technischen Verhandlungen vorzubereiten. SBI, SBSTTA und OEWG wurden parallel angesetzt, weil ihre Inhalte miteinander verwoben sind. Bei der technischen Ausdifferenzierung hat man jetzt aber eher das Gefühl, dass sich die Inhalte nicht organisch verknüpfen und viel offen ist.

Die Schweiz schlug daher vor, einige Dokumente mit vielen Klammern und Baustellen an die COP zu schicken, um sie dort fertig zu verhandeln. Bei der schieren Anzahl der Baustellen ist aber fragwürdig, wie das in zwei Wochen COP verhandelbar ist. Man geht auf eine Sackgasse zu und riskiert, dass viele Fragen unbeantwortet bleiben. Einige Dokumente, wie die zu den ökologisch wertvollen Gebieten (EBSAs), wurden gar nicht in Kontaktgruppen diskutiert, weil die Slots dafür schon mit anderen Themen, wie Finanzierung, belegt waren. Am Sonntag Abend wurde nun explizit vorgeschlagen, was vorher schon gemunkelt wurde: Ein weiteres Treffen in Montreal soll im Juni die Zeit bringen, die es braucht, um offene Fragen zu klären, Themen anzuhören und Vertrauen zwischen den Staaten zu schaffen. Vielleicht wäre auch die eine oder andere Rudelbildung gar nicht so schlecht, um die offenen Problemstellungen klar anzusprechen. Allerdings gibt es auch andere Formate, um sich zwischen den Konfliktparteien direkt auszutauschen (zum Beispiel als „friends of the chair“-Treffen). Einige Baustellen, wie die Ambition und Schärfe der GBF-Ziele, brauchen aber anscheinend mehr politisches Momentum, um den letzten strategischen Plan an Ambition und Konsistenz zu übertreffen (siehe auch Beitrag der Riffreporter). Es gilt also nicht nur, nach Montreal zu fahren, sondern auch, im eigenen Land die COP entsprechend inhaltlich und politisch vorzubereiten.


Siehe auch:

„DSI rein oder wir sind raus“: Warum digitale Kopien von Gensequenzen und ihren Produkten das Übereinkommen über die biologische Vielfalt zum Scheitern bringen könnten

Die zentrale Rolle von Digitaler Sequenzinformation in der Bewältigung der Biodiversitätskrise


Digitale Sequenzinformationen – einig über die Uneinigkeit

                                                                                                                                                   

von Axel Paulsch, 25.03.2022, Genf                            Siehe auch die passenden Beiträge in unserem März-Newsletter


Dass die Frage nach dem Umgang mit digitalen Sequenzinformationen und dem Ausgleich der daraus resultierenden Vorteile eines der ganz dicken Bretter bei den Verhandlungen werden würde, war klar. Pragmatisch hat man sich nun immerhin darüber geeinigt, worüber man uneinig ist, was also weiter besprochen werden muss. Damit konnte die befürchtete Komplettblockade vermieden und ein Weg aufgezeigt werden, wie weiter verhandelt werden kann.

Bei der Frage nach dem Vorteilsausgleich für die Nutzung digitaler Sequenzinformationen (DSI) geht es darum, dass moderne wissenschaftliche Methoden erlauben, sich die Eigenschaften bestimmter Genabschnitte zunutze zu machen, wenn man ihre Abfolge (Sequenz) kennt. Diese Information kann man aus Datenbanken abrufen und braucht dazu nicht mehr das originale Material, also die eigentliche genetische Ressource. Aber nur deren Nutzung ist durch das Nagoya-Protokoll der CBD geregelt. Wie also dafür sorgen, dass ein Vorteilsausgleich auch bei der Nutzung von DSI gewahrt bleibt?


In zwei Sitzungen der entsprechenden Kontaktgruppe wurde dem pragmatischen Ansatz gefolgt, zunächst aufzulisten, worüber man sich einig ist (nämlich, dass es weiterhin Zugang zu diesen Informationen geben muss, um die Forschung nicht abzuwürgen und überhaupt Vorteile zu generieren, die man dann teilen kann, und dass es einen Vorteilsausgleich geben muss). Der zweite Schritt war, aufzulisten, worüber man noch streitet, was aber gelöst werden muss. Dazu gehört, wie genau der Zugang zu DSI geregelt werden soll (z.B. über pauschale oder fallgebundene Zahlungen an die Datenbanken), ob die Herkunft jeder einzelnen Sequenz nachvollziehbar bleiben muss, wie und an wen eingesammeltes Geld verteilt werden soll, und wie sog. nicht-monetäre Vorteile angerechnet werden, z.B. Forschungskooperationen, von denen auch die Quellenländer der genetischen Ressourcen profitieren.


