- CBD-Kolumne Oktober 2022 - 

Deutschland gibt in Zukunft 1,5 Milliarden € pro Jahr für Umweltschutz – wird das reichen, um die neuen post-2020 Biodiversitätsziele zu erreichen?

Bericht von Dr. Axel Paulsch und Dr. Yves Zinngrebe



Dass die Finanzierung der Umsetzung der neuen post-2020 Biodiversitätsziele (Global Biodiversity Framework, GBF) ein zentraler Verhandlungspunkt bei der CBD COP15 in Montreal werden wird, ist klar. Was kann eine Ankündigung, wie die von Bundeskanzler Scholz, die Mittel in Zukunft zu erhöhen, da bewirken?

Bild: Geralt / pixabay
Die Finanzierung der Umsetzung der neuen globalen Biodiversitätsziele wird ein zentraler Verhandlungspunkt in Montreal. Bild: Geralt / pixabay

Wie in früheren Kolumnen schon berichtet, ist vor allem die solide Finanzierung der Umsetzung des GBF eine zentrale Forderung der Entwicklungsländer in den Verhandlungen zu den neuen globalen Biodiversitätszielen, die bei der kommenden Vertragskonferenz des Übereinkommens über Biologische Vielfalt (CBD COP15) zu einem Abschluss kommen sollen. Viele Länder machen ihre Zustimmung zu ambitionierten Biodiversitätszielen von ebenfalls ambitionierten Finanzzusagen abhängig. Als nötig erachtet werden Hunderte von Milliarden Euro. Angesichts dessen sind die angekündigten 1,5 Milliarden aus Deutschland natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber diese Ankündigung im Vorfeld der COP und in einer Zeit, wo auch in den klassischen Geberländern die Staatsausgaben auf dem Prüfstand stehen, hat hoffentlich Vorbildcharakter in dem Sinne, dass auch andere Staaten sich dazu durchringen, ihre Beiträge deutlich zu erhöhen.

In den bisherigen Verhandlungen war es die Linie der Geberländer, zu fordern, dass Beiträge aus ALLEN Quellen kommen sollen. Das bedeutet, dass neben den wenigen Geberländern auch Staatshaushalte ärmerer Länder sowie private Investoren ihren Beitrag leisten. Um diese Forderung zu unterstreichen, macht es sich gut, mit gutem Beispiel voran zu gehen. Eine entsprechende Erklärung zur deutlichen Erhöhung des eigenen Beitrags signalisiert Verhandlungsbereitschaft und Ambition. Dass diese Zusicherung vom Kanzler kam und nicht „nur“ von der zuständigen Umweltministerin, verleiht ihr zusätzlich politisches Gewicht. Denn anders als bei den Klimaverhandlungen, befassen sich Regierungschefs selten mit Biodiversitätsverhandlungen, selbst Ministerbesuche sind nicht selbstverständlich. Je hochrangiger allerdings die letztendlich vor Ort verhandelnde Delegation besetzt ist, umso größer ist auch ihre Möglichkeit, auf Widerstand zu reagieren oder innovative Lösungen zu suchen. Denn viele der zu beschließenden Biodiversitätsziele bringen Verantwortung auf vielen Ebenen und Ressorts mit sich, und eine unter der Flagge der EU verhandelnde deutsche Delegation hat ohne hochrangige Mitglieder wenig Verhandlungsspielraum. In der entsprechenden Pressemitteilung des BMUV hat Frau Ministerin Lemke von sich als „Verhandlungsführerin der deutschen Delegation“ gesprochen. Nachdem das letzte Mal im Jahr 2010 mit Norbert Röttgen ein Umweltminister bei einer CBD COP war, bleibt also zu hoffen, dass Steffi Lemke nach Montreal reist.

