- CBD-Kolumne März 2022 - 

Vorverhandlungen in Genf: Endlich geht’s weiter!

Bericht von den laufenden CBD-Verhandlungen von Dr. Yves Zinngrebe und Dr. Axel Paulsch

Nach zwei Jahren Pandemie hat der CBD-Prozess viele Wendungen genommen und die Post-2020-Ziele werden nun frühestens im Herbst 2022 beschlossen. Die COP15 hat nicht im Oktober 2020 in Kunnming, China, stattgefunden, und obwohl sie offiziell in einem ersten Teil im Oktober 2021 eröffnet wurde, ist weiterhin offen, wann der zweite Teil stattfinden wird. Wir wurden von vielen Seiten gefragt, ob sie denn nun nicht doch im April/Mai diesen Jahres wie angekündigt stattfinden würde. Das ist aber mit den erst Ende März stattfindenden Vorverhandlungen rein prozedural schon unmöglich. Mittlerweile wurden die Daten von der Konferenzhomepage entfernt, aber ein neues Datum wurden noch nicht definiert. Manche Stimmen halten sogar eine Durchführung in China aufgrund von anhaltenden, starken Corona-Restriktionen und vielleicht auch aufgrund politischer Spannungen für zweifelhaft. Was wir aber nun sicher ist: die Vorverhandlungen finden ab dieser Woche in Genf statt.

Ansicht Genf Die CBD-Nebenorgane OEWG, SBI und SBSTTA tagen in der zweiten Märzhälfte 2022 in Genf / Schweiz.
(Bild: Pixabay / ChiemSeherin_2)
Die Corona-Auflagen der Schweiz wurden gelockert und es sind nun lediglich tägliche Schnell tests verlangt. Entsprechend rückteine Teilnahme aller Mitgliedsstaaten in greifbare Nähe. Das wird ermöglichen, dass nun sichtbare Fortschritte bei den Verhandlungen erzielt werden können. Die für die globalen Ziele zuständige OEWG wird ebenso tagen wie der Subsidiary Body on Implementation (SBI) und der Scientific Body (SBSTTA). Die bisherigen Konferenzen OEWG3, SBI3 und SBSTTA24 hatten zwar online verhandelt, aber einige Mitgliedsstaaten hielten es nicht für möglich bzw. sinnvoll, bei schwachen Internetverbindungen und anderen prozeduralen Limitierungen von Online-Verhandlungen (z.B. verschiedene Zeitzonen, kein persönlicher, informeller Austausch zwischen den Arbeitsgruppen) Texte zu verhandeln (siehe unsere Kolumne vom September 2021).

Nun geht es aber bei den Vorverhandlungen in allen drei Nebenorganen der CBD parallel weiter. Und das macht auch Sinn – schließlich hängt das Monitoring-Framework (SBSTTA24 Item 3) sowie auch der Review Mechanismus (SBI3, Item9) fundamental von dem in der OEWG verhandelten Zielstellungen des Global Biodiversity Frameworks ab. Umgekehrt macht es auch Sinn, mögliche Indikatoren oder Evaluierungsprozesse bei der Entwicklung von SMARTen Zielen zu berücksichtigen und aufeinander abzustimmen, wie wir in unserer Studie zum Deutschen Prozess konstatieren. Dies führt allerdings zu einer sehr ambitionierten Agenda, die sich über knapp drei Wochen vom 14. bis 29. März erstreckt. In drei Arbeitssessions von 10 Uhr morgens bis 22:30 Uhr abends (!!!) werden hier die Sitzungen in drei parallel ablaufenden Streams organisiert, wie in dem „DRAFT PROPOSED ORGANIZATION OF WORK“ zu sehen ist (s. Annex auf S. 5).
Und dieser ambitionierte Arbeitsplan ist bei Weitem nicht alles, was auf die Delegationen zukommt: Zusätzlich finden Abstimmungen mit der eigenen Delegation, sowie „like-minded“ oder regionalen Gruppen bereits in den frühen Morgenstunden statt, um sich entsprechend zu koordinieren. Deutschland spricht sich beispielsweise jeden Morgen mit den anderen EU-Staaten ab, um mit einer gemeinsamen Position in den Verhandlungstag zu starten. Zusätzlich werden sicherlich einige „Contact-Groups“ oder „Friends of the chair“ meetings nötig sein, um Kompromisse unter Konfliktparteien zu finden und die Anliegen von Staaten mit anderen Meinungen besser zu verstehen. Und bei all den Verhandlungen müssen die Abgeordneten natürlich auch die immer wieder aktualisierten Verhandlungsdokumente lesen, eine eigene Position dazu entwickeln und entsprechende Stellungnahmen vorbereiten. Es wird bei diesen Verhandlungen daher eine sehr starke Belastung auf die Delegationen zukommen. Die ärmsten Staaten entsenden vielfach nur zwei Delegierte, da nur zwei Abgeordnete von der CBD finanziert werden. Entsprechend wichtig ist für sie die Absprache und Zusammenarbeit mit anderen geographischen Nachbarstaaten, oder Staaten mit ähnlichen Ansichten („like-minded“ groups).
Die Verhandlungen in Genf werden auch bezüglich des Prozesses besonders sein, da es nach wie vor Pandemie-bedingte Einschränkungen gibt: So sind pro Delegation der „Parties“ (Mitgliedsstaaten) nur gleichzeitig sechs Delegierte (für Observer 2) erlaubt, in den einzelnen Sitzungen sogar nur gleichzeitig drei (für Observer 1). Entsprechend unklar ist es, inwieweit Delegierte Zeit haben, zwischendurch noch mit den Kollegen zu netzwerken, oder sich auf inhaltlich bei „Side-Events“ zu informieren. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) veranstalten wir am 22.3. von 13:15-14:45 im „Salle14“ einen solchen Side-Event zum Thema:
“From ambitious, science-based targets to successful implementation of the post-2020 global biodiversity framework” ( Kurzbericht auf Englisch ).
Wir sind gespannt, mit wie vielen Teilnehmer*innen wir hier ins Gespräch kommen werden. Viel wird aufgrund der Limitierungen im Konferenzgelände wohl auch außerhalb stattfinden und wir freuen uns auf interessante Gespräche am Genfer See. Auf jeden Fall werden wir in Genf am Ball bleiben und über die Verhandlungen in einem Sonderbeitrag auf der NeFo-Webseite berichten!