Es bestand auch Einigkeit darüber, dass eine schon Mitte 2021 eingerichtete internationale Beratergruppe unter dem Dach der CBD weiter arbeiten soll und sich genau dieser Uneinigkeiten annimmt. Das alles klingt zwar nach nur kleinen Schritten, aber diese sind wichtig: Es stand zu befürchten, dass einige Entwicklungsländer, die gedroht haben, keinen 2030-Zielen zuzustimmen, wenn das DSI-Problem nicht gelöst wird, den Gesamtprozess blockieren würden. Das ist nicht passiert, es wird in allen Handlungssträngen weiter parallel verhandelt. Das ist noch nicht die Lösung, aber wenigstens kein Scheitern und die Karten liegen jetzt offener auf dem Tisch, als vorher. Immerhin.


Siehe auch:

„DSI rein oder wir sind raus“: Warum digitale Kopien von Gensequenzen und ihren Produkten das Übereinkommen über die biologische Vielfalt zum Scheitern bringen könnten

Die zentrale Rolle von Digitaler Sequenzinformation in der Bewältigung der Biodiversitätskrise


Side Event bündelt Kräfte zur Unterstützung der Umsetzung des kommenden Global Biodiversity Framework (GBF)

                                                                                                                                                   

von Yves Zinngrebe, 23.03.2022, Genf                                                  to the English version


In Zusammenarbeit zwischen dem Zentrum für Integrierte Biodiversitätsforschung (iDIV) und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung haben wir ein Side Event auf der aktuellen CBD-Tagung (Zusammenlegung der Sitzungen von SBSTTA24, SBI3 & OEWG 3) in Genf mit dem Titel: "Von ehrgeizigen, wissenschaftlich fundierten Zielen zur erfolgreichen Umsetzung des globalen Biodiversitätsrahmens nach 2020". Unser Ziel war es, wissenschaftliche Überlegungen zur bevorstehenden Herausforderung der Umsetzung des GBF zu präsentieren und zu diskutieren, wie diese Erkenntnisse den politischen Prozess unterstützen können. Die Veranstaltung kombinierte drei wissenschaftliche Beiträge mit einer Podiumsdiskussion mit Experten für nationale Biodiversitätsstrategien und Rechenschaftsmechanismen. Das Side Event wurde von Axel Paulsch (ibn) moderiert.

Auf der Grundlage seines veröffentlichten Artikels hob Haigen Xu in seinem Vortrag hervor, wie wichtig es ist, das Schutzgebietsnetz so zu gestalten, dass es "alle Gebiete mit besonderer Bedeutung für die biologische Vielfalt und ihre Beiträge für den Menschen schützt". Er ging auch auf die dynamische Theorie des Wandels ein, die dem GBF zugrunde liegt, und schlug vor, die Möglichkeit freiwilliger Verpflichtungen zu nutzen, um die Ziele dynamisch zu steigern.

Andrea Perino (zusammen mit Henrique Pereira) stellte eine Veröffentlichung von rund 50 Wissenschaftlern vor, die wichtige Fortschritte in sechs wissenschaftlichen Bereichen feststellten: vielfältige Werte der biologischen Vielfalt, Fernverantwortung, Wiederherstellung, positive Zukunft, multidimensionale Veränderungen der biologischen Vielfalt sowie Überwachung und Modellierung der biologischen Vielfalt. Sie argumentierte, dass diese multidimensionale Evidenzbasis iterative Lernprozesse der Identifizierung von Maßnahmen, ihrer Umsetzung und der Bewertung ihrer Auswirkungen informieren sollte, um die Eigenverantwortung der verschiedenen Interessengruppen zu fördern und die Verantwortlichkeit für den Umsetzungsprozess zu erleichtern.