Aber wird die Biodiversitätskrise gelöst, indem man einfach möglichst viel Geld ausgibt? Eher nicht, denn es hängt immer davon ab, wie dieses Geld genutzt wird und welche Anreize insgesamt durch politische Rahmenbedingungen gesetzt werden. Eines der größten Finanzierungspotenziale liegt darin, Geld für biodiversitätsschädliche Subventionen NICHT auszugeben und stattdessen damit biodiversitätsfreundliche Ansätze zu fördern (Stichwort Agrarsubventionen der EU). Laut einer globalen Studie der OECD sind potenziell schädliche Regierungsausgaben mit $ 500 Mrd. etwa fünf- bis sechsmal so hoch wie Ausgaben für Biodiversität (geschätzt etwa $ 78-91 Mrd. pro Jahr). Ebenso werden in der internationalen Zusammenarbeit viele Gelder für die Unterstützung von Projekten ausgegeben, die mit Gefahren für die Biodiversität verknüpft sind (z.B. Intensivierung von Landwirtschaft, Bau von Infrastruktur in Biodiversitätshotspots). Diese Ausgaben umzulenken, war ja schon das Ziel 3 im Aichi-Kanon von 2010 und wurde komplett verfehlt. Solange aber die nötige Umsteuerung nicht ernsthaft in Angriff genommen wird, sind Zusagen im untersten einstelligen Milliardenbereich zwar erfreulich, aber bei Weitem nicht ausreichend.

Zudem geht es ebenso um regulative Rahmenbedingungen – als Teil des sogenannten „Mainstreamings“ von Biodiversität in alle Politikfelder. Konkrete Beispiele hierfür sind Regulierungen des Zugangs zu Land, integrierte Planung von Land- und Ressourcennutzung, sowie klare Biodiversitätskriterien für die Bewilligung von Projekten, Umweltprüfungen und Finanzierung, sowie für die Regulierung von Wertschöpfungsketten und unternehmenbezogene Nachhaltigkeitsstandards. All das sind Aspekte der Politik, in denen sich die Gewichtung von Biodiversität letztendlich zeigen wird. Und dass dort gehandelt werden muss, steht auch mehr oder weniger direkt im derzeitigen Entwurf der Globalen Ziele.

Es wird also bei den Verhandlungen in Montreal weiterhin darum gehen, die Ziele des GBF zu schärfen und die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung zu schaffen. Bereits am 3.12.2022 wird die „Open-Ended-Working Group“ (OEWG-5) auf einer weiteren Sitzung versuchen, die Hauptverhandlungen bestmöglich vorzubereiten. Ein wichtiger Umsetzungsmechanismus wird dabei sein, wie Länder über ihre ambitionierte Umsetzung in Form von Nationalen Strategien und Berichten bei der CBD Rechenschaft abliefern müssen. Aber auch weitere Koalitionen zu konkreten Maßnahmen werden sicherlich auf den Korridoren verhandelt und bereits für die Zeit nach der diesjährigen COP vorbereitet. So ist es zum Beispiel denkbar, dass sich analog zu den Klimaverhandlungen Koalitionen von Mitgliedsstaaten besonderen Maßnahmen verschreiben – wie z.B. dem Kampf gegen Überfischung oder Entwaldung als zentrale Treiber von Biodiversitätsverlust.

Wenn sich wirklich etwas ändern soll am Dahinschwinden unserer Lebensgrundlagen, darf die Finanzierung der Erhaltung der biologischen Vielfalt nicht ein „Unterkapitel der Entwicklungshilfe“ bleiben, sondern muss Berücksichtigung in allen Arten von Finanzierungen wie z.B. Krediten, Aufbauhilfen, Startkapital und privaten Investments finden. Ebenso müssen regulative Rahmen angepasst werden. Dazu gibt es Vorschläge in den zu verhandelnden post-2020 Zielen. Es wird hier aber eine entsprechende Führung und Verhandlungsintensität verlangen, um die nötige Schärfe in der finalen Formulierung der Ziele beizubehalten.