- Gastbeitrag September 2025 -
Gemeinsam Lebensräume revitalisieren: Wie Renaturierungsräte mehr Transparenz und Akzeptanz bei der Wiederherstellung der Natur ermöglichen
Ein Gastbeitrag von Matthias Goerres (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, BUND)
Die Europäische Kommission hat sich mit der Wiederherstellungsverordnung ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: bis 2050 sollen degradierte Ökosysteme einen günstigen Erhaltungszustand erreicht haben. Doch Renaturierung gelingt nur, wenn sie vor Ort von vielen Schultern getragen wird. Damit Länder und Kommunen, Wirtschaft und Verbände, Wissenschaft und Bürger*innen gemeinsam an Lösungen arbeiten können, schlägt der BUND das Konzept der „Renaturierungsräte“ vor. Sie sollen eine Brücke bauen zwischen den Zielen der EU und regionalen Gegebenheiten und Bedarfen. Dieser Beitrag erklärt, warum das Konzept so wichtig ist – und wie wir alle von mehr Beteiligung profitieren können.
Warum die Wiederherstellungsverordnung mehr ist als Naturschutzpolitik
Mit der Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (kurz: W-VO) will die EU nicht weniger als eine Trendwende einleiten: Das Artensterben und die Zerstörung von Lebensräumen soll aufgehalten und umgekehrt werden. Für Deutschland bedeutet das, dass in den kommenden Jahren Meere und Moore, Wälder und Felder, Gewässer und Städte so gestaltet werden müssen, dass Natur und Menschen wieder miteinander harmonieren und dadurch voneinander profitieren. Die W-VO ist somit nicht nur ein ökologischer Meilenstein, sondern auch eine gesellschaftliche Herausforderung – sie berührt u.a. Land- und Forstwirtschaft, Stadtentwicklung und Verkehrsplanung, Gewässerunterhaltung, Energiepolitik und Klimaanpassung.

Solche Querschnittsaufgaben lassen sich nicht allein durch Ministerien oder Fachbehörden lösen. Erfolgreiche Renaturierung hängt davon ab, dass Akteure vor Ort Verantwortung übernehmen und gemeinsam Entscheidungen treffen. Beteiligung heißt dabei nicht nur, gehört zu werden, sondern tatsächlich mitgestalten zu können. Genau hier kann das Konzept der Renaturierungsräte mit regionalen Foren in der umsetzungsorientierten Beteiligungsphase ansetzen. In Form runder Tische zur konkreten Maßnahmenplanung, an denen vielfältige Interessen zusammenkommen: Neben Politik und Verwaltung, Landnutzer*innen und Naturschutz ließen sich Wissenschaft sowie Anwohner*innen und Vereine einbinden. Ziel ist es, auf Augenhöhe zu diskutieren, Wissen auszutauschen und tragfähige Lösungsansätze für die Umsetzung der W-VO zu entwickeln. Statt Entscheidungen nur „von oben“ vorzugeben, können so regionale Besonderheiten berücksichtigt und Konflikten frühzeitig vorgebeugt werden.
Abbildung: Die Wiederherstellung von Waldkorridoren schafft einen Lebensraumverbund (links: vorher, rechts: nachher). Foto: Thomas Stephan
Die Erfahrung aus anderen Beteiligungsformaten zeigt: Wenn die relevanten Akteure in Planungen eingebunden werden, steigt die Akzeptanz von Maßnahmen deutlich. Renaturierung, die als Gemeinschaftsaufgabe verstanden wird, schafft Vertrauen und ermöglicht kreative Lösungen. Für die Natur bedeutet das mehr Flächen, die tatsächlich wiederhergestellt werden können – und für die Gesellschaft lebenswertere Landschaften, sauberes Wasser, frische Luft, Schutz vor Dürren, Überschwemmungen und Waldbränden sowie attraktive Räume für Erholung.
Umsetzung durch Beteiligung vor Ort
Die Wiederherstellung der Natur eröffnet die Chance, eine neue Kultur der Zusammenarbeit zu entwickeln. Renaturierungsräte könnten der Ort sein, an dem die Zukunft einer vielfältigen, resilienten Schwammlandschaft gestaltet werden kann. Für die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen bedarf es Fachwissen, Praxiserfahrungen und konkreter Ortskenntnisse. Denkbar sind regionale Pilotprojekte, die unterschiedliche Modelle erproben und aus denen ein bundesweiter Rahmen entstehen kann. Klar ist: Je früher solche Foren starten, desto besser lassen sich die Akzeptanz für Wiederherstellung der Natur in der Gesellschaft herstellen und Lebensräume revitalisieren. Dies nützt nicht nur der biologischen Vielfalt und der Bewältigung der Klimakrise, sondern trägt auch zum menschlichen Wohlergehen bei.
Weitere Informationen erhalten Sie unter www.bund.net/wvo
Abbildung: Matthias Goerres.
Matthias Goerres
Matthias Goerres ist Teamleiter Lebensräume und Referent für Naturschutzpolitik und -koordination beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Aufgewachsen unweit des Hambacher Walds ist für ihn das Engagement für die biologische Vielfalt Lebensaufgabe. Als studierter Geograph und Umweltmanager führten ihn längere Auslandsaufenthalte auf sechs Kontinente. Er war bereits in der internationalen Zusammenarbeit (u.a. UN, GIZ), Zivilgesellschaft (Schutzgebietsverbände), Wissenschaft und im Privatsektor tätig. Er ist Natur- und Wildnispädagoge sowie Mentor für effektiven Naturschutz.