Anschließend stellte ich (Yves Zinngrebe) eine unveröffentlichte Studie über die Erfahrungen mit Nationalen Biodiversitätsstrategien und Aktionsplänen (NBSAPs) in Peru, Indonesien, Honduras, Peru, Ruanda und Deutschland vor, die im Rahmen des Projekts "Bäume auf Bauernhöfen für die Biodiversität" und der Evaluierungen in Deutschland gesammelt wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass die NBSAPs verschiedene Funktionen haben, wie z.B. als Referenz für die Ausbildung, als Rechtfertigung für Projekte oder als Anleitung für Schutzgebietsmanagementpläne. Es besteht jedoch die Gefahr, dass sie hauptsächlich erstellt werden, um die Anforderungen des CBD zu erfüllen. In allen Ländern berichten die Experten über verbleibende Hindernisse für das Mainstreaming und die Zusammenarbeit zwischen Akteuren und Sektoren.

View into the venue of the Side event with participants
The objective of the side-event was to inform delegations of Parties to the CBD about science-based approaches to the implementation of global biodiversity goals and targets at the national level. Bild: Y. Zinngrebe

Die Podiumsdiskussion reflektierte verschiedene Herausforderungen und Potenziale für die nationale Umsetzung und regte einen regen Austausch mit dem Publikum an. Cornelia Krug (bioDISCOVERY und Universität Zürich) hob die Notwendigkeit einer transformativen Politik hervor, die alle indirekten Einflussfaktoren berücksichtigt. Um sektorübergreifend mehr Akteure einzubinden, forderte sie, globale Ziele in die lokale Sprache zu übersetzen und sie in der Realität der Menschen zu verankern. Daniela Guaras (UNEP-WCMC) betonte die Bedeutung eines regierungsweiten Ansatzes bei der Überarbeitung und Umsetzung der NBSAPs, um die wichtigsten Regierungsstellen, die bei der Umsetzung eine Rolle spielen sollten, sinnvoll einzubinden. Aufbauend auf den Erfahrungen, die durch die Unterstützung von UNDP, UNEP und UNEP-WCMC gewonnen wurden, haben einige Optionen bisher dazu beigetragen, ein Gefühl von größerer Eigenverantwortung und Transparenz in der gesamten Regierung zu schaffen, darunter die Verabschiedung der NBSAPs als politische Instrumente auf höchster Ebene und die Bestimmung von Schlüsselministerien, die über die Umweltministerien hinaus für die Umsetzung spezifischer Ziele zuständig sind. Sie betonte, dass eine stärkere Koordinierung die politische Kohärenz fördern kann, die eine Voraussetzung für die wirksame Umsetzung des Rahmens ist. Sylvia Karlsson-Vinkhuyzen (Wageningen University and Research) konzentrierte sich auf die Frage der Rechenschaftspflicht und darauf, wie Rechenschaftsmechanismen auf globaler und nationaler Ebene so gestaltet werden können, dass sie die Integration unterstützen, anstatt sie zu behindern. Dies könnte beispielsweise dadurch erreicht werden, dass die Überwachung und die Indikatoren nicht nur auf die Ergebnisse, sondern auch auf den Input und das Verhalten ausgerichtet werden und dass alle relevanten Akteure eine gemeinsame Verantwortung für die GBF übernehmen. Sie betonte ferner, wie wichtig es sei, in partizipativen, demokratischen und zukunftsorientierten Prozessen Kompromisse zwischen der biologischen Vielfalt und anderen Interessen zu berücksichtigen, um Möglichkeiten zum Lernen und zur Rechenschaftspflicht der verantwortlichen Akteure zu schaffen.

In der abschließenden Diskussion betonten mehrere Teilnehmer das Potenzial einer Synthese der bestehenden Erfahrungen mit NBSAPs und deren Umsetzung. Anstatt zu warten, bis Konflikte entstehen, sollten die Akteure frühzeitig einbezogen werden, um Lösungen zu finden und gemeinsam mögliche "Best Practices" zu entwickeln. Angesichts des bevorstehenden Prozesses zur Umsetzung globaler Ziele in nationale Strategien bekundeten mehrere Akteure ihr Interesse an einem weiteren Austausch darüber, wie der politische Prozess mit Unterstützung von Wissenschaftlern und anderen Akteuren begleitet werden kann. Bitte nehmen Sie Kontakt auf, wenn Sie sich an diesem Prozess beteiligen möchten. Wir freuen uns darauf, diese Diskussionen fortzusetzen und möglicherweise weitere Erkenntnisse auf dem sich ständig erweiternden Weg nach Kunming in gemeinsamer Arbeit zu präsentieren.


Streit um’s Geld


von Axel Paulsch, 17.03.2022, Genf


Ein heikles Thema bei den CBD-Verhandlungen ist wie immer das Geld. Am Donnerstag den 17.03.22 hat die entsprechende Gruppe ihre Verhandlungen wieder aufgenommen und bevor man sich um einzelne Kostenpunkte streitet, geht es erstmal um Grundsätzliches: Brauchen wir neue Finanzierungsmechanismen oder ist die etablierte Global Environmental Facility (GEF) ausreichend? Kann man den Finanzbedarf abschätzen, bevor man überhaupt die Ziele bis 2030 beschlossen hat? Die Entwicklungsländer sagen ganz klar: ohne klare Finanzierungszusagen keine Zustimmung zu globalen Umweltzielen.

Seit Etablierung der CBD 1992 ist die Global Environmental Facility (GEF) der Finanzierungs-mechanismus: Reiche Länder zahlen ein, ärmere Länder können aus diesem Topf Finanzierung für die Umsetzung der Konventionsziele bekommen. Nun legen einige Länder des globalen Südens den Vorschlag auf den Tisch, einen weltweiten „biodiversity fund“ aufzubauen. Die Staaten, die bisher in GEF einzahlen, fragen, wozu dieser neue Topf gut sein soll, wer außer Ihnen denn da einzahlen soll und an welchen Kriterien dann das Ausgeben der Gelder gebunden würde. Sie befürchten nicht nur weitere administrative Aufgaben, sondern auch, dass bestimmte Länder einfach die Kriterien umgehen wollen, die für Finanzierung durch GEF angelegt wurden.


Ein weiterer grundsätzlicher Streitpunkt ist, wie man den Finanzbedarf zur Umsetzung der post-2020 Ziele abschätzen soll, solange man die Ziele nicht hat und nicht beschlossen hat, welche Indikatoren zum Monitoring herangezogen werden sollen. Daher argumentieren einige Länder, dass man bei COP 15 zunächst die Ziele beschließen sollte, dann den Bedarf ermitteln und dann in zwei Jahren bei COP 16 die Finanzierung beschließen. Dagegen verwehrt sich der globale Süden ganz klar und droht, keinen Zielen zuzustimmen, wenn nicht gleichzeitig die Finanzierung zugesagt ist. Diesen Fehler habe man 2010 in Nagoya schon gemacht und man wolle ihn keinesfalls wiederholen.


Die finanzierenden Länder hingegen mahnen an, alle Finanzierungsquellen zu nutzen, was heißen soll, dass Entwicklungsländer auch eigene Mittel zum Biodiversitätsschutz aufbringen sollen und sich nicht darauf verlassen, dass dieser Haushaltsposten ohnehin von außerhalb bezahlt wird.


Es besteht also jede Menge Redebedarf und es ist nicht abzusehen, dass man hier in Genf zu abschließenden Einigungen kommen wird. Es wurde daher vorgeschlagen, die Zeit bis zu COP 15 für einen informellen Prozess zur weiteren Besprechung der Finanzierungsmöglichkeiten zu nutzen, um nicht bei COP 15 ohne Fortschritte dazustehen und dann in Zeitnot zu geraten. Ob und wie dieser Vorschlag umgesetzt werden kann, ist momentan noch offen.


CBD-Verhandlungen in Genf starten mit gemischten Gefühlen


von Axel Paulsch, 16.03.2022, Genf


Am Montag den 14.03.22 ging es offiziell los: Die CBD verhandelt wieder in Präsenz, nach zwei Jahren Online-Treffen, die keine Einigungen erbracht haben. Also endlich wieder alles so wie immer? Nein, nicht ganz. Das liegt zum einen natürlich an Corona, denn alle mussten vor der Anmeldung erstmal zum Testen und bekamen dann neben der Zugangskarte tütenweise Testkits und Masken. Jeden Morgen muss man einen negativen Nachweis vorlegen, Maskenpflicht den ganzen Tag in allen Räumen. Trotzdem spürt man, dass alle froh sind, sich wieder physisch treffen zu können, viele Begrüßungen, viel Erleichterung.

Wie üblich starteten die Gespräche mit Eröffnungs-Statements der Regionen und dabei wurde das zweite Thema deutlich, dass das Treffen überschattet: Sowohl die EU als auch Neuseeland verurteilten die russische Invasion in der Ukraine als Bruch der UN-Charta, die Ukraine selbst ergriff das Wort und berichtete von den Verwüstungen und forderte sofortigen Truppenrückzug. Dieser Beitrag wurde mit langanhaltendem Applaus bedacht. Dann aber hielt Russland die Gegenrede in offizieller Rhetorik (Selbstverteidigung, Entnazifizierung) und unterstrich, dass die CBD nicht das Mandat habe, darüber zu sprechen. Eisiges Schweigen.


Auch inhaltlich liegt Spannung in der Luft, denn die online-Verhandlungen hatten ja gezeigt, dass längst noch keine Einigkeit über die zu beschließenden Ziele bis 2030 herrscht. Und auch die Herausforderung, drei begonnene Handlungsstränge parallel zu Ende zu führen, steht im Raum.


Inhaltlich ging es dann erst am Dienstag (15.3.) richtig los, u.a. mit der ersten Sitzung zu den geplanten Zielen 1-8 für das globale post-2020 Rahmenwerk. Dabei zeichnete sich viel Unterstützung ab für Ziel 3, das bis 2030 vorsieht, 30% der Erdoberfläche an Land und auf See unter Schutz zu stellen (derzeit haben wir an Land etwa 17%, auf See unter 10%). Gleichzeitig wurde aber auch gemahnt, dass das nicht heißen darf, dass auf den restlichen 70% rücksichtslos gewirtschaftet werden kann. Es gibt die Forderung nach einem Oberziel, das zunächst mal Nachhaltigkeit auf allen Flächen festlegt, bevor man über die Prozentanteile von Schutzgebieten spricht.


Bei Ziel 2, das 20% Wiederherstellung degradierten Flächen vorsieht, war das Bild zwiespältiger, da einige Länder das für zu ambitioniert halten. Brasilien forderte, eine Bezugsmarke festzusetzen, die auf den Zustand vor der menschlichen Besiedlung zurück geht, an der dann der Wiederherstellungsbedarf der einzelnen Länder festgemacht werden soll. Das lehnt Europa ab, denn das würde bedeuten, dass bei uns nahezu 100% aller Flächen als degradiert (also nicht mehr im Urzustand) gelten würden, auch wenn sie z.B. in Kulturlandschaften artenreicher sind, als der nacheiszeitliche Wald.


Bei Ziel 1 wird die Forderung, noch unberührte Flächen auch weiterhin ungenutzt zu lassen, von den Ländern hinterfragt, die noch große Wildnisgebiete haben und diese in Zukunft auch wirtschaftlich nutzen wollen. Da steht dann auch schnell die Forderung nach finanziellem Ausgleich im Raum.

Nach dem ersten Verhandlungstag kann man feststellen, dass diesmal viele Länder anwesend sind, die früher oft nicht dabei waren, dass der Redebedarf hoch ist und dass die wirklich harten Auseinandersetzungen noch kommen werden, wenn am Text um Punkt und Komma verhandelt wird.


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Dr. Axel Paulsch

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Axel Paulsch ist Geoökologe und seit 2004 Vorsitzender des Instituts für Biodiversität - Netzwerk e.V. (ibn). Er befasst sich seit 2002 mit dem Übereinkommen über die Biologische Vielfalt (CBD) und vertritt das ibn bei Veranstaltungen der großen Umweltkonventionen (CBD, UNFCCC, UNCCD), sowie bei den internationalen Verhandlungen des Politikberatungsinstruments IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services). Den Gründungsprozess von IPBES hat er von Anfang an als Mitglieder der deutschen Verhandlungsdelegation begleitet. Axel Paulsch führt darüber hinaus Fortbildungsveranstaltungen zu IPBES für Regierungsvertreter, Wissenschaftler und Zivilgesellschaft durch, u.a. in Zentralasien. Persönliche Webseite

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Yves Zinngrebe ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Department für Naturschutzforschung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung - UFZ. Er untersucht nachhaltige Landnutzungsgovernance-Systeme und Anreizsysteme für Transformation von sozial-ökologischen Systemen. Ein besonderer Fokus seiner Forschung sind die Konvention für Biologische Vielfalt (CBD) und ihre nationale Umsetzung. In dem Zusammenhang leitet Yves Zinngrebe das wissenschaftliche Begleitvorhaben zur Weiterentwicklung der Nationalen Biodiversitätsstrategie in Deutschland. Zugleich hat er die Umsetzung der Biodiversitätsziele durch "Trees on Farms" in Peru, Honduras, Uganda, Rwanda und Indonesien erforscht.
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